Vielfalt und Kultur erleben rund um einen historischen Zigeunerwagen
3. Gypsyfestival im Bochumer Kulturrat fördert Verständnis und Toleranz

Zur dritten Auflage seines Gypsy-Festivals lädt der Kulturrat am kommenden Wochenende, 24. und 25. August, ein. Mit Musik, Ausstellungen und mehr setzt es ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Schauspieler Armin Rohde (Bildmitte) ist prominenter Pate des Projektes.  | Foto: Molatta
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  • Zur dritten Auflage seines Gypsy-Festivals lädt der Kulturrat am kommenden Wochenende, 24. und 25. August, ein. Mit Musik, Ausstellungen und mehr setzt es ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Schauspieler Armin Rohde (Bildmitte) ist prominenter Pate des Projektes.
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Unter dem Motto „Vielfalt (er)leben, Kultur begegnen“ veranstaltet der Bochumer Kulturrat in Gerthe bereits zum dritten Mal ein großes "Gypsy-Festival". Am letzten Ferienwochenende, 24. und 25. August, haben Besucher rund um einen historischen Zigeunerwagen auf dem Gelände an der Lothringer Straße die Möglichkeit, das ganze Spektrum der Kultur der Sinti und Roma zu erleben - neben viel Musik gibt es Ausstellungen, Mitmachaktionen, kulinarische Genüsse und natürlich jede Menge Informationen.
Ein knallbunter hölzerner "Zigeunerwagen" steht im Mittelpunkt des Festivals. Der Kölner Verein "Maro Drom" ("Unser Weg") bringt ihn mit. Dessen Initiator ist Markus Reinhardt -Musiker und Großneffe des berühmten Jazz-Musikers Django Reinhardt. Er plant für das kommende Jahr 2020 - 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Ausch-witz - eine große Reise von Auschwitz nach Köln auf den Spuren seiner Familie, die vor der Deportation in einem solchen Wagen gelebt hat.
"Große Teile von Markus Reinhardts Familie wurden von den Nationalsozialisten ermordet", berichtet Ilse Kivelitz, die mit ihrem 2010 verstorbenen Mann Gerd zu den Initiatoren und Gründungsmitgliedern des Bochumer Kulturrats gehört und noch heute zu den Vorstandsmitgliedern des Vereins zählt. Durch einen Zeitungsarktikel wurde sie auf das Projekt aufmerksam. "Vor ihrer Deportation hat sich die Familie versprochen, dass alle, die übrig bleiben, sich in Köln wiedersehen werden." Die über 1.000 Kilometer von Auschwitz nach Köln, berichtet Markus Reinhardt, haben die Überlebenden seiner Familie damals zu Fuß zurückgelegt - mit dem Wagen wollen er und seine Mitstreiter ihren Spuren folgen.
Mit der Vernichtung der Sinti und Roma machten die Nationalsozialisten auch die Tradition der Zigeunerwagen zunichte - mit der Neubelebung dieses historische Erbes wird so zugleich ein farbenfrohes Zeichen gegen die Vernichtungskultur der Nazis gesetzt.
Aber: "Zigeuner" - darf man das überhaupt sagen? Darf man - und soll man, wie Ilse Kivelitz klarstellt. "Sinti und Roma sind Begriffe, die die Politik geprägt hat, um sich von dem Begriff 'Zigeuner', wie ihn die Nazis missbraucht haben, abzugrenzen." Für Markus Reinhardt ist die Verwendung des zur Diskriminierung missbrauchten Begriffs "Zigeuner" ein Ausdruck seines Selbstbewusstseins. Seit über 600 Jahren seien Zigeuner Teil der Kultur in Deutschland - um das gute Miteinander in diesem Land geht es ihm mit diesem Projekt. „Wir gehen diesen Weg, um den Opfern ihre Würde und ihren Stolz zurückzugeben und um zu zeigen, dass die Nazis unser Selbstbewusstsein und die Zigeuner-Kultur nicht vernichten konnten.“
So wird der Zigeunerwagen in Gerthe an den beiden Festival-Tagen zum Begegnungscafé und zum Schauplatz einer Ausstellung zu Religion und Glauben der Zigeuner. Eine weitere Ausstellung in einem Pavillon beschäftigt sich mit Leben und Alltag. Außerdem gibt es ein Filmprogramm, eine offene Druckwerkstatt mit der Künstlerin Krystiane Vajda und einen Gitarrenworkshop (telefonische Voranmeldung nötig) sowie natürlich ganz viel Musik: Markus Reinhardt ist mit seinem Ensemble ebenso dabei wie eine Balkan Brass Band, "Rumba Gitana" lassen lateinamerikanische Elemente einfließen und Kutlu und die Microfon Mafia schlagen die Brücke zum Rap. "Wir wollen das ganze Spektrum zeigen", so Ilse Kivelitz. Zudem werden im Kulturrat Graphiken des Künstlers Otto Pankok zu sehen sein, der sich intensiv mit der Kultur der Zigeuner auseinandergesetzt hat. "Diese Ausstellung wird den ganzen September über bei uns zu sehen sein", freut sich Kivelitz.
Unterstützt wird das Festival vom Kulturbüro der Stadt Bochum sowie der Sparkasse und wird als "Bürgerprojekt" durch das Stadtwerke-Sponsoring gefördert. "So ist es möglich, dass der Eintritt zu allen Veranstaltungen frei ist", macht Ilse Kivelitz deutlich.

Armin Rohde ist als "Pate" dabei

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hat die Schirmherrschaft übernommen, kann aber selbst an dem Wochenende nicht dabei sein. "Dafür haben wir mit Schauspieler Armin Rohde einen ganz tollen Paten gewonnen, der mit mit viel Engagement dabei ist und sich absolut mit der Sache identifiziert", freut sie sich. "Sein Engagement rührt auch aus seiner Biographie - einer seiner Großväter war Antifaschist, der andere ein Mörder der SS. Daraus macht er kein Hehl und steht dazu - und deshalb unterstützt er heute solche Projekte, die sich gegen Rassismus starkmachen." Der Schauspieler hat versprochen, an beiden Festivaltagen in Gerthe vor Ort zu sein.
Die intensive Beschäftigung mit der Kultur der Sinti und Roma hat eine lange Tradition im Bochumer Kulturrat und reicht zurück bis ins Jahr 2004, als das Team die Kitsch-Bude am Castroper Hellweg von der Stadt pachtete und restaurierte. "Die Bewohner des dahinter liegenden Wohnwagenplatzes wurden schnell auf uns aufmerksam, vor allem natürlich die Kinder", erinnert sich Ilse Kivelitz. "Sie kamen zu uns, fragten, was wir machen, wollten mithelfen, und die Familien haben uns zum Kaffee eingeladen. Vor allem mein Mann Gerd mit seiner Gitarre und seinen Geschichten stand dabei natürlich direkt im Mittelpunkt." Durch diese Begegnung habe man viele Kontakte geknüpft und Bands kennen gelernt, so dass sich im Laufe der Jahre ein enges Netzwerk geknüpft hat.
Seither haben regelmäßige Gypsy-Konzerte ihren festen Platz im Programm des Kulturrats und das erste Gypsy-Festival fand bereits 2015 statt. "Das Engagement gegen Antiziganismus ist eines unserer wichtigen Anliegen und ist Teil unserer Arbeit, die sich für Toleranz und den Schutz von Minderheiten, gegen Vorurteile, Ausgrenzung und Rassismus richtet", macht Ilse Kivelitz deutlich. Die Konzerte im Kulturrat haben sich eine treue Fangemeinde erspielt - "und durch dieses Festival wollen wir eine noch größere Aufmerksamkeit für die Kultur der Sinti und Roma schaffen und noch mehr Menschen ansprechen".

Programm:

Samstag, 24. 8.
14.30 - 22 Uhr: Begegnungscafé
15 - 18 Uhr: offene Druckwerkstatt
17 Uhr: offizielle Eröffnung mit dem Markus Reinhardt Ensemble und Grußworten
18.30 Uhr: Balkan Brass Band
20 Uhr: Rumba Gitana

Sonntag, 25. 8.
14.30 - 22 Uhr: Begegnungscafé
14.30 - 16.30 Uhr: Gitarrenworkshop mit Danjetto Winterstein und Maniano Mettbach (Voranmeldung unter Tel.: 862012)
15 - 18 Uhr: offene Druckwerkstatt
17 Uhr: Präsentation Gitarrenworkshop
17.30 Uhr: Duo Thurgar
18 Uhr: Smeily Adler Quartett und Prinzo Weiss
19.30 Uhr: Duo Thargar
20 Uhr: Markus Reinhardt, Rudi Rumstajn und Kutlu (Microfon Mafia)

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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