Die Einohrbärin Susi

8.9 2013

Die Einohrbärin Susi

Eines Tages schenkte Anne mir ein niedliches Bärenmädchen mit einer
Pudelmütze auf dem rechten Ohr.
Marga fragte Sie: „Wie heißt Du denn?“
Sie antwortete: “Mein Name ist Susi.“ So kam Susi auf den Computertisch,
neben den dänischen Bären Lasse und seinem Sohn Ole. Marga konnte mit
den Bären sprechen und verstand auch ihre Sprache. Es fing alles so gut an, als sie in ihrem neuen Zuhause den netten alleinerziehenden Lasse und seinen Sohn Ole kennen lernte. Lasse hatte, genau wie sie eine Mütze auf, wie sie eine Pudelmütze auf ihrem Kopf hatte.
Aber die Pudelmütze sah einfach hässlich aus. Also beschloss Marga sie zu entfernen. Aber, oh Schreck, unter der Mütze fehlte ein Ohr!Das hatte der Bärenhersteller aus Kostengründen einfach nicht eingesetzt!! Es fühlte sich für Susi schrecklich an: Entstellt und verunstaltet, nicht mehr komplett! Was würde Lasse sagen, wenn er sie so sah? Würde er Angst haben, weil sie verstümmelt war - so mit nur einem Ohr? Würde er sie noch mögen, trotz diesen Makels? Ihre Barthaare sträubten sich in alle Himmelsrichtungen, wenn sie daran dachte. Ihre Augenbrauen runzelten sich und sie konnte vor Sorgen kaum noch sehen. (Hören ging ja wegen des fehlenden Ohres sowieso nicht gut.) Und dann passierte etwas Unerwartetes. Sie bekam einen OP-Termin in der kosmetischen Chirurgie für Bären von Martina. Eine Spezialistin für Bären. Die örtliche Narkose machte Susi schrecklich benommen. Nur verschwommen nahm sie die Aktivitäten um sich herum wahr. Sie bekam aber zumindest anfangs einiges von dem bevorstehenden Eingriff mit. Susi hatte Angst. Nicht nur wegen Lasse, sondern um sich selber! Ihre betäubten Sinne erfassten eine große, spitze Schere, mit der ihr auch noch das anderes Ohr amputiert wurde! Sie wollte heulen, aber ihre Stimme gehorchte ihr nicht. Der Schmerz war schrecklich, nicht nur körperlich. Sie konnte das alles nicht mehr ertragen und fiel in Ohnmacht. Es kam ihr so vor, als wenn sich ihre Seele aus dem geschundenem Körper entfernt hätte und sie nun neben dem OP-Tisch stand und sich selber da liegen sah. Was dann geschah machte sie sprachlos: Ihr rechtes Ohr wurde mit Präzision in zwei Hälften geteilt. Die Spenderhaut, oder besser gesagt, das Spenderfell lag schon bereit. Dann erkannte die Bärin eine lange Nadel. Sie war so lang wie ihr Arm und ungemein spitz. Zwei riesige Hände vernähten das Spenderfell geschickt mit den beiden Ohrhälften. Gut, dass sie in Ohnmacht gefallen war. Erstaunlicher Weise floss kein Blut Wie konnte das sein? War es mit ihr vorbei? Das konnte nicht sein, denn Stich, Stich, Stich - spürte sie diese entsetzliche Nadel in ihrem Kopf! Stich, Stich, Stich, erst rechts dann links, dann durch den Kopf, Stich, Stich, Stich, dann rechts, wo das alte Ohr gesessen hatte. Wie lange diese Ohnmacht gedauert hatte, wusste sie nicht mehr. Aber irgendwann musste ihre Seele wohl den Weg zurück in ihren Körper gefunden haben, denn sie kam langsam aus der Dämmerung zurück.
Ihr Kopf schmerzte und pochte wie verrückt. Plötzlich hörte sie deutlich eine Stimme! Konnte das sein, konnte sie wieder richtig hören! Wie durch Watte drang die Stimme in ihren Kopf. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie hörte die Stimme ganz deutlich. Vermutlich, weil das neue Innenohrfell viel
kürzer war als ihr altes Fell und weil sie ja wieder zwei Ohren hatte. Aua, was war das denn? Es ziepte an ihren Augenbrauen! Autsch - schon wieder, diesmal mehrfach an der Nase! Schnipp, Schnapp. Irgendwas geschah an ihrem Kinn. Sie glaubte die Worte „kosmetische Haarentfernung“ zu hören. Hatte sie nicht schon genug gelitten? Erst das Ohr weg, dann das andere abgetrennt, zerteilt und irgendwie wieder angenäht! Verflixt und zugenäht! Sie hatte die Schnauze voll! Die Bärin wollte wieder nach Hause zurück, wieder bei ihrem Lasse und dem kleinen Ole sein! Bei dem Gedanken an Lasse überkam sie große Angst. Wie sah sie jetzt eigentlich aus? Entstellt? Für den Rest des Lebens gezeichnet von der Operation und kahl rasiert? Würde er sie wieder erkennen? Würde er sie noch mögen? Die Stimme, zu der offensichtlich auch die großen Hände gehörten, redete beruhigend auf sie ein und machten sich an ihrem Hals zu schaffen. Sie hatte schon wieder die schlimmsten Befürchtungen. Sollte sie nach all der Qual nun auch noch erwürgt werden?
Aber dann hielten ihr diese Hände einen Spiegel vor. Sie traute ihren Augen nicht. Da waren wieder zwei Ohren an ihrem Köpfchen. Ihre Augenbrauen waren fein säuberlich ausgezupft, ihre Nase war deutlich zu erkennen und die Haare am Kinn waren ordentlich geschnitten. Um den Hals trug sie eine neckische Schleife. Mit einem mal fielen alle ihre Sorgen und Ängste von ihr ab! Sie freute sich, wieder nach Hause zu kommen.
Ja, so würden Lasse und Ole sie sicher mögen.

Martina und Marga

Autor:

Marga Stötzer aus Bochum

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