Zeitzeichen im August
Der Zeppelin-Flugtag
Auch wenn Mülheim vor dem Zweiten Weltkrieg noch kein ortsansässiges Luftschiffunternehmen hatte, waren Zeppeline über der Stadt – damals wie heute meist als fliegende Werbeträger - kein seltener Anblick.
Von Jens Roepstorff
Laut Mülheimer Zeitung überquerte am 20. September 1909 mit dem LZ 3 erstmals ein Zeppelin Mülheim an der Ruhr und sorgte für großes Staunen bei den Einwohnern unserer Stadt.
Hin und wieder legte ein Luftschiff auch einmal auf dem Flughafen Essen-Mülheim einen Zwischenstopp ein und konnte dort vor Ort bewundert werden. War die Zwischenlandung eines Zeppelins auf der Durchreise angekündigt, so wurde diese - erweitert um zusätzliche fliegerische Programmpunkte - nicht selten als Großflugtag auf dem Flughafen Essen-Mülheim organisiert: ein Spektakel für Jung und Alt.
Der letzte dieser Flugtage fand kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 20. August 1939, einem Sonntag, statt. Hauptattraktion des Tages war die Ankunft und Landung des Luftschiffs LZ 130 „Graf Zeppelin“. Dieser Zeppelin war das Schwesterschiff der 1937 verunglückten „Hindenburg“, die nach der erfolgreichen Überquerung des Atlantiks bei der Landung im amerikanischen Lakehurst explodiert war.
Graf Zeppelin über Mülheim
Mit einer Länge von 245 Metern, einem Durchmesser von 41 Metern und einen Volumen von 200.000 Kubikmetern bot die „Graf Zeppelin“ ein beeindruckendes Erscheinungsbild und lockte hunderttausende Besucher zu der bis dahin größten Massenveranstaltung in Mülheim.
Überschwänglich berichtete die Mülheimer Zeitung am nächsten Tag von diesem Ereignis:
„Den Augenblick, da das Luftschiff über den Gebäuden des Flughafens erschien, um zur Landung anzusetzen und dann wenige Minuten später auch glatt niederkam, wird man nicht mehr vergessen; das war so erhebend und so mitreißend, daß man es kaum zu schildern vermag. Auch der fleißigste und aufmerksamste Berichterstatter vergaß für diese Minuten alles Geschehen um sich und schaute wie alle anderen Volksgenossen unverwandt auf das herrliche Schiff der Luftozeane. Das Meer der Zuschauer glich […] einem endlosen weißen Gewoge, denn jeder Mann, jede Frau, jeder Junge und jedes Mädel winkte zu der Führergondel mit dem Taschentuch hinauf.“
Neben dem Zeppelin als Hauptattraktion des Großflugtages boten die Veranstalter Rundflüge mit historischen Maschinen sowie Flugwettbewerbe an, bei denen die Zuschauer die Leistungen der teilnehmenden Flugschulen bewerten konnten. Auch die Luftwaffe war vor Ort vertreten und zeigte ihre Bomber, Jäger, Aufklärer sowie eine Flugabwehr-Batterie im Einsatz. Dass aus diesem Unterhaltungsspektakel keine zwei Wochen später mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs blutige Realität werden würde, ahnte an diesem heiteren Tag vermutlich kaum ein Besucher.
Autor:Sibylle Brockschmidt aus Mülheim an der Ruhr |
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