ClaudiusTheater spielt "Peer Gynt"
Nach „Raufaser und Blümchenmuster“ und „Work-Life-Balla-Balla“ hat sich das ClaudiusTheater nun einen Klassiker vorgenommen – Ibsens „Peer Gynt“.
„Dieses Projekt ist immer noch im Aufbau“, sagt NRW-Landtagspräsidentin Carina Gödecke mit Blick auf das ClaudiusTheater, für das sie die Schirmherrschaft übernommen hat.
Um Missverständnisse zu vermeiden, fügt sie jedoch hinzu: „Das Theater hat bereits zwei selbst entwickelte Stücke würdig auf die Bühne gebracht. Dabei ging es um Themen der Lebensrealität, nämlich das Leben in den Claudius-Höfen und den Umgang mit Zeit.“
„Jetzt wollen sich die Akteure einen Klassiker vornehmen, nämlich ´Peer Gynt´. Ich finde das großartig, weil es das gewachsene Selbstbewusstsein zeigt“, ist die Schirmherrin angetan von dem Projekt, „Theaterspielen ist für die Teilnehmer ein Stück Lebensfreude.“
Der Theaterpädagoge Jens Niemeier ist der künstlerische Leiter des Unternehmens. Er erläutert den inklusiven Ansatz näher: „Menschen aller Altersstufen mit und ohne Handicap spielen gemeinsam. Meine feste Überzeugung dabei ist, dass jeder Mensch Einschränkungen hat, mit denen man in der Gruppe arbeiten kann und muss.“
Niemeiers gesellschaftspolitischer Anspruch wird dabei ganz konkret: „Wir verzichten auf Castings – wir wollen ein Angebot für alle sein.“
Für alle Interessierten gibt es Mitte November eine Schnupperprobe. Ab Ende November sollen in verschiedenen Workshops Grundlagen der Schauspielkunst, Lesungen, Techniken der Maskenbildnerei, des Schreibens und des Tanzes erarbeitet werden.
Ab Dezember soll auch ein monatlicher Theater-Treff eine solide institutionelle Basis für das Projekt schaffen. „Dabei soll es um Themen wie Wahrnehmung und Improvisation gehen.“ Das niederschwellige Angebot soll auch Raum für Gespräche bieten.
Der inklusive Ansatz bewährt sich auch insofern, als alle Beteiligten von der Zusammenarbeit profitieren. Schmunzelnd verrät Gödeche: „Bei Jens Niemeier hat sich die Arbeit im Claudius
Theater schon positiv bemerkbar gemacht: Die Entschleunigung, die er erlebt hat, ist unverkennbar.“
Niemeier kann da nur zustimmen. Er erläutert die Grundprinzipien seiner Arbeit noch weiter: „Ich muss dafür sorgen, dass alle mitkommen. Ich kann niemanden austauschen, nur weil er vielleicht nicht wie erwartet funktioniert.“
Wenn es doch einmal zu einer Umbesetzung kommt, hat das andere Gründe. „Es kommt vor, dass sich Teilnehmer beruflich neu orientieren und deshalb aussteigen müssen. Dann springt eben jemand vom Theater-Treff ein“, zeigt sich Niemeier lösungsorientiert.
Experimentierfreudig ist er auch, wenn es um „Peer Gynt“ geht: „Einerseits werden wir die altertümliche Sprache des Stücks erhalten, andererseits werden die Teilnehmer Raum haben zu improvisieren“
Der Spieltrieb der Akteure ist fest eingeplant: „Sie werden sich als Trolle verkleiden.“ Das Problem der beachtlichen Textmassen geht Niemeier pragmatisch an: „Peer erfindet sich immer wieder neu. Was liegt da näher, als die Rolle auf mehrere Darsteller zu verteilen.“ – Sieben an der Zahl werden es wohl am Ende sein. „Es gibt einen Geschichten-Peer, der Lügen auftischt, einen Peer, der als Frauenheld auftritt, und einen, der Moslem ist“, gibt der Regisseur einige Beispiele.
In einem inklusiven Theater werden naturgemäß Themen verhandelt, die alle Menschen betreffen. „Es geht um Selbstfindung“, deutet Niemeier die Stoßrichtung des Ibsen-Dramas an, „dabei gibt der Originaltext der Handlung keine klare Richtung. Vielleicht ändern wir das in unserer Fassung.“
Wie bei fast allen Klassiker-Inszenierungen steht die Kürzung des Originaltextes ganz oben auf der Agenda. Niemeier hat von seiner Streichfassung schon relativ klare Vorstellungen: „Unser ´Peer Gynt´ wird eine Aufführungsdauer von etwa 60 Minuten haben.“ Dabei erwartet die Zuschauer kein reines Sprechtheater: „Elemente von Tanz, Musik und Gesang sollen einfließen.“
In den Claudius-Höfen wird das neue Opus aufgeführt werden. Wie schon in der Vergangenheit wird auch das Haus der Begegnung an der Alsenstraße für Proben und Aufführungen genutzt – schließlich ist es von den Claudius-Höfen nur einen Katzensprung entfernt. Auch für Gastspiele ist man aufgeschlossen.
Das bewährte Stück „Work-Life-Balla-Balla“ ist am 13. November auf Gastspielreise. Die Emscher-Werkstatt in Gelsenkirchen wird dann zur Bühne für das Erfolgsstück. „Unsere Auslastung ist immer gut“, betont Niemeier nicht ohne Stolz.
Am 21. November gastiert das Schauspiel mit dem markanten Wortspiel im Titel dann auf der Bühne des Ottilie-Schoenewald-Weiterbildungskollegs an der Wittener Straße.
Carina Gödecke weiß um die Bedeutung dieses Ereignisses: „Auf einer richtigen Bühne zu tanzen, zu singen und eine Liebesszene zu spielen, ist eine besondere Erfahrung.“
Die Arbeit an verschiedenen Veranstaltungsorten stellt ein inklusives Theater vor nicht unerhebliche Herausforderungen. „Barrierefreiheit ist nicht überall gegeben. Dann müssen wir eine Lösung finden – der betreffende Akteur bleibt dann vielleicht für die gesamte Aufführungsdauer auf der Bühne“, gibt Niemeier Einblick in entsprechende Entscheidungsprozesse.
Barrierefreiheit ist für ihn ein hohes Gut: „Dazu gehört auch der Einsatz leichter Sprache.“ Kreativität ist auch gefragt, wenn es um die Ausstattung der Produktionen geht. „Die Bühnenbilder erstellen wir selbst. Die sind allerdings sehr reduziert – zu viel Klimbim lenkt nur ab. Bei uns steht der Mensch im Fokus“, ist Niemeiers Credo. Folgerichtig verzichtet der künstlerische Leiter auch auf üppige Kostümierung.
Die Teilnehmer können und sollen sich und ihre Interessen in die Produktion einbringen. „Ob der VfL Bochum oder die Songs Herbert Grönemeyers bei ´Peer Gynt´ ihren Platz finden, bleibt abzuwarten“, ist Schirmherrin Gödecke gespannt.
Niemeier ist es wichtig, allen Interessierten den Besuch der Aufführungen zu ermöglichen. Entsprechend werden bestimmten Gruppen Ermäßigungen gewährt. Bei einzelnen Veranstaltungen zahlen die Besucher nach Selbsteinschätzung. – Theater für alle also.
Autor:Nathalie Memmer aus Bochum |
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