´Ein wenig Wehmut ist auch dabei - Triennale: Intendant Willy Decker zieht Bilanz seiner letzten Spielzeit
Eigentlich ist es ein Routine-Termin, wenn der Intendant der Ruhrtriennale zum Abschluss einer Spielzeit Bilanz zieht. Doch diesmal liegt ein Hauch von Wehmut über der Jahrhunderthalle: Nach drei Jahren verlässt Willy Decker den Chefsessel des Festivals und macht den Weg frei für seinen Nachfolger Heiner Goebbels.
Dass jedes Ende aber auch ein Neubeginn ist, macht eine Aktion deutlich, die sich in den letzten Tagen zum heimlichen Publikumsmagneten der diesjährigen Ruhrtriennale entwickelt hat: Sechs Mönche aus Bhutan streuen seit Tagen ein großes Mandala aus farbigem Sand in der Jahrhunderthalle. Ein stilles Ritual, das manchmal hunderte Besucher gleichzeitig in seinen Bann zieht.Doch die tagelange, mühevolle Arbeit ist nicht von Dauer: Am morgigen Sonntag, 9. Oktober, wird das Mandala um 17 Uhr wieder zerstört, der Steinstaub zusammen gekehrt und dem Wasser übergeben. „Die Zerstörung schafft Raum für Neues“, macht der scheidende Intendant Willy Decker die Symbolträchtigkeit der Aktion deutlich. „Wir lenken den Blick auf das was kommt - und schauen nicht zurück.“
Dabei ist der Blick zurück durchaus beeindruckend: Rund 44.000 Zuschauer besuchten die 34 Produktionen in gut 140 Vorstellungen - mit einer Auslastungsquote von 87 Prozent ist die letzte zugleich die erfolgreichste Spielzeit Willy Deckers. So verbucht Geschäftsführer Michael Helmbold Einnahmen von über sechs Mio. Euro in den letzten drei Jahren und rechnet damit, den Nachfolgern einen „hohen sechsstelligen Erlös“ hinterlassen zu können, der in den kommenden Etat einfließen könne. Und das, so Helmbold und Decker unisono - bei einer maßvollen Preisgestaltung. „Wir wollen hier keine Salzburg-Preise. Die Triennale soll sich jeder leisten können, der sie sich leisten will.“ Möglich macht das nicht zuletzt die finanzielle Unterstützung des Landes - und die solle, verspricht NRW-Kultuministerin Ute Schäfer, auch weiter gehen. „Wir müssen in Spitzenkultur und in kulturelle Basisarbeit gleichermaßen investieren und sie fördern.“ Die Triennale ist für sie „ein Signal des Wandels, das wir in die Welt schicken.“
Dass Erfolg nicht auf Kosten der Qualität erkauft ist, betont Willy Decker: „Gerade in dieser Saison haben wir es dem Publikum nicht einfach gemacht - es gab extrem viele anspruchsvolle und oft auch fremdartige Abende.“ Doch darauf habe sich das Publikum eingelassen - überhaupt seien es diese Offenheit und Neugier der Zuschauer im Ruhrgebiet, die ihn in den letzten drei Jahren begeistert haben. „Und man sagt hier auch gerne direkt die Meinung. Das war auch für viele der Künstler, die hier gearbeitet haben, eine ganz spezielle Erfahrung.“
Decker selbst hat 2007 zum ersten Mal bei der Ruhrtriennale inszeniert - im Landschaftspark Duisburg-Nord. „Damals habe ich noch zwischen Salzburg und dem Ruhrgebiet gependelt - und habe dabei schnell festgestellt, wie befreiend ich es fand, hier zu sein.“ Und fügt schnell hinzu: „Das klingt jetzt so sülzig - stimmt aber.“
Dass ausgerechnet er, der nie ein Intendantenamt angestrebt habe, nach seinem Gastspiel als Regisseur auf den Chefposten der Ruhrtriennale gewechselt ist, hat nicht zuletzt mit den außergewöhnlichen Spielorten des Festivals zu tun: „Aus der Verbindung der alten Industriehallen mit Kultur hat sich mehr entwickelt als der pure Reiz der Exotik der Spielstätten - die Kunst selbst ist in Bewegung geraten und hat sich verändert. Das ist sehr spannend und hat auch mir persönlich noch einmal einen ganz neuen Horizont eröffnet.“
Die Frage nach den Urmomenten des Religiösen und der Kreativität ist die thematische Klammer, die die drei letzten Jahre zusammengehalten hat. „Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Kunst immer einen spirituellen Kern hat - und dass umgekehrt Kunst vielleicht die beste Form ist, um Spiritualität nach außen zu demonstrieren.“ pe
Autor:Petra Vesper aus Bochum |
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