75 Jahre WAZ
Das Wunder von Bern

Foto: Jens

Für was eine WAZ doch so alles gut sein kann..

Zugegeben, ohne die eine und andere Zeitschrift kann ich leben – aber auf die Tageszeitung möchte ich nicht verzichten.
Zum zweiten Pott Kaffee nach dem Frühstück gehört sie einfach dazu.

Tja – gemeinsam sind wir alt geworden, wenn ich auch, Jahrgang 1955, etwas jünger bin.

20 Jahre sind es nun her, dass ich auf einen einen Artikel in der WAZ aufmerksam wurde. Es ging um ein Komparsen-Gesuch – für den Film „Das Wunder von Bern“ von Sönke Wortmann. 

Und hier die Geschichte dazu: 

„Das Wunder von Bern“

Als Komparse in dem Film "Das Wunder von Bern" mitzuwirken - das stellte ich mir damals aufregend vor.
Zwar hatte ich mich noch nie mit solch einem Gedanken auseinandergesetzt, als Komparse in einem Film mitzuwirken,  fühlte mich trotzdem durch einen Artikel in der WAZ herausgefordert. Für Dreharbeiten in dem Film „Das Wunder von Bern“ suchte eine recht bekannte Casting-Agentur offensichtlich noch Statisten. Spontan lud ich den Castingbogen auf meinem Computer herunter. Ein allgemein verständliches Formular, welches für meine Begriffe auf den ersten Blick etwas zu bürokratisch wirkte. Beim Ausfüllen kamen mir ehrlich gesagt so manche Zweifel, da nach künstlerischen Fähigkeiten gefragt wurde. Was oder mit was ich da angegeben hatte, daran kann ich mich heute leider nicht mehr erinnern.

Wider Erwarten setzte sich wenige Tage später ein durchaus höflicher Mitarbeiter der Casting-Agentur telefonisch mit mir in Verbindung. Interessiert erkundigte sich der nette Mann am anderen Ende nach meiner Haarfarbe, wobei ich ihm leider nur das angedrohte superblond, wie auf dem Foto, bestätigen musste.
Klappe und Aus, damit war ich raus.
Also mit solchen Haaren sah der junge Mann am anderen Ende keine Chance. Nicht, dass er mich nicht nett aussehend fand, ganz im Gegenteil, höflich gab er mir mehrmals zu verstehen, wie leid es ihm täte. Auch der sinngemäße Fingerzeig auf eine Perücke wollte ihn nicht so recht überzeugen.
Noch bevor ich mich über die Inflexibilität so richtig ärgern konnte, erreichte mich ein erneuter Anruf des gleichen Mitarbeiters .. mit einer Zusage zur Kleiderprobe.

Zwei Tage später saß ich in der „Maske“, in hoffnungsvoller Erwartung auch mal so toll auszusehen wie die „Sternchen“ oder „Stars“ .. oder wenigstens so ähnlich. Mit siebenundvierzig auf siebenundzwanzig getrimmt zu werden .. das stellte ich mir einfach himmlisch vor. 

Mir standen fast die Tränen in den Augen, als ich mich mit den verfilzten Locken und dem unmöglichen Hut im Spiegel betrachtete. Schlimmer hätte es nicht kommen können .. oder doch? Ich musste ja auch noch das dazugehörige Kleid anziehen, wohl eher mich hineinzwängen .. und in die Schuhe .. und am Drehtag die angeblich passende Handtasche um den Arm hängen. Diese schwarze Lederimitattasche gab meiner Meinung nach dem Gesamtbild den Rest. Für die Chefin der Garderobe absolut unverständlich, da sie „Schätzken“, womit sie nicht nur mich sondern auch alle anderen Komparsen meinte, bildschön hergerichtet fand.
Verkleidet, im Stil der Fünfziger Jahre und ungeschminkt schloss ich mich den anderen Komparsen an. Merkwürdig kam es mir schon vor, dass alle anderen Frauen schöner aussahen als ich, von den Männern ganz zu schweigen. Absolut gelungene Figuren gaben sie ab, zu denen Regisseur Sönke Wortmann wirklich stolz aufsehen kann.

Einer von den älteren Herren musste wohl einen Narren an mir gefressen haben, da er für Stunden nicht von meiner Seite wich. Rein äußerlich passten wir sogar hervorragend zusammen, die Perücke tat ihr Bestes. Nachdem ich es endlich schaffte, mich aus seinen Klauen zu befreien, glaubte ein gutaussehender junger Mann seinen Arm ständig um mich legen zu müssen. Wahrscheinlich sah er in mir eine zu beschützende Person, vielleicht sogar eine Mutter. Ja richtig, er nannte mich manchmal sogar „Mama“, zuweilen auch „Tante Elsbeth“. Ein bestimmt lustiges Bürschchen fand ich, denn auch während der mitunter langweiligen Dreharbeiten verlor er nicht seinen Humor. So drang „Ein kleiner grüner Kaktus“, „Veronika der Lenz ist da“, „Ich steh im Regen“ und noch verschiedene andere Strophen von irgendwelchen Liedern an mein Ohr. Schon beim Kaffeeschlürfen im Zelt, während der Pausen, war er mir aufgefallen. Ich meine natürlich sein Humor - und ich ihm bestimmt wegen meiner luftigen Perücke mit dem lustigen Hütchen. Dass er mehrere Fotos von mir machen wollte kam mir sehr gelegen, denn dummerweise hatte ich meinen Fotoapparat vergessen - weshalb ich lange Zeit in der Hoffnung lebte, wenigstens einen Abzug zu erhalten. Irgendwann hatte ich die Hoffnung aufgegeben ..  

Die Dreharbeiten auf dem Bahnsteig des Bochumer Eisenbahnmuseum zogen sich wie Kaugummi, und so allmählich verging mir die Lust dem heranrollenden Zug zum x-ten Mal zuzuwinken. Das Deutschlandfähnchen in meiner Hand hing schon genauso schlaff herunter, wie die unter dem Hut hervorlukende Lockenpracht. Kein Problem für die fleißigen Damen von der Maske. Mit flinken Handgriffen und einigen Haarnadeln, gefühlt müssten es an die fünfzig gewesen sein, wurden sie gebändigt .. die Locken.

Angelockt von den leckeren Essensgerüchen aus dem Pausenzelt fühlte ich mich überhaupt nicht.  Der Gürtel des zu engen beigefarbenen Seidenkleides vermittelte mir den ganzen Tag über ein indirektes Sättigungsgefühl. Zum Glück fand wenigstens ein Plastikbecherchen Espresso Platz, der mir wahrhaftig noch am nächsten Tag durch den Kopf schwirrte. Genauso wie die wunderbaren Erlebnisse und Eindrücke vom Drehtag im Eisenbahnmuseum in Bochum-Dahlhausen.

Ach – und ein bisschen Kohle auf die Hand gab es natürlich auch ..

Autor:

Hildegard Grygierek aus Bochum

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