Marlen Haushofers „Die Wand“ am Rottstr5-Theater
Ein kleines Juwel

Die Protagonistin in "Die Wand" ist ganz auf sich selbst zurückgeworfen. | Foto: Birgit Hupfeld
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  • Die Protagonistin in "Die Wand" ist ganz auf sich selbst zurückgeworfen.
  • Foto: Birgit Hupfeld
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Gefühle von tiefster Verzweiflung bis hin zu kindlicher Freude unmittelbar – auch körperlich - nachvollziehbar zu machen: Das gelingt Regisseur Alexander Ritter, der zum Leitungsteam des Rottstr5-Theaters gehört, und Schauspielerin Lea Kallmeier mit ihrer Adaption von Marlen Haushofers Roman „Die Wand“ im Theater unter den Gleisen – einer der schönsten Inszenierungen, die derzeit auf Bochums Bühnen zu sehen sind.

Ein Stoff, der eine Frau in den Mittelpunkt stellt, die sich plötzlich in totaler Isolation wiederfindet und Beistand allein von den Tieren erfährt, für deren Wohlergehen sie Verantwortung übernimmt, entwickelt in Zeiten einer Pandemie, die nun schon sehr viel länger dauert, als die meisten sich das im Frühjahr 2020 vorstellen konnten, natürlich eine ganz neue Dringlichkeit. Aber die Zuschauer werden auch auf einer sehr viel allgemeineren Ebene dazu eingeladen, darüber nachzudenken, was ein Leben ohne Annehmlichkeiten wie Schokolade und Eiskaffee, aber auch ohne einengende Konventionen, die zum Teil sinnlose Gewalt rationalisieren, bedeutet.
Es ist wohl kein Zufall, dass Nähren und Essen für die namenlos bleibende Protagonistin eine besondere Rolle spielen. Schließlich geht es auch um eine Auseinandersetzung mit tradierten Geschlechterrollen. Lea Kallmeier, die viele Elemente des Physical Theatres in die Inszenierung einbringt, gelingt es, den Zuschauenden, die hier eher Miterlebende sind, den Geschmack des dunklen Brotes, das die Frau so schmerzlich vermisst, an den Gaumen zu zaubern. Und als die Frau, die meist auf Obst und Gemüse verzichten muss, frische Himbeeren findet, teilt sich ihre kindliche Freude dem Publikum ganz unmittelbar mit.

Momente tiefster Verzweiflung

Aber auch Momente des Schmerzes und der tiefsten Verzweiflung werden für die Zuschauenden buchstäblich physisch erlebbar, vor allem dann, wenn die Tiere, die für die Protagonistin die einzigen verbliebenen Mitgeschöpfe sind, Gewalt zum Opfer fallen. Überhaupt ist diese Auseinandersetzung mit existenzieller Einsamkeit oft alles andere als angenehm für das Publikum – und das muss ja auch so sein. Dennoch hat dieser Abend auch etwas sehr Tröstliches: Schließlich kann man diese emotionalen Extremzustände gemeinsam mit den anderen im Publikum Anwesenden erleben – in Zeiten wie diesen alles andere als selbstverständlich. Und umso notwendiger.
Mit wenigen Requisiten gelingt ein Abend, den man wohl sein Lebtag nicht vergessen wird.

Termine
- „Die Wand“ ist am Sonntag, 12. Dezember, um 19.30 Uhr erneut am Rottstr5-Theater zu sehen.
- weitere Termine: Sonntag, 16. Januar; Samstag, 5. Februar. Auch diese Vorstellungen beginnen um 19.30 Uhr.
- Karten können per E-Mail an: karten@rottstr.de und unter Tel.: 0 163 761 50 71 reserviert werden.
- Mehr Infos gibt es auf: rottstr5-theater.de.

Die Protagonistin in "Die Wand" ist ganz auf sich selbst zurückgeworfen. | Foto: Birgit Hupfeld
"Die Wand" zeigt Momente tiefster Verzweiflung. | Foto: Birgit Hupfeld
Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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