„Wie kann ich Ihnen helfen?“ Bedeutung der Ich-Entwicklung für helfende Beziehungen

Dr. Gisela Steenbuck

Dr. Gisela Steenbuck beim Hospizkreis Menden

Die Referentin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dortmund und bietet Psychologische Beratung und Supervision an. Entsprechend hoch waren die Erwartungen der Besucher des Abends, die keineswegs enttäuscht wurden.
Um einem anderen Menschen eine wirkliche Hilfe zu sein ist es wichtig sich auf dessen gegenwärtige Entwicklungsstufe einzulassen. Damit das gelingen kann ist eine gewisse Kenntnis über die einzelnen Entwicklungsstufen hilfreich.
Das menschliche Leben beginnt mit der symbiotischen Abhängigkeit des Kleinkindes, mit der Entwicklung seines Willens, dem Lernen der Selbstkontrolle bis hin zu einer zunehmenden Unabhängigkeit: „Hilf mir es selbst zu tun“ und einfachen Denkoperationen.
Im Vordergrund des Jugendlichen steht das Dazugehörenwollen zu der Gruppe. Frage: Werde ich anerkannt oder nicht. Das ´Wir` ist wichtiger als das Durchsetzen der eigenen Meinung. Das Denken ist noch undifferenziert, noch nicht eigenständig. Jedoch im Laufe der Entwicklung erweitert sich die Selbst- und Weltsicht.
Der Mensch im besten Alter ist geprägt durch eigenbestimmte Individualität. Leistung und Erfolg zählen. Selbstentwicklung verläuft nach dem Prinzip: Nicht was ein Mensch denkt sondern wie er denkt und handelt.
Wie konzentrische Kreise oder Wachstumsringe am Baum immer größer werden, so weiten sich die Möglichkeiten des Menschen im Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Handeln. Um unser „Ich“, unser „Selbst“ entwickeln zu können brauchen wir den anderen. Im Laufe der lebenslangen Entwicklung besteht eine große Aufgabe darin eine Balance zu finden zwischen Bezogensein auf andere und Autonomie. Diese Entwicklungsstufe ist meist in der fortgeschrittenen Lebensphase festzustellen. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf „Ich-Du-Wir“. Verantwortung erstreckt sich sowohl auf mich wie auf andere. Es geht um Vielfalt, Toleranz und subjektive Wahrheiten. Das könnte der Zeitraum für „helfende“ Tätigkeiten oder Dienste sein.
Menschen befinden sich auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen und verhalten sich auch deshalb unterschiedlich, d.h. aus ihrer aktuellen Entwicklungsstufe heraus. Deshalb lassen sich die Fragen auch nur entwicklungsbezogen unterschiedlich beantworten. In jeder Stufe wird die gleiche Situation verschieden wahrgenommen. In einer helfenden Beziehung braucht man die „passende Brille“ um zu erkennen was der andere braucht.
In der Entwicklungsstufe der Jugendlichen wird die Angst darin bestehen, dass die tragende Gruppe (Familie oder Gleichaltrige) droht auseinander zu brechen. Die ganzen Kräfte werden höchstwahrscheinlich dafür eingesetzt werden, die Probleme unter den Teppich zu kehren um die Gruppe zu erhalten. Konflikte werden nicht ausgetragen.
Im sog. besten Mannesalter wird die Lösungssuche in die Richtung gehen, die Leistungsfähigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung zu erhalten.
In der fortgeschrittenen Lebensphase wird das Augenmerk darauf ausgerichtet sein alle Beteiligten, auch sich selbst zu berücksichtigen.
In allen drei Lebensstufen sind Ratschläge, die auf eigenen Erfahrungen beruhen, nicht angebracht. Ein wertschätzendes Zuhören, ein Entwerfen und Durchspielen von Verhaltensmöglichkeiten, ein Erkunden der inneren Motive und die Unterstützung und Ermöglichung einer positiven Veränderung, die der Entwicklungsstufe des Hilfesuchenden entspricht, sind hilfreich. Nach Rogers hat jeder Mensch das Potenzial aus sich selbst heraus mit der eigenen Geschwindigkeit sich zu entwickeln. Das kann nicht von außen gesteuert, wohl aber ermöglicht werden. Um erfolgreich zu sein braucht eine helfende Beziehung die Reife der Bescheidenheit, d.h. das Loslassen seines „Selbst“, um sich ganz auf den anderen einlassen zu können sowie viel Geduld. „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ Aber es braucht gute Bedingungen, um zu wachsen.

Autor:

Anni Grüne aus Menden (Sauerland)

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