Bochumer Literatur BücherBord: Lokale Autoren präsentierten vielfältige Texte
Bereits zum fünften Mal gaben Autoren, die einen Bezug zu Bochum haben, im Rahmen des Bochumer BücherBords Einblick in ihre Arbeit.
Von Nathalie Memmer
Der Bochumer SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer und die Literarische Gesellschaft – auf dem Podium vertreten von Prof. Ralph Köhnen – hatten zu dieser Veranstaltung ins Fritz-Husemann-Haus geladen.
Der Historiker Dr. Hubert Schneider, von 1974 bis 2004 an der Ruhr-Universität tätig, eröffnete den Abend mit Auszügen aus seinem 2014 erschienenen Buch „Leben nach dem Überleben“.
Darin geht es um diejenigen Juden, die nach 1945 nach Bochum zurückkehrten. Hatte es 1932 1 200 Juden in Bochum gegeben, waren es im Juni 1945 gerade noch vier. Bis 1947 wuchs die Zahl auf 55, wobei sich die Juden wieder in einer Gemeinde organisierten.
Anhand von 60 Biographien beleuchtet Schneider das Leben dieser Menschen im Zeitraum zwischen 1945 und 1950. Akten und Briefe dienen dabei als Quellen.
Von der Literaturwissenschaft kommend, leuchtete Köhnen dieser Ansatz unmittelbar ein: „Geschichte zu erzählen, ist immer eindringlicher als ein Zahlenwerk.“
Ein Punkt war Schneider besonders wichtig: „Die Wiedergutmachungsverfahren waren unsäglich. Oft glaubte man den Verfolgten nicht.“
Was dies für die vom Leben in der Illegalität Traumatisierten bedeutet haben muss, beschäftigte das Publikum sichtlich. Junge Juden mussten sich nicht selten von Berufswünschen und Zukunftsträumen verabschieden.
Heide Rieck, die in Bochum lebt, ist eine feste Größe in der hiesigen Literaturszene. Der Übergang fiel ihr nach Schneiders Ausführungen nicht schwer: Der Völkermord,den das Osmanische Reich 1915/16 an den Armeniern verübte, bildet derzeit den Mittelpunkt ihrer Arbeit.
Ein entsprechender Gedichtband ist in Vorbereitung. Mit tatkräftiger Unterstützung eines Armeniers hat sie Nachdichtungen armenischer Lyrik verfasst. Die Gedichte sollen im September in Buchform erscheinen.
Köhnen resümierte: „Gedenken hat auch in Lyrik und Chanson seinen Platz.“
Die Lyrik besticht durch expressive Sprachbilder. Rieck trug auch eigene Gedichte zur armenisch-deutschen Freundschaft vor.
Etwas mehr Leichtigkeit versprach Ralph Köhnen zum Schluss der Veranstaltung: „Norbert Wiegelmann schreibt freche Geschichten.“ – „Tag des Zitronenfalters“ lautet der Titel der Kurzgeschichtensammlung, aus der Wiegelmann las.
Der gebürtige Bochumer sagte über seine Geschichten: „Sie sind düster – zumindest auf den ersten Blick.“ Beide Einordnungen haben ihre Berechtigung.
Es gab durchaus etwas zu lachen, aber das Lachen blieb einem als Zuhörer manches Mal im Halse stecken.
Als es darum ging, wie dem demographischen Wandel zu begegnen ist, wurde es richtig makaber. SPD-Ratsmitglied Hans Hanke, der den Abend durch ein Schlusswort abrundete, hatte durchaus Recht: „Die Geschichten erinnern an Roald Dahl.“
Wiegelmann zeichnete den Verlauf des Abends nach: „Begonnen haben wir mit Geschichtsschreibung. Es folgte die lyrische Auseinandersetzung mit realem Geschehen. Meine Kurzgeschichten sind dagegen weitgehend Fiktion.“
Hanke war dagegen ein anderer Aspekt wichtig: „Auch diese Kurzgeschichten wollen aufwecken. Sie verarbeiten auf ihre Art gesellschaftliche Realität.“
Schon zu Beginn der Veranstaltung hatte Ralph Köhnen ausgeführt: „Literatur eröffnet einen Denkraum und ist in diesem Sinne durchaus auch politisch. Für Politiker heißt das: erst denken, dann handeln.“
Abschließend mahnte Hanke: „Was derzeit im Mittelmeer geschieht, könnte man auch als Genozid bezeichnen. So sollte dieser Abend auch Anstoß sein, Verantwortung zu übernehmen.“
Der Abend bot Stoff zum Nachdenken.
Autor:Andrea Schröder aus Bochum |
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