„Lernen durch Erinnern“ sensibilisiert für die Spuren der NS-Zeit in Bochum
Erinnern für die Zukunft

Chris Andre Buchholz, Sebastian Döpp, Janina Schäuffele, Luise Mohr, Thorben Pieper und Jano Meyer (von links) stehen hinter dem studentischen Projekt "Lernen durch Erinnern". | Foto: Lernen durch Erinnern
4Bilder
  • Chris Andre Buchholz, Sebastian Döpp, Janina Schäuffele, Luise Mohr, Thorben Pieper und Jano Meyer (von links) stehen hinter dem studentischen Projekt "Lernen durch Erinnern".
  • Foto: Lernen durch Erinnern
  • hochgeladen von Nathalie Memmer

„Es geht uns bei unserem Projekt darum, die Demokratie zu stärken“, sagt Thorben Pieper vom studentischen Projekt „Lernen durch Erinnern“, das an der Ruhr-Universität entstanden ist. Sein Mitstreiter Jano Meyer ergänzt: „Die Anschläge von Halle und Hanau haben in jüngerer Zeit wieder gezeigt, dass dafür eine angemessene Erinnerungskultur, die ein Bewusstsein für die Verbrechen des Nationalsozialismus' schafft, unabdingbar ist.“ Und Orte, die an die NS-Ideologie und ihre verheerenden Folgen erinnern, lassen sich nicht nur weit weg in Berlin oder Nürnberg finden, sondern auch mitten in Bochum.

Thorben Pieper, Jano Meyer und Sebastian Döpp sind gemeinsam mit Chris Andre Buchholz, Luise Mohr und Janina Schäuffele in dem geschichtsdidaktischen Projekt „Lernen durch Erinnern“, dessen Anfänge in das Jahr 2019 zurückreichen und das seit Herbst 2020 eine inzwischen recht umfangreiche Website betreibt, aktiv. Sie studieren Geschichte oder haben ein entsprechendes Studium abgeschlossen und haben zum Teil durch ihr Lehramtsstudium Erfahrungen in der Vermittlung historischer Kenntnisse gesammelt.
„Ich habe den Eindruck, dass das Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft nicht besonders ausgeprägt ist“, sagt Sebastian Döpp, „und auch ich wusste lange Zeit wenig über die Geschichte des Nationalsozialismus' in unserer Stadt.“ Und das geht vielen Bochumern so – und zum Teil eben auch denen, die durchaus an Geschichte interessiert sind. „Es geht uns deshalb auch gar nicht so sehr darum, bisher Unbekanntes zu entdecken, sondern wir möchten bereits vorhandenes Wissen verfügbar machen“, erklärt Sebastian Döpp.

Interaktive Karte

Sichtbar und verortbar wird dieses Wissen in einer interaktiven Karte auf der Website von „Lernen durch Erinnern“, in der viele Orte im Stadtgebiet, die an das jüdische Leben in Bochum oder die Zwangsarbeit in der NS-Zeit erinnern und auch noch viele weitere Aspekte abdecken, verzeichnet sind. Entsprechend bezieht „Lernen durch Erinnern“ auch den Stelenweg „Jüdisches Leben in Bochum – Orte der Erinnerung“ und die inzwischen fast 280 Stolpersteine, die an Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus verfolgt ermordet und deportiert wurden, mit ein.
„Besonders wichtig ist uns auch die Bibliographie auf unserer Internetseite, die es allen Interessierten möglich macht, weiterzulesen und das Thema zu vertiefen“, sagt Jano Meyer. Dabei ist die Arbeit am Internetauftritt der Gruppe keineswegs abgeschlossen, wie er betont: „Es kommen immer neue Informationen hinzu – das ist wie ein Schneeball, der immer größer wird.“ Wer Anregungen hat, was auf der Website noch ergänzt werden könnte, kann mit der studentischen Initiative Kontakt aufnehmen.

Konkrete Vorschläge für den Unterricht

Um Lehrern ganz konkrete Vorschläge für ihren Unterricht zu machen, finden sich auf der Website auch verschiedene Rundgänge zum Themenkreis „Erinnerung an den Nationalsozialismus in Bochum“. Einer von ihnen erlaubt es, Stätten, die an Verfolgung und Zwangsarbeit erinnern, in der Bochumer Innenstadt und Stahlhausen zu erkunden, wobei dem Bochumer Verein natürlich eine besondere Bedeutung zukommt.
Die Rundgänge sind auf der Website als PDF-Dateien verfügbar, können aber auch durch eine App erschlossen werden. „Die App wird vom Land Nordrhein-Westfalen bereitgestellt, ist also nicht kommerziell“, betont Sebastian Döpp. Dass „Lernen durch Erinnern“ diesen Weg der Vermittlung gewählt hat, hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun. „Natürlich hätten wir auch gern persönlich als Guides Führungen begleitet“, sagt Thorben Pieper, „aber das war unter den gegebenen Umständen eben nicht möglich. Dass dieser unmittelbare Kontakt nicht zustande gekommen ist, ist natürlich schade, aber andererseits hat die Fokussierung auf unsere Website natürlich den Vorteil, dass sich der Arbeitsprozess an unserem Projekt so leichter verstetigen lässt.“
So enthält die Website nun sechs verschiedene Führungen, die sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad in einer Zeit zwischen 45 Minuten und zwei Stunden bewältigen lassen. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Schulklassen der Mittel- und Oberstufe – und da hat die Erschließung der Rundgänge durch eine App selbstverständlich besondere Vorteile, wie Sebastian Döpp erklärt: „Dass die Schüler sich die einzelnen Orte, die auf den Rundgängen angesteuert werden, mit der App auf ihr Handy holen können, entspricht ganz einfach den Gewohnheiten dieser Generation, die viele Dinge mit dem Smartphone erledigt. Das Feedback der Jugendlichen und der Lehrer, die unser Angebot bereits genutzt haben, war bislang auch durchweg positiv. Einige Schüler möchten eine der Führungen jetzt auch noch einmal privat mit ihrer Familie absolvieren.“

Zwischen Stadtpark und Innenstadt

Für einen sonntäglichen Rundgang bietet sich zum Beispiel die Führung „Jüdisches Leben zwischen Stadtpark und Innenstadt“ an, die auch den TuS Hakoah Bochum, der sich 1933 auf Druck der Nazis in Schild Bochum umbenennen musste, würdigt. Der Deutsche Fußballmeister von 1938 – jüdische Vereine mussten in der Zeit des Nationalsozialismus' in einer eigenen Liga spielen – hatte seinen Sitz an der Castroper Straße.
Eine Schwierigkeit bei der Verstetigung studentischer Projekte besteht häufig darin, dass die Beteiligten sich nach Beendigung des Studiums anderen Aufgaben zuwenden und vielleicht auch Bochum verlassen, so dass das jeweilige Vorhaben nicht weitergeführt werden kann. Um „Lernen durch Erinnern“ dauerhaft in Bochum zu verankern, suchen die beteiligten Studierenden schon jetzt nach geeigneten Kooperationspartnern, die bei der dauerhaften Etablierung des Angebots behilflich sein könnten. „Die Initiative Nordbahnhof oder das Stadtarchiv kämen als Kooperationspartner in Frage“, erklärt Thorben Pieper, „und vielleicht wären auch einzelne Lehrer bereit, uns bei der Fortführung des Projekts zu unterstützen.“

Jugendliche Zielgruppe

„Lernen durch Erinnern“ nutzt mittlerweile auch Twitter und Instagram, um seine jugendliche Zielgruppe zu erreichen. „Wir stellen auch auf unserer Website einzelne Erinnerungsorte ausführlicher vor“, erläutert Sebastian Döpp das Angebot. So gibt es mittlerweile Beiträge zum Nordbahnhof und zum Mahnmal für das Buchenwald-Außenlager Brüllstraße. Diese Verankerung der Erinnerung an die NS-Zeit vor Ort in Bochum ist wichtig, wie Jano Meyer nochmals betont: „Sonst bleibt das Bild dieser Zeit abstrakt.“

Infos
- Alle Angebote der Initiative „Lernen durch Erinnern“ sind auf: lernendurcherinnern.ruhr-uni-bochum.de zu finden.
- Die Gruppe ist für Anregungen und Ergänzungen zur Website per E-Mail an: lernendurcherinnern@ruhr-uni-bochum.de zu erreichen.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

9 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.