Eine Baustelle für die Kunst - Aus 5000 Euro-Paletten entsteht ein Kunstwerk für die Triennale - Jeder kann mitbauen

Das Künstler-Duo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser ist noch auf jede Menge Hilfe angewiesen. Foto: Molatta | Foto: Molatta
3Bilder
  • Das Künstler-Duo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser ist noch auf jede Menge Hilfe angewiesen. Foto: Molatta
  • Foto: Molatta
  • hochgeladen von Petra Vesper

5000 Euro-Paletten, Holzverbinder und jede Menge Schrauben – daraus entsteht an der Jahrhunderthalle „Our CenturY“- ein Kunstwerk auf Zeit. Mitmachen kann jeder bei dieser Kunstbaustelle, die ein neues Eingangs-Portal für die Jahrhunderthalle schaffen will. Und dafür ist das Künstler-Duo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser noch auf jede Menge Hilfe angewiesen. Mitmachen kann jeder, der keine Angst vor Akku-Schraubern hat.

„Es kommt nur darauf an, was man daraus macht.“ Den Slogan, mit dem einst die Beton-Industrie für sich warb, könnte auch auf Euro-Paletten zutreffen - jedenfalls auf jene 5000 Exemplare, die das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser gerade vor der Jahrhunderthalle verbaut. Sie verwandeln die Hilfsmittel aus der Warentransportwirtschaft in ein Kunstwerk - und das beste ist: Jeder, egal ob jung oder alt, kann mitmachen.

Während ein paar hundert Meter weiter westlich seit einer gefühlten Ewigkeit das Autobahndreieck Bochum-West wächst, entsteht seit Montag auf dem Areal der Jahrhunderthalle ein weiteres „Autobahnkreuz“ - allerdings eines aus Holz. „Our CenturY“ heißt das temporäre Kunstwerk, das bis zum Beginn der Ruhrtriennale fertig sein soll und dann fünf Wochen lang nicht nur von Festival-Besuchern, sondern auch von Anwohnern und allen Neugierigen nach Lust und Laune genutzt werden kann.

„Unser Auftrag war es, an der Eingangssituation des Areals etwas zu verändern“, erläutert Martin Kaltwasser die Anfänge des Projektes. „In den letzten Jahren konnten die Leute zwar die Aufführungen sehen, aber es war schwierig, anschließend irgendwo über das Erlebte zu reden.“ Einen Verweilraum haben man schaffen wollen - „aber Stehtische und Partyzelte schienen uns dafür nicht angemessen.“

Stattdessen hat sich das Künstler-Duo von der urbanen Situation im Ruhrgebiet inspirieren lassen: „In der post-industriellen Zeit ist die Region geprägt durch eine Kultur der Mobilität“, so die Einschätzung der beiden Wahl-Berliner. Nirgendwo in Europa sei das Autobahnnetzso dicht wie hier. Das Ruhrgebiet sei überzogen von einem Netz von Verbindungen, die Menschen ständig unterwegs, das Leben spiele sich ab zwischen Autobahndreick und Einkaufszentrum.

Einem Autobahndreieck nachempfunden ist denn auch „Our CenturY“ - eine horizontale Skulptur, mit dem der Westpark komplett neu erschlossen wird. Entstehen soll eine Landschaft aus Stegen, Rastplätzen, Abfahrten, Tribünen und Brücken. Vom Parkplatz aus kommend führt sie Y-förmig auf den Vorplatz der Jahrhunderthalle sowie um das Gebäude herum zu den Waserbecken, die durch die Verwandlung zum „Westbad“ werden.

Grundzüge sind bereits zu erkennen - etwa eine neue, reichlich gewagt aussehende Brückenkonstruktion, oder die Kante, mit dem die Skulptur auf dem Vorplatz der Jahrhunderthalle endet. „Hier braucht die Feuerwehr einfach ihren Rettungsweg und Wendemöglichkeiten“, erläutert Martin Kaltwasser. Und höher als drei Euro-Paletten übereinander soll‘s auch nicht werden - sonst müsste eine Baugenehmigung her. „Deshalb wird es auch eine horizontale Skulptur“, macht Folke Köbberling deutlich.

Liegt erst einmal die Unterkonstruktion aus Holzpaletten, erfolgt der „Feinschliff“: „Dann geht‘s hier richtig los.“ Jeder kann seinen Teil dazu beitragen, den Westpark zu verwandeln. Das ist wörtlich zu verstehen, denn gearbeitet wird mit geschenkten Materialien. Martin Kaltwasser vergleicht das Entstehen der Skulptur mit einem „wunderbaren Jazzkonzert“: Auch dabei werde viel improvisiert, die einzelnen Teile fügen sich zu einem großen Ganzen. Denn wie die Skulptur letztlich im Detail aussehen wird, das wissen auch die beiden kreativen Köpfe noch nicht genau - und gerade darin liegt für sie der Reiz. Denn Mitmachen ist bei ihnen ausdrücklich erwünscht. „Our Century“ soll eine „soziale Skulptur“ sein, an der jeder, der möchte, teilhaben kann. Eine Gruppe von Jugendlichen hat sich am Montagmorgen eingefunden, um Euro-Paletten zu schleppen und miteinander zu verschrauben. Das Mitmachen ist Teil des Kunstwerks.

Auch Familie Hielscher aus Wattenscheid hat die Aufrufe des Triennale-Teams entdeckt und ist neugierig geworden. „Wir wollten arbeiten“, sagt Mutter Martina und sieht jetzt zu, wie Sohn Fabian (11) mit dem Akkuschrauber Platten verbindet und Tochter Caroline (17) mit ihren „Mitkonstrukteuren“ über die nächsten Arbeitsschritte diskutiert. „Das ist eine spannende Sache“, freut sie sich. „Wann kann man den schon mal bei der Entstehung eines Kunstwerkes mithelfen?“

Weitere Helfer für die fünfwöchige Bauzeit werden noch gesucht: „Viele Menschen haben sich schon bei uns angemeldet“, berichtet Cathrin Rose vom No-Education-Projekt der Ruhrtriennale, die die Kunst-Baustelle ins Leben gerufen hat. „Aber natürlich brauchen wir noch viele, viele weitere Helfer.“ Egal, ob jung oder alt, ob als Gruppe oder Einzelperson, ob für einen Tag oder einen längeren Zeitraum: Mitmachen kann jeder, der möchte. Handwerkliches Können ist nicht unbedingt erforderlich - ein Techniker ist jederzeit vor Ort und hilft, wenn‘s schwierig wird. Interessierte sollten sich jedoch vorab anmelden.
Für Folke Köbberling und Martin Kaltwasser ist „Our CenturY“ nicht das erste Bauprojekt, das sie realisieren. Euro-Paletten, so Folke Köbberling, seien ein geradezu ideales Baumaterial für Laien: „Sie sind einfach zu verarbeiten und man sieht schnell Erfolge.“ Und weil keine großen Vorkenntnisse erforderlich seien, könne jeder mitmachen - sogar Kinder. „Für viele Kinder und Jugendliche ist das auch eine völlig neue Erfahrung, einmal selber echtes Werkzeug in der Hand zu halten und selber etwas zu schaffen.

„Our CenturY“ ist ein temporäres Kunstwerk: fünf Wochen wird nun daran gebaut, bevor es am 18. August offiziell eröffnet und weitere fünf Wochen lang als begehbares Kunstwerk für jederman zugänglich sein wird, bevor es wieder demontiert wird. „Die Paletten haben wir von einer Spedition geliehen, die gehen anschließend dahin zurück“, erläutert Folke Köbberling. Die Vorbereitungszeit allerdings dauerte wesentlich länger: „Vor eineinhalb Jahren sind wir zum ersten Mal hierher gekommen, um uns diesen Ort anzuschauen“, erzählt das Künstlerduo. Kommt ihre ihre Idee zur Kunst-Autobahn an der Jahrhunderthalle etwa daher, dass sie damals gleich bei ihrem ersten Besuch im Stau auf dem Ruhrschnellweg standen? Martin Kaltwasser grinst: „Nein, wir haben gar kein Auto...“

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

14 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.