Johan Simons inszeniert Tschechows „Iwanow“ am Schauspielhaus Bochum
Blick in menschliche Abgründe
Mit Spannung war Johan Simons' Inszenierung von Anton Tschechows „Iwanow“ mit Jens Harzer in der Titelrolle des Nikolaj Aleksejewitsch Iwanow erwartet worden. Und das Regiekonzept, das der Intendant des Schauspielhauses entwickelt hat, geht auf – auch weil es allen beteiligten Schauspielern Raum zur Entfaltung gibt.
Zwar kann Jens Harzer, seit 2019 Träger des Iffland-Rings, als übernervöser und zugleich gelangweilter Iwanow immer wieder Glanzpunkte setzen – die Mischung aus ungerichteter Aktivität und Depression, durch die der Schauspieler die Figur charakterisiert, überträgt sich geradezu auf den Zuschauer. Doch auch die Bochumer Publikumslieblinge Bernd Rademacher, Veronika Nickl und Martin Horn, der aus vielen Fernsehrollen bekannte Thomas Dannemann sowie die jungen Ensemblemitglieder Gina Haller, Marius Huth und Konstantin Bühler wissen zu überzeugen. Romy Vreden erweist sich einmal mehr auch als versierte Sängerin und gewinnt nicht zuletzt durch ihren charmanten niederländischen Akzent die Herzen für sich. Jele Brückner bestätigt einmal mehr, dass sie Charakterrollen überzeugend auszufüllen vermag und Marina Frenk setzt als schnippische Akteurin Akzente.
Zum Glücklichsein nicht fähig
Der Ausgangspunkt: Der hoch verschuldete Gutsbesitzer Iwanow hat sich seiner Frau Anna Petrowna (Brückner) entfremdet und ist der Todgeweihten, die seinetwegen mit ihrer jüdischen Herkunftsfamilie gebrochen hat, keine Stütze. Einzig ein junger Arzt (Huth) steht Anna zur Seite. Iwanow zeigt indessen kaum verhohlen Interesse an der agilen Sascha (Haller), der Tochter eines Gläubigers. Als Anna ihrem Leiden erliegt, scheint der Heirat mit Sascha nichts mehr im Wege zu stehen – doch Iwanow ist zum Glücklichsein offensichtlich nicht fähig.
Menschenlandschaft auf der Bühne
Regisseur Johan Simons und Dramaturgin Angela Obst wollen ihr Arrangement auf der Bühne als „Menschenlandschaft“ verstanden wissen. Und dieser Begriff trifft es: So liegt die verstorbene Anna im hinteren Teil der Bühne – ein Symbol für Iwanows menschliches Versagen. Überhaupt sind die Spieler immer präsent und kommentieren das Geschehen im Vordergrund mit ihrer Mimik und Gestik – oder durch demonstratives Desinteresse. Johannes Schütz hat sein Bühnenbild geschickt zwischen Abstraktion und Konkretion angesiedelt.
Die zeitgemäße Neuübersetzung des Dramas von Angela Schanelec tut ihr Übriges – ein rundum gelungener Theaterabend.
[b]Termine
- „Iwanow“ ist wieder am Samstag und Sonntag, 22. und 23. Februar, im Großen Haus an der Königsallee zu sehen. Beide Vorstellungen sind jedoch bereits ausverkauft.
- Karten gibt es noch für die nächsten Vorstellungen am 24. und 25. März sowie am 9. April. Reservierungen sind unter Tel.: 3333-5555 sowie unter www.schauspielhausbochum.de möglich.
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Autor:Nathalie Memmer aus Bochum |
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