Rottstr5-Theater denkt George Orwells „1984“ weiter
„Du hast die Pflicht, gesund zu sein“

Julia (Kristina Peters) und Winston (Matthias Zera) verbindet mehr als nur die Gegnerschaft zum System. | Foto: Thomas
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  • Julia (Kristina Peters) und Winston (Matthias Zera) verbindet mehr als nur die Gegnerschaft zum System.
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Das Rottstr5-Theater setzt seine mit Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ und Caryl Churchills „Die Kopien“ begonnene Reihe „Last Exit: Utopia“ fort und adaptiert einen der großen Romane des 20. Jahrhunderts: George Orwells „1984“ - und denkt ihn aus der Situation des Jahres 2019 weiter.
Oliver Paolo Thomas, der das Theater unter den Gleisen derzeit noch gemeinsam mit Hans Dreher leitet und nach dessen offiziellem Wechsel ans Prinz Regent Theater zur Spielzeit 2019 /2020 an der Rottstraße mit einem neuen Leitungsteam Akzente setzen will, präsentiert mit „1984“ nach längerer Zeit wieder eine eigene Regiearbeit. Er projiziert Orwells Idee des totalitären Überwachungsstaats in die Zukunft – und entwirft eine Gesellschaft, die die Vision eines vorsorgenden Sozialstaats, der dafür sorgt, dass Menschen gar nicht erst krank werden, auf die Spitze treibt: Sport wird zur Pflicht; Rauchen, Fleischessen und selbst das Kaffeetrinken sind geächtet. Winston (Matthias Zera) muss sich nach der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen vor O'Brien (Tim-Fabian Hoffmann) rechtfertigen, weil er gegen den geltenden Moralkodex verstoßen hat.

Privatsphäre geht verloren

Wie in Orwells Roman besteht Winstons Vergehen im Wesentlichen darin, dass er auf seiner Privatsphäre besteht. In Julia (Kristina Peters), die nach außen hin als Verfechterin der repressiven Gesundheitsdiktatur auftritt, findet er eine Verbündete und Geliebte, die mit ihm – Gipfel der Subversion – eine Fleischmahlzeit teilen will. Das Fleisch haben allerdings die Ratten gefressen. Und Ratten rufen in Winston traumatische Erinnerungen wach.
O'Brien, der Winston zunächst als potentieller Verbündeter im Kampf gegen das System erscheint, weiß diese Schwachstelle seines Widersachers zu nutzen, um ihn zu foltern – in Wahrheit ist O'Brien nämlich ein geradezu fanatischer Hüter des Systems. Mit der scheinbaren Freiwilligkeit des Mittuns in der Gesundheits- und Gesinnungsdiktatur ist es also nicht so weit her.

Feindbilder werden geschaffen

Die von O'Brien beschworene Untergrundorganisation existiert in dieser Form offenbar gar nicht, wie Winston herausfindet. Jede Diktatur braucht aber einen Gegner, um das Volk auf Linie zu bringen, und so wird die Untergrundorganisation zur Bedrohung aufgebaut.
Die beeindruckende Inszenierung ist eine überfällige Mahnung, wozu der fanatische Kampf gegen Krankheit und moralische Verfehlungen führen könnte.
Die drei Schauspieler legen ihre Rollen nuanciert aus. Das Bochumer Theaterpublikum wird sich vor allem über das Wiedersehen mit Kristina Peters, die lange zum Ensemble des Schauspielhauses gehört hat, freuen. Hoffentlich wird sie in Zukunft öfter im Theater unter den Gleisen zu sehen sein.

Infos
- Der Spielplan des Rottstr5-Theaters ist auf: www.rottstr5-theater.de zu finden.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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