Ein Kunst-Dorf für die Ruhrtriennale

Es ist Triennale-Zeit: Am 15. August wird rund um die Jahrhunderthalle eine Eröffnungsparty für das Kultufestival gefeiert. Dramaturgin Dorothea Neweling und ihr Team werden dann erstmals auch die Großinstallation „The Good, the Bad & the Ugly“ bespielen, die gerade im Westpark entsteht . Foto: Molatta. | Foto: Foto: Molatta
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  • Es ist Triennale-Zeit: Am 15. August wird rund um die Jahrhunderthalle eine Eröffnungsparty für das Kultufestival gefeiert. Dramaturgin Dorothea Neweling und ihr Team werden dann erstmals auch die Großinstallation „The Good, the Bad & the Ugly“ bespielen, die gerade im Westpark entsteht . Foto: Molatta.
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Radfahrer, die in den letzten Tagen und Wochen entlang der Erzbahntrasse durch den Westpark radelten, staunten nicht schlecht: Merkwürdige Dinge tun sich vor der Jahrhunderthalle: Ein riesiger Kopf und andere überdimensionale Körperteile liegen auf dem Vorplatz, ein langgestreckter silbrig glänzender Trailer wurde in Position gebracht, Container entladen, eine Scheune gezimmert. Was ein bisschen an den Aufbau eines Rummelplatzes erinnert, ist Vorbote für die diesjährige Ruhrtriennale, die am 15. August mit dem Fest „Ritournelle“ an der Jahrhunderthalle eröffnet wird.

Es ist die Großinstallation „The Good, the Bad and the Ugly“ des niederländischen Ateliers Van Lieshout, die da ihre Schatten voraus wirft. Ein Kunst-Dorf, das der Künstler Joep van Lieshout aus Rotterdam mit seinem Team entwickelt hat.
Ein Kunstwerk – aber eines mit hohem Nutzwert. Denn alle einzelnen Module des Kunst-Dorfes sind begeh- und nutzbar – ob als Bar, als Veranstaltungsraum, als Schlafstätte oder sogar als Toiletten-Anlage.
Frits Nieuwland ist als technischer Projektleiter für den Aufbau des Kunst-Dorfes verantwortlich: „Bisher klappt alles gut. Am 6. Juli haben wir angefangen – aber wahrscheinlich werden wir bis zum Schluss hieran arbeiten.“ Bis zu acht Mitarbeiter waren zwischenzeitlich am Aufbau beteiligt. Während viele der einzelnen, kleineren Elemente aus Rotterdam nach Bochum kamen und hier wie ein gewaltiges Puzzle auf dem Gelände vor der Jahrhunderthalle zusammen gesetzt werden, entstand das Herzstück dieser Skulptur mit Mehr-Wert, das so genannte „Refektorium“, direkt hier vor Ort. Die Konstruktion aus roten Holzlatten mit großen Schiebetüren an den Seiten erinnert von außen an eine Scheune im amerikanischen Westen – und soll es auch. Das 14 x 16 Meter große Gebäude ist multifunktional nutzbar.

"Bisher hatten wir, gottseidank, noch kein Problem mit Vandalismus"

„Das Refektorium musste nach der Versammlungsstättenverordnung genehmigt werden, andere Gebäudeteile dagegen nach dem Sonderbauverordnungsgesetz“, berichtet Frits Nieuwland von der Begegnung der holländischen Künstler mit der deutschen Bürokratie. „Doch die Zusammenarbeit klappte unglaublich gut, wir haben sehr viel Hilfe von allen Seiten bekommen.“
Zwei Jahre hat Joep van Lieshout mit seinem Team an dem Projekt geplant, bevor der Bauantrag schließlich gestellt wurde. Ursprüngliche Ideen, wie der Bau von bis zu 70 Datschen für Übernachtungsgäste im Westpark wurden aus Kostengründen fallen gelassen. Auch der Plan, „The Good, the Bad and the Ugly“ fest für drei Jahre vor der Jahrhunderthalle zu installieren, wurde verworfen – nicht nur aus finanziellen und logistischen Gründen, sondern auch, weil das Areal auch für andere Veranstaltungen nutzbar bleiben soll. So wird die Großskulptur nach Ende der ersten Spielzeit des neuen Intendanten Johan Simons eingelagert und dann im nächten Jahr, vielleicht in leicht veränderter Form, wieder aufgebaut.
Das zentrale „Refektorium“ soll für die Dauer der diesjährigen Triennale-Saison zum Spielort einer Vielzahl von Veranstaltungen werden. Bis zu 334 Besucher finden hier einen (Steh-)Platz. Das Spektrum der Veranstaltungen ist weit, wie Triennale-Dramaturgin Dorothea Newellig deutlich macht.
Und das Programm steht beileibe nicht unter dem Verdacht der elitären Hochkultur, denn es reicht von Kino-Abenden (etwa mit Dokumentarfilmen des WDR) über Partys, Konzerte (zum Beispiel mit den legendären „Bohren & Der Club of Gore“), DJ-Sets sowie Lesungen (zum Beispiel eine Dante-Lesung mit Thomas Anzenhofer, Jele Brückner und Michael Lippold) und Performances (etwa mit den „Spielkindern“ um die Beckmann-Geschwister) bis hin zu sonntäglichen Führungen und Mitmach-Workshops für Jugendliche und Erwachsene.
Etwas spezieller ist da schon der Besuch des Theatermachers und Musikers Tjerk Ridder aus Utrecht, der bei seinem Projekt „A Slow Ride“ gemeinsam mit seinem belgischen Zugpferd „Elvi“ im Schengen-Raum unterwegs war und der mit dem Triennale-Publikum am 4. September im Refektorium über Freiheit und Unfreiheit sprechen will – sein Pferd hat er natürlich dabei.
„Mit den Angeboten im Refektorium wollen wir die Triennale ganz bewusst öffnen“, macht Dorothea Newelling deutlich. „Das entspricht unserem Motto ‚Seid umschlungen Millionen‘“. Für viele der der Veranstaltungen ist der Eintritt frei. Zudem ist die Bar im Refektorium, die auch Außensitzplätze bekommt, täglich ab 13 Uhr für Jedermann geöffnet – betrieben wird sie von Kevin Kuhn aus dem Ehrenfeld, Macher der legendären „Feel Vergnuegen“-Partyreihe und Betreiber der Eisdiele „I am Love“. Radfahrer, die also demnächst den Westpark passieren, können hier eine Pause einlegen und so ganz nebenbei ein Kunstwerk entdecken. Als Info-Punkt dient die „Bar Rectum“, ein begehbares Enddarmstück. „Ebenfalls ab 13 Uhr werden hier täglich Mitarbeiter vor Ort sein und Informationen über das Kunstwerk und die Triennale geben können“, verspricht Dorothea Neweling.
Auch die Möglichkeit, im Kunstwerk zu übernachten gibt es – die kleine Holzhütte „Caretaker“ und der verschachtelte, ein wenig an ein Bauhaus erinnernde „Domesticator“ bieten sich dafür an. Letzterer bietet zwar im Schlafbereich mit seinen Panoramafenstern in luftiger Höhe einen 1a-Überblick über das Gelände und die Jahrhunderthalle nebenan, auf Annehmlichkeiten wie fließend Wasser oder eine eigene Toilette müssen die Gäste allerdings verzichten. „Die Unterkünfte orientieren sich an Datschen und sind einfach gehalten“, erläutert Frits Nieuwland, technischer Projektleiter der Großinstallation. Als Toilette und Dusche können die Kunst-Toiletten und -Duschen nebenan in rostigen Stahlrohren genuzt werden.
Trotzdem: Interessenten für eine Übernachtung gibt es schon reichlich – bisher allerdings eher aus Künstler- und Mitarbeiterkreisen. Doch die beiden Holzhütten stehen allen Interessierten offen. „Ich habe mich auch schon in die Liste eingetragen. Ich finde das toll“, verrät Frits Nieuwland.

INFOS:
 Die Triennale läuft vom 14. August bis zum 26. September an verschiedenen Spielorten im Ruhrgebiet.
 Die Installation „The Good, the Bad and the Ugly“ wird am Samstag, 15. August, um 18 Uhr eröffnet; alle Interessierten sind eingeladen.
 Anschließend findet die große (kostenpflichtige) Party „Ritournelle“ mit Live-Acts wie „The Notwist“ und „Caribou“ statt.
 Im „Refektorium“ finden unter anderem die sonntäglichen Werkstattgespräche mit Künstlern der Triennale statt. Beginn ist jeweils 11 Uhr.
 Das gesamte Triennale-Programm sowie das spezielle Programm für das Refektorium finden sich unter www.ruhrtriennale.de.

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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