Beklemmend, düster, fitzek

Psychothriller "Das Kind" im UCI Bochum

Es geschah in einer herrschaftlichen Villa in einem vornehmen Berliner Stadtteil. An das Wohnzimmer, vielleicht ist es auch der Empfangsalon, schließt eine gewaltige Eichentreppe an, die in die oberen Gefilde des altehrwürdigen Hauses führt. Ein älterer, vornehmer Herr schreitet die Treppe herunter, das graue, kurze Haar gepflegt gekämmt, der Bademantel edel und teuer. Die alten Augen blitzen und er lächelt großväterlich, als er den kleinen, zehnjährigen Jungen erblickt. Augenblicke später verzerrt sich das gutmütige Gesicht jedoch in eine lüsternde Maske der Gier. Er streichelt dem Jungen über die Wange, nicht wie ein liebvoller Opa, sondern wie das perverse Schwein, das er ist, und das sich hinter Geld und Macht versteckt und seine pädophilen Grausamkeiten auslebt.

Dies ist eine der vielen aufrüttelnden Szene aus dem Film „Das Kind“, der am Donnerstag (18.10.12) im Bundesstart angelaufen ist. Nach der gleichnamigen Romanvorlage von Sebastian Fitzek erzählt der Film in bedrohlichen, beklemmenden Bildern die Geschichte des todkranken Jungen Simon Sachs (beeindrucket gespielt von Newcomer Christian Traeumer), der glaubt, in einem vorherigen Leben pädophile Menschen getötet zu haben. Ebenso abgründig und eingehend wie das Buch führt der Film den Zuschauer an den Rand des Vorstellbaren, durch verrottete Berliner Fabrikhallen, vorbei am Straßenstrich, hinein in einen vergammelten Bauwagen und weiter zu jener noblen Villa, wo das Grauen in seiner Unerträglichkeit noch nicht endet.

Dieter Hallervorden als pädophiler Reicher

„Das Kind“ verstört nicht nur durch das ohnehin verabscheuungswürdige Thema Kindesmißbrauch, sondern auch durch die bewußt eingesetzte blau-grau-schwarze Farbgebung, die die eindringlichen Bilder der einzelnen Szenen hervorhebt. Die Schauspieler beeindrucken durch ihre unerwartete Vielseitigkeit. Wenngleich man beispielsweise Ben Becker („Borchert“) schon immer in der Rolle eines abgewrackten Ganoven gesehen hat, so überrascht ein grandioser Dieter Hallervorden in der anfangs erwähnte Rolle des reichen, pädophilen Alten. Besser geht es einfach nicht. Die nicht minder verdorbene Ehefrau wird von Daniela Ziegler verkörpert. Eric Roberts porträtiert eindrucksvoll den Anwalt Robert Stern, der seinem kleinen Mandanten Simon arrogant und dennoch einfühlsam zur Seite steht. Man darf sich hier getrost die eine oder andere Träne mitverdrücken.

Deutscher Psychothrller - nein, danke?

„Das Kind“ ist eine sogenannte Low-Buget-Produktion, da deutsche Psychothriller ja angeblich nicht funktionieren, und somit finanziell nicht gefördert wurde. Dieses Jahr habe ich schon etliche Filme im Kino gesehen, allerdings hat mich kein Film bisher so beschäftigt wie „Das Kind“. Und auch bei keinem anderen Film dieses Jahr habe ich eine derart nette Werbekampagne erlebt: Kinofreikarten, Gutscheine für die ungekürzte Hörspielfassung, mein eigener Name im Abspann, und ein Sebastian Fitzek, der, lausbubenhaft wie immer, im Kinofoyer steht und mit seinen Lesern und den Kinobesuchern plaudert. Das zeugt von viel Herzblut und Begeisterung.

Nach 100 Minuten ist der Film vorbei und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Es ist bei Leibe kein schöner Film, kein prachtvolles Meisterwerk, für das eine Hautstadt seinen Namen ändern würde oder auch keine Unterhaltung im eigentlichen Sinne. „Das Kind“ ist ein deutscher Psychothriller, das dem Genre alle Ehre bereitet. Beklemmend, düster, einfach fitzek. [DD]

Autor:

Daniela Dohmen aus Bochum

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