„Butterbrote und Bier“: Das Rottstr5-Theater erschließt „Szenen einer Ehe“ für das 21. Jahrhundert

Massiamy Diaby begibt sich in "Szenen einer Ehe" auf ein Experimentierfeld. | Foto: Schnorrbusch
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Regisseurin Selina Girschweiler wählt am Rottstr5-Theater einen ungewöhnlichen Zugriff auf Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“: Zwei Schauspielerinnen und ein Schauspieler schlüpfen abwechselnd in die Rollen der Partner Johan und Marianne und wecken so ein Bewusstsein für Geschlechterklischees, wenn Marianne auch einmal von einem Mann und Johan von einer Frau gespielt wird. Noch wichtiger ist vielleicht, dass die Differenz zwischen handelndem und beobachtendem Ich transparent gemacht wird.

Sind die drei Akteure nämlich gemeinsam auf der Bühne, teilen sich zwei von ihnen eine Rolle. Während einer redet - gesprochen wird in „Szenen einer Ehe“ viel; die Handlung realisiert sich erst im Dialog -, zieht sich der andere auf den Betrachterposten zurück. So zelebrieren Johan und Marianne ihre wechselvolle Beziehung bei Butterbroten und Bier – eine Chiffre für Intimität.
Alles beginnt mit den Bekundungen des Paares, wie glücklich es sei. Allein, diese Beteuerung wirkt seltsam hohl. Das wackelige Konstrukt kippt, als – das einzige Mal an diesem Abend im Theater unter den Gleisen – eine dritte Person auf den Plan tritt: Eine Klientin sucht Marianne, die als Scheidungsanwältin tätig ist, auf, weil sie sich nach 20 Jahren von ihrem Mann trennen will. Sie habe ihm nichts vorzuwerfen, nur die Liebe fehle. Was bis dahin selbstverständlich war, gerät nun auch für Marianne ins Wanken und die Beziehung zu ihrem Mann scheint nicht mehr selbstverständlich. Dann eröffnet ihr Johan, dass er sich in eine jüngere Frau verliebt hat.

Eine Beziehung, geprägt von Ambivalenz

Schließlich kommt es zur Scheidung; doch gerade der Umstand, dass beide mittlerweile mit anderen Partnern liiert sind, weckt in ihnen den Wunsch nach intimer Zweisamkeit, die gerade Johan in der Zeit des Zusammenlebens mit Marianne vermisst hat. Auf diese Weise kommen Johan und Marianne nicht voneinander los, gerade weil ihre Beziehung ambivalent bleibt.
Selina Girschweiler, Studentin für Regie an der Folkwang Universität der Künste, mit der das Rottstr5-Theater schon länger kooperiert, hat eine konzentrierte Theaterfassung auf Grundlage des Drehbuchs zu „Szenen einer Ehe“, Bergmans Filmdrama aus dem Jahre 1973, geschaffen. Sie lotet dabei die Spannung zwischen Gesagtem und Gemeintem auf eine Weise aus, die bei aller Komik auch schmerzt. Die experimentierfreudigen Darsteller – neben Schauspieler Tonio Schneider die beiden Schauspielstudentinnen Massiamy Diaby und Nairi Hadodo, die ihre Ausbildung ebenfalls an der Folkwang Universität absolvieren – gehen das Experiment ein und verflüssigen dabei nicht nur die Geschlechterrollen, sondern zerlegen die Figuren phasenweise auch in Handelnde und Beobachtende und zeigen Identität als ebenso komplexe wie fragile Konstruktion. Geschlechtstypische Kostüme markieren nicht nur die Rolle, die der jeweilige Schauspieler gerade verkörpert, sondern wirken auch als ironischer Kommentar zu immer noch verbreiteten Stereotypen. - Ein Abend der nachdenklich macht, aber auch zum Schmunzeln einlädt.

Termine
„Szenen einer Ehe“ ist am Sonntag, 18. März, um 19.30 Uhr wieder im Rottstr5-Theater zu sehen.
Am Sonntag, 22. April, steht das Stück ebenfalls um 19.30 Uhr auf dem Spielplan.
Karten können unter Tel.: 01 63 / 761 50 71 reserviert werden.

Massiamy Diaby begibt sich in "Szenen einer Ehe" auf ein Experimentierfeld. | Foto: Schnorrbusch
Nairi Hadodo (links) und Tonio Schneider bringen die teilweise beklemmenden Szenen einer Ehe an der Rottstraße auf die Bühne. | Foto: Schnorrbusch
Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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