Radverkehr völlig verkehrt
Alleinunfall lenkt die Aufmerksamkeit auf Regelchaos an Bahnhofstraße und Promenade

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Übliche Redensart in allen unerfreulichen Lebenslagen ist der Stoßseufzer, dass erst einmal etwas passieren muss, ehe etwas passiert. Der Schöpfer dieser Volksweisheit kannte sicher noch nicht die Ergebnisse der Mendener Verkehrsplanung.
Ein Alleinunfall in dieser Woche zeigte die Verlässlichkeit auf, mit der seit Jahren beharrlich der innerstädtische Radverkehr an die Wand gedrängt wird. Die Ursachen des Unfalls, bei dem ein 13jähriger Schüler schwer verletzt wurde, sind bisher noch nicht bekannt, aber man darf feststellen, dass es wieder einer der „neu gestalteten“ Verkehrsknotenpunkte ist, an dem sich der Unfall ereignete.
Ein Schelm, der einen Zusammenhang sieht!
Über den aktuellen Unfall hinaus zeigt sich, dass die Befürchtungen von Radfahrenden und Fachleuten langsam Gestalt annehmen. Ein Blick auf die Örtlichkeit zeigt nämlich auf der Straßenüberfläche eine bunte Ansammlung von Ampeln, Beschilderungen, Farbmarkierun-gen und Lineaturen, die allesamt nicht in einem erkennbaren funktionalen Zusammenhang stehen.
Auch bei großem Wohlwollen ist nicht erkennbar, welche krausen Gedankengänge die Ver-antwortlichen zur Schaffung dieses chaotischen Panoptikums bewogen haben mögen. In die-sem Irrgarten von Leitungsimpulsen erhalten nur Kraftfahrer/innen verständliche Hilfen bei der Bewältigung der Kreuzung, die durch ihre besondere Lage zwischen Parkplatz-Ausfahrten, drei Zu- und Abflussarmen und einer weiteren Einmündung (Obere Promenade) für alle Beteiligten – Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrer – schwierige Situationen her-aufbeschwören.

Zu den Einzelheiten:

Die Obere Promenade ist derzeit eine „Verkehrsberuhigte Zone“, mit einer Geschwindig-keitsbegrenzung auf 4 bis 7 Stundenkilometer, natürlich mehr als sinnvoll im engen Umkreis zum Gymnasium an der Hönne. Pkw-Verkehr kann diese Straße bis zur E-Ladestation an der Einmündung in die Bahnhofstraße in beide Richtungen nutzen. Mit vollen Akkus kann man allerdings nur nach einer Wende wieder am oberen Ende der Oberen Promenade wie-der Fahrt aufnehmen. Durchfahrt in die Bahnhofstraße ist nur dem Radverkehr erlaubt, der jedoch von einer „Fahrrad-Ampel“ aufgehalten und zum Absteigen gezwungen wird.
Diese jedoch steht in keiner Verbindung mit einem Radweg, so dass Radfahrer/innen nur bei der Überquerung der Bahnhofstraße fahren dürfen, nachdem sie wieder aufgestiegen sind. Nach der Überquerung der Straße müssen sie dann wegen des Fußgängerverkehrs auf der Brücke wieder absteigen, um niemanden zu behindern oder gar zu gefährden. Mit dem Fahr-rad wirken sie auch so als ein sperriges Hindernis, über das sich die Fußgänger ärgern. Und die lachenden Dritten sind die Autofahrer/innen.
Verrückter geht’s eigentlich nimmer!
Am Beginn des Margarethe-Habbel-Wegs beginnt nun, nicht ganz unverhofft, der zweite Akt des Narrentreibens.
Zunächst wird eine rote Spur auf der neuen Straßenoberfläche sichtbar, deren Funktion nicht erkennbar, vermutlich auch gar nicht erst vorhanden ist. Man denkt eher an den Inhalt eines Farbeimers, der versehentlich umgestoßen wurde und sich dann selbständig seinen Weg gesucht hat. Diese Spur verläuft ohne Sinn und Zweck zum Rand der Unteren Promenade, wo sie endet, und wo der Radfahrer sich zweifelnd den Kopf kratzen kann.
Nicht ohne böse Absicht wird der Radfahrer nämlich auf den Margarethe-Habbel-Weg ge-führt, wo er irrtümlich glaubt, einen Radweg gefunden zu haben.
Tatsächlich befindet er sich jetzt jedoch auf einem Fußgängerweg, der lediglich für den Rad-fahrer freigegeben ist – eine Situation, der gewissermaßen die nahezu vollständige Entrech-tung der Radfahrer bedeutet. Von diesen Radfahrern wissen die wenigsten, dass sie ver-pflichtet sind, auf dem freigegebenen Gehweg Schrittgeschwindigkeit (4-7 km/h) einzuhalten, um bremsbereit praktisch auf der Stelle sein Rad zum Stillstand zu bringen. Wer Fußgänger von anklingelt, damit sie eine Fahrspur freigeben, begeht streng genommen bereits eine Nö-tigung. Wer von einem schlecht erzogenen Hund vom Rad gerissen wird, muss befürchten, für den Schaden selbst aufzukommen zu müssen. Radfahrende, die den Fußweg benutzen, tun dies aus Unkenntnis, aber z.T. mit hohen Geschwindigkeiten und ohne eine Chance, Unfälle zu vermeiden.
Die einzige Lösung des Problems ist die absolute Sperrung des schmalen Wegs an der Hönne für jeglichen Radverkehr, konsequent begleitet mit Informationen aus der Hand von hilfrei-chen Polizeibeamten, die den bisherigen planerischen Unsinn erklären könnten.
Am der Einmündung in die Märkische Straße wird von Radfahrern allen Ernstes erwartet, dass sie absteigen und an der Fußgängerampel auf die linke Straßenseite (vor VHS und Mu-sikschule) wechseln, um dort ihre Fahrt auf einem „Geh- und Radweg“ auf der Brücke fort-zusetzen. Dieser ist aus wegen seiner schmalen Breite weder benutzungsfähig noch benut-zungspflichtig. Die Breite ist nicht einmal ausreichend die für Benutzung in eine Richtung. Tatsächlich haben die die Verantwortlichen in Rat und Verwaltung die Benutzung in beide Richtungen freigegeben.
Auf diese Weise durchlaufen Radfahrende eine Serie von Desinformationen, Fehlweisungen, gefährlichen Verknotungen von verschiedenen Verkehrsströmen und rechtswidrigen Anord-nungen. Hier wird deutlich, mit welcher Verantwortungslosigkeit das Radfahren in Menden unerfreulich, gefährlich und abschreckend gestaltet werden soll. Bestimmte Kräfte im Rat der Stadt halten verbissen an ihrer feindseligen, konservativen Einstellung gegen die gesun-de, schadstoffarme Bewegung aus eigener Kraft fest, um dem Pkw weiterhin mehr und mehr Platz zu verschaffen.
Dagegen arbeiten die Kommunen im fernen Rest Nordrhein-Westfalens nach den Rahmen-vorgaben früherer Landtage daran, den Kraftverkehr weitestgehend aus den Innenstädten zu verbannen. Auf diese Weise bemüht sich NRW, dem Klimaschutz und der Reinheit der Atemluft nützlich zu sein.
Die vorrangige Sorge hiesiger Politiker scheint hingegen der Anzahl von Parkplätzen zu sein. Dabei ist die Anzahl der Parkplätze in Menden schon seit Jahren größer als in der fast doppelt so großen Nachbarstadt Iserlohn.
Auf dem politischen Parkett in Menden scheint sich bislang immer noch nicht herumgespro-chen zu haben, dass es neben dem Radtourismus auch ein Alltags-Radfahren gibt, wenn Menschen mit dem Rad zur Arbeit oder zum Einkauf in die Stadt fahren wollen, wo sie im-mer weniger Straße finden, die sie selbstverständlich und mit einem Gefühl der Sicherheit benutzen können. Sie stellen vielmehr fest, dass sie seit einiger Zeit eine Reihe von Straßen nicht mehr befahren dürfen. Es ist zu befürchten, dass diese Tendenz sich weiter fortsetzen und die Hönnestadt in einen Zustand stürzen wird, den schon vor vierzig Jahren Alexander Mitscherlich mit einem Buchtitel als „Unwirtlichkeit der Städte“ bezeichnet hat. Der Geist, der aus den Radverkehrspla-nungen weht, scheint allerdings eher doppelt so alt zu sein.

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Chaos und Durcheinander nach Plan | Foto: Foto: Knur
Autor:

Franz-Josef Knur aus Menden (Sauerland)

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