Sauerlandstern in Usseln
Der Sauerlandstern in Usseln, oder "fifty ways to leave your lover..."

Der Sauerlandstern in Usseln
oder „fifty ways to leave your lover“

Er hatte die Nase voll. Gestrichen.
Sie war ja nicht schlecht im Bett. Auch sah sie für ihr Alter noch ganz gut aus. Aber dieses ständige Zetern und Nörgeln konnte er nicht mehr ertragen.
Bei schlechtem Wetter hieß es: „Welche Pumps soll ich denn bei diesem Sauwetter anziehen! Und das Kostüm wird auch ganz nass. Der Regenschirm passt nicht dazu. Da wird mein Haarspray zusammenkleben und die ganze schöne Frisur ist im Eimer. Und der Mantel ist sowieso zu warm. Jetzt sag doch mal was….“
Hatte sie keine Probleme? Keine wirklichen?
Ihm war doch egal, ob sie rosa, lila oder grüne Pumps trug, Hauptsache, sie beeilte sich mal.
In der Haustür fiel ihr immer ein, dass die Handtasche nicht zu ihrem Outfit passte. Sie fummelte herum. Brach sich einen Fingernagel ab. Da war das Geschrei groß: „Was mach ich denn jetzt? Ausgerechnet heute.“ – „Kleb ein Pflaster drauf.“ Und somit entstand ein perfekter Streit, so perfekt, wie es perfekter gar nicht geht.
Manchmal wünschte er sich eine Frau, die in Gummistiefeln aus dem Reitstall kam, alles dreckig machte und lachte, und nicht diese Zimtzicke, dieses Luxusweibchen.
Seine Mutter konnte noch Erbsensuppe kochen und Reibekuchen machen, bei ihr gab es Tomaten mit Mozzarella oder einen mageren Salat für die Linie.
Sie schleppte ihn zum Tanzen, obwohl er Tanzen hasste. Sogar einen Kurs hatten sie einmal besucht. Er nahm ihn als eine hinterhältige Chance, ihr mal kräftig auf die Füße zu treten.
Heute nun waren sie auf dem Weg zum Sauerlandstern, dem großen Hotel weit und breit, mit Bars und Musik und Tanz, so richtig nach ihrem Belieben. Leider wollte sie nicht spazieren gehen sondern ins Solarium. „Ich will für heute Abend gut aussehen.“ sagte sie und lächelte verschwörerisch. Was er dazu dachte, kann hier leider nicht wiedergegeben werden. Nur so viel ist zu sagen, dass er buchstäblich in sich zusammenfiel. Geistig. Mental.
Nun gut, als seine Schönste bestens gestylt, mit dem Einsatz eines vollen Malkastens, den Frauen zur Verfügung haben, mit dem Glanz aus wenig Kleid und schwarzen Netzstrümpfen das Parkett des gemeinsamen Hotelzimmers betrat, sich nach allen Seiten drehte und fragte: „Na, wie sehe ich aus?“, sackten seine Schultern eindeutig zusammen. Er musste jetzt etwas sagen, sonst war der Abend gelaufen. Etwas Positives wie: „Das Kleid steht dir ausgezeichnet.“ – „Und zu der Frisur sagst du nichts?“- „Doch, die Frisur ist phantastisch.“ Wie viele Lügen hatte er sich schon abringen müssen, um keinen Streit zu kriegen.
„Lass uns gehen.“ Und die Diva schritt stolz an seiner Seite die Stufen zum Ballsaal hinunter.
Ihm war elend. Nein, nicht elend, er war angewidert von diesem Schein, dieser Maskerade.
Sie setzte ihr vorzüglich gewinnendes Lächeln auf und die Männer guckten, starrten sie an. „Na, da hat sie ja gute Aussichten“ dachte er recht zynisch und plötzlich fiel ihm etwas ein.
„Du, Liebling, ich muss noch mal ganz schnell aufs Zimmer. Ich hab etwas vergessen.“ – „Jetzt?“ – „Du kannst ja schon mal ein Tänzchen machen.“
Kaum entfernte er sich vom Geschehen, sah er den ersten Bewerber auf die Dame seines Herzens zustreben.
Er beeilte sich. Packte seine Sachen. Lief hastig zum Auto, setzte sich hinein und fuhr los. Seine Liebste würde sicher ein passendes Nachtlager finden, da hatte er keine Sorge. Dann würde sie dem Herrn die Ohren voll-jammern, und dieser würde sie nach Hause bringen, so ganz in Gentleman Manier. Und er hatte frei.
Ihm fiel ein Stein vom Herzen, nein, eigentlich ein ganzes Gebirge. Er atmete durch. Atmete auf, fuhr durch die nächtlich dunklen Wälder, durch die schönen Kurven und genoss es.
Wie konnte das Leben doch schön sein!
Und er nahm sich vor, eine Frau zu suchen, die mit dreckigen Stiefeln vom Reitstall kommt, lacht, und der Regen nichts ausmacht.

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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