Schweizer mit allen Hits beim Zeltfestival Ruhr
DJ Bobo im Interview: "Applaus ist nicht meine einzige Bestätigung im Leben"
Bevor DJ Bobo im nächsten Jahr auf große Tour zum 30-jährigen Bühnenjubiläum geht, macht der Schweizer mit allen seinen Mega-Hits am 27. August Station beim Zeltfestival Ruhr. Im Vorfeld sprach er mit dem Stadtspiegel Bochum über die Anfänge seiner Karriere und unverzichtbare Songs, über Motivation in Corona-Zeiten und Erinnerungen an Michael Jackson. Außerdem verrät DJ Bobo, warum er in den USA mal am Flughafen festsaß und wie lange er noch auf der Bühne stehen will.
DJ Bobo, Sie sind bekannt für Ihre aufwändigen Shows mit großen Bühnenaufbauten. Die entscheidende Frage: Wie bekommt man eine solche Show in ein kleines Zelt?
Gar nicht! (lacht) Ich glaube, das wissen die Leute aber auch, die beim Zeltfestival zu uns kommen. In dem Zelt muss jeder Künstler mit den Gegebenheiten umgehen, wie sie nun einmal sind. Wir haben unsere LED-Wände dabei für den Videocontent, wir haben unsere Kostüme und die Live-Musiker der Tour dabei. Und ich bin einfach froh, dass die Menschen jetzt ihre Tickets aus dem Jahr 2020 auch einlösen und ins Konzert kommen können. Die Tickets, die daheim an den Kühlschränken hängen, sind ja fast schon vergilbt. (lacht)
Das Konzert war ursprünglich 2020 geplant, dann kam Corona, jetzt findet fast alles wieder statt. Fühlt es sich auch an wie in den alten Zeiten?
Es ist schon wie früher, wenn du wieder auf der Bühne stehst. Da vergisst man schnell. Aber was du immer noch spürst, ist das Damoklesschwert, das über dir schwebt. Man blickt immer noch mit einem Auge auf die Coronazahlen. Es ist schon die Angst da, nochmal in Zeiten von Lockdown und Absagen zurückzufallen. Davon kann ich mich auch nicht frei machen, denn dann müssten wir in der Tat aufhören. Zwei Jahre konnten wir durchhalten, weil wir eine gute Historie haben. Ich konnte auch die Mitarbeiter halten. Aber nochmal könnten wir das nicht.
Aus finanziellen Gründen?
Das Wirtschaftliche ist nicht in erster Linie das Problem. Aber die Mitarbeiter brauchen auch eine Vision, sonst suchen sie sich etwas Neues. Ich habe in den zwei Jahren gespürt, wie schwierig es ist, die eigene Motivation hochzuhalten – und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter sie nicht verlieren. Immer nur Zoom-Meetings und Durchhalteparolen - das hat mich auch müde gemacht.
"Wir spielen die großen Hits - versprochen!"
Jetzt geht’s aber aktuell wieder raus auf die Bühne. Worauf dürfen sich Ihre Konzertbesucher beim Zeltfestival freuen?
Wir spielen die großen Hits - versprochen! Vielleicht probiere ich auch ein, zwei Lieder von meinem neuen Album. Aber ich will die Leute nicht mit zu vielem von meiner neuen Kunst beglücken. (lacht). Sie kommen, um die Hits zu hören. Mir würde es als Zuschauer nicht anders gehen. Ich hatte da selbst mal ein Schlüsselerlebnis.
Was ist genau passiert?
Ich war vor etlichen Jahren bei Phil Collins auf dem Konzert. Auf dem Heimweg dachte ich die ganze Zeit: irgendetwas fehlt. Und dann höre ich im Radio plötzlich „In the air tonight“ - da wusste ich, was mir gefehlt hat. In dem Moment habe ich mir geschworen, das den Leuten nicht anzutun. Das kannst du nicht bringen. Die Leute gehen auf Konzerte, weil sie Emotionen verbinden mit großen Songs. Das erinnert sie an Momente in ihrem Leben und die Musik spült sie emotional nochmal zurück in diese Zeit. Also müssen die großen Hits bei mir dabei sein, ob es „Everybody“ ist oder „There’s a Party“. Wir hatten 15 Top-Ten-Hits in Deutschland, die dürfen nicht fehlen. Es gibt auch keinen Grund, sie nicht zu spielen.
Haben Sie einen persönlichen Lieblingshit?
Die alten Sachen gewinnen bei mir mit zunehmender Zeit an Bedeutung. Die ersten Hits wie „Somebody Dance With Me“ waren bei mir eine Zeitlang out, weil ich sie selbst als trashig empfunden habe. Aber das war einfach der Zeitgeist. Du spürst, dass dieser Zeitgeist teilweise zurückkehrt, dass die 90er Jahre in den Herzen der Menschen wieder als positive Zeit wahrgenommen werden. Und ich selbst empfinde diese Jahre jetzt auch wieder als wertvoll. Sie stehen für eine unbeschwerte Zeit.
„Somebody Dance With Me“ ist aus dem Jahr 1992. Sie sind jetzt schon seit 30 Jahren erfolgreich. Müssen Sie sich manchmal selbst kneifen?
Kneifen muss ich mich nicht – ich weiß schon, was ich gemacht habe. Aber in der eigenen Wahrnehmung ist es komisch, wenn man rückwärts blickt. Da rutscht die Zeitachse sehr zusammen. 30 Jahre fühlen sich ein bisschen unwirklich an. Ein bisschen erschrecke ich mich auch, dass die Zeit so schnell vergangen ist. Gefühlt hat man doch gerade erst losgelegt.
"Denkst du wirklich, ein DJ kann in eine Halle gehen?"
Als Sie angefangen haben, haben DJs noch nicht so selbstverständlich in großen Hallen gespielt wie es heute etwa für David Guetta normal ist.
Da war ich vielleicht ein bisschen Vorreiter, ohne dass ich das wollte. In den ersten Jahren meiner Karriere bin ich nur in Discotheken aufgetreten. Meine Idee war es dann, nicht wieder in die gleiche Diskothek zu gehen, sondern in Hallen zu spielen und dafür eine Show auf die Beine zu stellen mit Musikern und Tänzern. Mein damaliger Tour-Promoter hat mich für diesen Vorschlag ausgelacht. ‚Denkst du wirklich, ein DJ kann in eine Halle gehen und die Leute bezahlen dafür 30 Mark?‘, hat er mich gefragt.
Sie sind aber hartnäckig geblieben?
Ich habe darin meine einzige Chance gesehen, um nicht mit unterzugehen, wenn die DJ-Welle vorübergeht. Ich wollte schließlich längerfristig Musik machen, aber das hat meinen Promoter nicht interessiert. Ich habe mich von ihm getrennt und alles selbst in die Hand genommen. Als wir damals in der Sporthalle in Köln unsere Show gespielt haben, war das für viele noch strange, das war eine Revolution Ich musste erstmal erklären, dass ich nicht nur auflege.
Sie sind heute DJ, Sänger, Tänzer, Komponist – welche Berufsbezeichnung trifft es am besten?
Ich glaube, ich habe es selbst noch nicht rausgefunden. In Amerika habe ich bei der Einreise mal den falschen Ausdruck gewählt: „Musician“. Das ist für die Amerikaner aber ein Straßenmusiker und ich saß eineinhalb Stunden am Flughafen fest und musste mich erklären. Jetzt sage ich immer „European Popstar“, das finden die Amerikaner „fantastic“. (lacht) Wahrscheinlich bin ich mehr Komponist und Produzent als der klassische Musiker oder Sänger.
Sie sagen auch über sich selbst, Sie können gar nicht gut singen?
Wenn das, was du kannst, und das, was du möchtest, auseinanderklafft – das ist schwierig, wenn du zugleich dein eigener Produzent bist. In meinem Herzen meldet sich eben auch der Produzent, der ein bestimmtes Ergebnis erwartet. Und ich bin da nicht realitätsfremd. Ich weiß schon, dass ich eher in die Zweite oder Dritte Liga gehöre, was mein reines Gesangstalent angeht. Sagen wir es mal so: Als Produzent würde ich mich nicht unbedingt als Sänger buchen. (lacht)
Sie singen in englischer Sprache – die haben Sie aber in der Schule gar nicht gelernt?
Das stimmt, ich habe Englisch von Plattenhüllen gelernt. In der Schweiz ist die erste Fremdsprache Französisch, die zweite Italienisch und erst die dritte Englisch. Auf den Plattenhüllen waren die Texte abgedruckt und ich habe so versucht, mir Englisch beizubringen. Ich habe gehört, wie Queen etwas singen, habe so die Aussprache gelernt. Dazu habe ich den Text gelesen, um zu wissen, wie man es schreibt.
Wir haben zu Beginn bereits Ihre aufwändigen Bühnenbauten angesprochen. Wieviel DJ Bobo steckt in so einer Kulisse wie dem überdimensionalen Buddha?
Das steckt ganz viel Bobo drin, ich bin bei jedem Meeting dabei. Aber natürlich braucht es auch ein Team. Unser Bühnenbauer ist von Beginn an dabei, das ist ein völlig durchgeknallter Wahnsinniger. Wir bauen immer noch dreidimensionale Bühnen und setzen nicht nur auf Videocontent. Dafür haben wir aber auch jemanden, der von Anfang an dazu gehört. Außerdem noch meine Frau, die für die Kostüme zuständig ist. Wir sind ein kleines, vierköpfiges Team, das sozusagen die Kreativzentrale für unsere Shows ist.
"Lust, neue Ideen auf die Bühne zu bringen"
Und diese großen Shows sind auch das, was Ihnen selbst so viel Freude macht?
Das ist, was uns ein stückweit antreibt – diese Lust, etwas Neues zu entwickeln und neue Ideen auf die Bühne zu bringen. Das hat uns schon immer Spaß gemacht. Sich immer wieder neu zu erfinden, führt auch dazu, dass man hungrig bleibt. Wir haben nie das Problem gehabt, große Verschleißerscheinungen zu haben. Die Tourneen finden alle zwei, drei Jahre statt und dann immer mit neuen Elementen. Das ist kreativ, das ist anspruchsvoll – und das treibt uns an. Auf der Tour zum 30-jährigen Jubiläum werden wir erstmals drei Bühnen bespielen. So ist jeder Zuschauer unabhängig von der Preisklasse der Tickets mal ganz nah dran.
Apropos 30 Jahre: Was waren Ihre persönlichen Highlights? Sie waren mal mit Michael Jackson auf Tour…
Das Treffen mit Michael Jackson hat durch seinen Tod noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommen, weil es seine letzte Tour war. Da ich schon als Jugendlicher ein Riesenfan war, war das natürlich ein Highlight für mich. Ein anders Highlight für mich waren immer auch die Konzerte in außergewöhnlichen Ländern wie der Mongolei. Dort herrscht eine andere Kultur, eine andere Religion, eine andere Sprache – aber mit deiner Musik kannst du ein Fußballstadion füllen. Und alle singen deine Lieder mit, obwohl sie die Sprache nicht wirklich beherrschen. Das ist für mich jedes Mal etwas sehr Besonderes.
Gibt es Ecken auf der Erde, wo Sie noch nicht gewesen sind, aber gerne noch auftreten möchten?
Früher habe ich immer Nordkorea genannt, aber das sage ich jetzt nicht mehr so laut. (lacht) Ich weiß, dass unsere Musik dort bekannt ist, was auch für den Iran gilt. Vor zehn, 15 Jahren gab es dort noch eine gewisse Aufbruchstimmung. Und da war ich typisch Künstler und wollte vorne mit dabei sein, wenn die Musik Länder verbindet. Für den Iran hatte ich sogar ein Visum, um ein Konzert auf die Beine zu stellen. Aber dieses Visum wurde mir bei der Einreise nach Amerika immer wieder um die Ohren gehauen und ich musste mich rechtfertigen. Die Pläne für Nordkorea und den Iran haben wir vor ein paar Jahren auf Eis gelegt.
In Afrika waren Sie auch unterwegs, und zwar im Dienst der guten Sache.
Ich war bis vor wenigen Jahren für die Vereinten Nationen fürs Welternährungsprogramm im Einsatz. Das war eine humanitäre Sache, die richtig viel Spaß gemacht hat. Du hast gesehen, wie du mit wenigem sehr vieles bewegen kannst. Wir waren unter anderem in Äthiopien und haben bei Terrassierungen und Schulspeisungsprogrammen mitgemacht. Hilfe zur Selbsthilfe ist dort ein echter Volltreffer. Die Menschen dort wollen Visionen wie jeder andere auch. Sie wollen wissen, wie es funktioniert, einen Brunnen zu bauen.
"Ich bin überhaupt nicht bühnengeil"
Abschließend ein kleiner Ausblick: Wie lange werden die Fans DJ Bobo noch auf der Bühne erleben können?
Diese Frage stellst du dir als Künstler eigentlich dauernd. Solange ich das Gefühl habe, dass ich von Freude getrieben bin und es nicht als Zwang empfinde, solange ich auf diesem Level arbeiten kann und die Zuschauer mich wollen - solange möchte ich weitermachen. Ich möchte schon irgendwann aktiv ein Ende meiner Karriere bestimmen. Ich bin überhaupt nicht bühnengeil. Und der Applaus ist auch nicht meine einzige Bestätigung im Leben. Aber noch habe ich einfach das Gefühl, dass ich voll motiviert bin.
Autor:Dietmar Nolte aus Dortmund-West |
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