Hilfe für Leukämiekranke macht Schule
Vor mehr als 10 Jahren haben Hunderte Menschen am Richard-von-Weizäcker-Berufskolleg in Lüdinghausen Schlange gestanden, um sich als möglicher Lebensretter registrieren lassen. „Carolin“, eine junge Frau aus Seppenrade, war an Leukämie erkrankt und braucht dringend einen Spender. Seitdem organisieren Schüler regelmäßig Aufrufe, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen. Mehr als 1100 Schüler sind bislang typisiert worden. Über 50 Spender aus Lüdinghausen konnten seither einem an Leukämie erkrankten Menschen eine Chance auf Leben geben. „Ein herausragendes Engagement“, so Susanne Morsch, Vorstandsvorsitzende der Stefan-Morsch-Stiftung, die auch jetzt wieder bei einem für Anfang Dezember geplanten Aufruf mit im Boot ist.
Christoph Wensing, Lehrer an der höheren Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung, weiß wie wichtig solche Typisierungsaufrufe sind: Je mehr Menschen mit ihren Gewebemerkmalen in der Stammzellspenderdatei erfasst sind, desto größer sind die Chancen für einen Erkrankten, darunter den geeigneten Spender zu finden – einen genetischen Zwilling.
Deshalb organisiert die nunmehr 30 Jahre alte Stiftung deutschlandweit „Typisierungsaktionen“: So auch 2006. Damals war das Schicksal von „Carolin“ in aller Munde. Die Medien berichten über die junge Frau und ihre schwere Erkrankung. Viele Schüler des Berufskollegs in Lüdinghausen und Dülmen kennen sie persönlich. „Da war der Wille zu helfen, besonders groß“, erinnert man sich auch in der Stiftung.
Robin Bruchhäuser, Julia Auffenberg, Bastian Blankertz, Alexandra Wuttke und Nadine Thier aus der Höheren Handelsschule starteten damals gemeinsam mit der SV den Aufruf an der Schule. Unterstützt von ihrem Lehrer Christoph Wensing sowie Judith Tekstra und Klaus Essling als SV-Lehrer startete das Projekt „Lebensretter gesucht“: Durchsagen wurden gemacht, Flugblätter gestaltet, Info-Stände aufgebaut und Kuchen verkauft. Die Resonanz war riesig und sie ist bis heute groß, wenn die Schüler zur Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke aufrufen. Mehr als 1100 Schüler des Berufskollegs sind bei der Stefan-Morsch-Stiftung registriert.
Und die Wirkung ist mehr als nachhaltig. Ein Beispiel dafür: Lina Plucinski, die sich 2013 bei einem der folgenden Aufrufe am Berufskolleg typisieren lies. Jetzt, im Frühjahr 2017, spendete sie Stammzellen für eine 50-jährige Patientin aus Deutschland: „Ich würde jederzeit wieder spenden. Jedes Familienmitglied, jeder Freund oder Bekannte oder sogar ich selber könnte in der Situation stecken, dringend Hilfe zu benötigen. Da ist es besser, man hat eine 50 zu 50 Chance als gar keine.“ (Siehe auch beigefügtes Kurz-Interview)
Sie hofft, dass der neue Aufruf Anfang Dezember große Wirkung zeigt. Bei der Stefan-Morsch-Stiftung weiß man: „Die Wahrscheinlichkeit, zur Spende gebeten zu werden, ist bei einem Aufnahmealter von unter 20 Jahren zehn Mal so hoch wie bei einem über 40-Jährigen.“ Eine Typisierung ist ganz einfach: Zunächst sollte man sich über die Stammzellspende informieren – am einfachsten über die Homepage der Stefan-Morsch-Stiftung (www.stefan-morsch-stiftung.de) oder über die kostenlose Hotline: 08 00 - 766 77 24. Über einen Gesundheitsfragebogen werden die wichtigsten Ausschlusskriterien abgefragt – etwa schwere Vorerkrankungen oder starkes Übergewicht. Ist der Fragebogen unterschrieben, wird eine Speichelprobe genommen. Diese Probe wird im Labor der Stefan-Morsch-Stiftung analysiert. Sie erhalten eine Spendernummer. Das bedeutet: Die Gewebemerkmale, das Alter und Geschlecht sowie weitere transplantationsrelevante Werte werden anonym beim Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) hinterlegt. Jetzt stehen die anonymisierten Daten für weltweite Suchanfragen von Patienten zur Verfügung.
Kurz-Interview:
6 Fragen an Lina Plucinski (24 Jahre, Datteln):
Warum haben Sie sich 2013 am Berufskolleg in Lüdinghausen typisieren lassen?
„Im ersten Moment wusste ich gar nicht so richtig, was es heißt sich typisieren zu lassen. Als mir dies im Berufskolleg erklärt wurde, habe ich mich überzeugen lassen. Es geht schließlich um die Rettung von Menschenleben.“
Wie und wann haben Sie erfahren, dass Sie als Spender gebraucht werden?
„Ich bekam ganz plötzlich im Februar 2017 einen Anruf von einer sehr netten Dame der Stefan-Morsch-Stiftung. Das Telefonat lief sehr strukturiert und ruhig ab und ich bekam alles ganz genau erklärt und jede Frage beantwortet.“
Wie haben Sie die Stammzellspende empfunden?
„Sehr gut organisiert und man hat sich wirklich sehr große Mühe gegeben, dass ich mich rundum wohlfühlte. Da stand wirklich der Spender absolut im Fokus.“
Wissen Sie wer die Stammzellen bekommen hat?
„Nicht direkt. Ich weiß, dass meine Empfängerin aus Deutschland kommt und um die 50 Jahre alt ist. Ich habe vor der Spende noch Ihre damalige Größe und ihr Gewicht erfahren. So konnte der Arzt mir dann Angaben dazu machen, wie viele Stammzellen mindestens notwendig sind, um der Empfängerin die Chance auf ein Weiterleben zu ermöglichen. Leider darf man sich im beider Einvernehmen erst nach 2 Jahren kennenlernen.“
Wissen Sie wie es der Empfängerin jetzt geht?
„Ja diese Information, über den Gesundheitsstand der Empfängerin, kann man nach 3, 6 und 12 Monaten bei der Stiftung erfragen. Glücklicherweise hat meine Empfängerin meine Stammzellen angenommen und hat nun meine Blutgruppe und ist so zu sagen mein Zwilling. Darauf bin ich wirklich sehr stolz.“
Haben Sie Kontakt zu Ihrer Empfängerin?
„Man kann anonym Briefe an die Empfängerin über die Stiftung weiterleiten lassen. Dies habe ich auch zwei Mal gemacht und tatsächlich habe ich eine Antwort bekommen was mich wirklich stolz machte. Jetzt hoffe ich, dass wenn es meiner Empfängerin besser geht wir in Kontakt bleiben.“
Das passiert bei einer Stammzellspende
Um die Stammzellen beim Spender zu entnehmen, gibt es heute zwei Varianten: Bei der klassischen Methode der Knochenmark-Entnahme entnehmen Mediziner die Stammzellen aus dem Beckenknochen. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde. Die zweite Methode ist die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender vorher ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. Dieser Botenstoff löst beim Spender im Vorfeld oft grippeähnliche Symptome – wie Kopf- und Gliederschmerzen aus. Diese verschwinden aber mit der Entnahme der Stammzellen.
Typisierung ist auch online möglich
Über die Homepage der Stefan-Morsch-Stiftung (www.stefan-morsch-stiftung.de) kann man sich jederzeit als Stammzellspender erfassen lassen. Über den Online-Registrierungsbutton auf der Startseite kommt man zur Einverständniserklärung. Dort müssen eine Reihe von Gesundheitsfragen beantwortet werden, deshalb sollte die PDF „Wie werde ich Spender?“ vorab genau gelesen werden. Nach dem Ausfüllen der Einverständniserklärung bekommt man ein Registrierungsset mit genauer Anleitung zugeschickt. Für Spender, die jünger als 40 Jahre sind, entstehen dabei keine Kosten.
Die Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz in Birkenfeld ist die erste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Unter dem Leitmotiv “Hoffen – Helfen – Heilen“ bietet die gemeinnützige Stiftung seit 1986 Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen. So werden täglich Stammzell- oder Knochenmarkspender aus der stiftungseigenen Spenderdatei von mehr als 450 000 potentiellen Lebensrettern weltweit vermittelt. Die Stiftung ist Mitglied der Stiftung Knochenmark- und Stammzellspende Deutschland (SKD).
Autor:Annika Zimmer aus Menden (Sauerland) |
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