Erinnerungen
Der Mantel

Ausverkauf in den 60er Jahren, es war ein Sturm auf die Geschäfte in der Innenstadt. Ein Fest für meine Schwiegermutter, die tag-täglich in die Stadt fuhr, man konnte die Uhr danach stellen, aber das ist eine eigene Geschichte. 
Zurück zum Ausverkauf: Meine Schwiegermutter erhaschte immer Super-Schnäppchen und ich vertraute ihrem Geschmack. Ich war jung verheiratet, meine Tochter gerade geboren und Geld war Mangelware. Also bat ich meine Schwiegermutter, mir doch einen Mantel zu besorgen, was sie auch gerne tat. 
Stolz auf meine Neuerwerbung schnappte ich mir meine Tochter samt Kinderwagen und auf ging es zu meinen Eltern, um den Mantel zu präsentieren. Für meinen Vater war es selbstverständlich, dass seine Frau und seine Töchter immer gut gekleidet waren, Mutti nähte ja alles selbst, also bedurfte es in seinen Augen keines Kommentares, Vati war kein großer Redner.
Gegen Abend trat ich den Heimweg an. Wie immer lag mein Vater im Fenster, um mir zum Abschied zuzuwinken. Und dann kam der entscheidende Satz: "Schönen Bademantel hast Du an."
Aus dem Munde meines Vaters war der Satz für mich niederschmetternd, es war der unrühmliche Abgang für meinen neuen Mantel. Er verschwand im Kleiderschrank und hat bis zur Entsorgung kein Licht mehr gesehen.
Ebay gab es noch nicht und entsorgen ging nicht: "hat ja Geld gekostet," wie man früher sagte.
Diesen Mantel könnte ich heute noch beschreiben, so sehr hat mich der Ausspruch meines Vaters getroffen.

Autor:

Anni Rodehüser aus Bochum

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