Eine faszinierende Expedition in die Welt des Wahns: „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“ in den Kammerspielen
Ein Mann glaubt, der Mittelpunkt der Welt zu sein, die er retten muss, indem er zur Frau wird und den neuen Messias gebärt: Das ist es, worum es in Daniel Paul Schrebers „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“ geht, der Schrift, mit der der Jurist seine Entmündigung abwenden wollte. Regisseur Fabian Gerhardt macht daraus in den Kammerspielen eine faszinierende Reise in eine wahnhaft verzerrte Welt – und lenkt dabei ganz nebenbei den Blick auf den gesellschaftlichen Wandel, der sich seit dem Erscheinen der Rechtfertigungsschrift im Jahre 1903 vollzogen hat.
Bekannt ist Fabian Gerhardt dem Bochumer Theaterpublikum durch die handlungsgesättigte Romanadaption „Arc de Triomphe“. Da ist die Selbstoffenbarung des an einer Psychose Leidenden natürlich ein extremer Bruch mit bestehenden Erwartungen. Günter Alt, Jürgen Hartmann, Veronika Nickl, Therese Dörr, Raphaela Möst und Simin Soraya schlüpfen abwechselnd in die Rolle Schrebers – sein Vater Moritz Schreber gab der Kleingartenbewegung ihren Namen – und der Menschen, die im Alltag des Klinikpatienten eine Rolle spielen, vor allem der Arzt und die Ehefrau.
Dabei schält sich ein durchaus faszinierendes Gedankengebäude heraus, das wohl auch heute noch als Ausdruck einer wahnhaft verzerrten Weltsicht gelten würde. Allerdings scheint das Durchlässigwerden von Geschlechtszuschreibungen heute weit weniger abwegig als zu Schrebers Zeiten. Auf diese Weise wird „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“ auch zu einem Dokument des kulturellen und sozialen Wandels.
Termine
„Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“ ist am Sonntag, 27. Mai, um 19 Uhr wieder in den Kammerspielen des Schauspielhauses, Königsallee 15, zu sehen.
weitere Termine: Freitag, 15. Juni, 19.30 Uhr; Sonntag, 17. Juni, 17 Uhr; Montag, 2. Juli, 19.30 Uhr.
Die letzte Vorstellung folgt am Freitag, 6. Juli, um 19.30 Uhr.
Die Theaterkasse ist unter Tel.: 33 33 55 55 zu erreichen.
Autor:Nathalie Memmer aus Bochum |
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