Pflegekammer soll Pflegeberuf aufwerten
"Wir müssen uns selbst helfen!"

Die Alten und Kranken können ihre Pflegesituation nicht mehr selber aktiv mitgestalten - doch die Pflegenden selber hätten laut Tina Müller mit der Errichtung einer Pflegekammer diese Chance. | Foto: Karolin Rath-Afting
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Die Ferien in NRW sind vorbei. Doch viele Urlauber und auch Geschäftsreisende erlebten in dieser Zeit auf vielen Flughäfen puren Stress. Grund: Zu wenig Personal. Ein Aufschrei ging durch die Bevölkerung und die Politik - da müsse doch was getan werden... "Ein Witz!" meint Tina Müller (42), seit 21 Jahren Krankenschwester und als pflegerische Leitung der neurologischen Abteilung im St. Vincenz Krankenhaus Menden tätig.

"Wir rufen seit Jahren, dass wir mehr helfende Hände benötigen. Dass etwas umorganisiert werden muss - nur geholfen hat uns bisher niemand. Nur beklatscht!"

Tina Müller engagiert sich um dem Pflegeberuf an sich mehr Gehör zu verschaffen. | Foto: Karolin Rath-Afting
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In der Tat können gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft, und dazu gehören auch die meisten Bewohner von Pflegeeinrichtungen, ihre Stimme nicht mehr erheben wenn es auf Grund von Personalmangel im System nicht rund läuft. Wer das jedoch für sie tun könnte, sind die Pflegenden selber. Nach den zweieinhalb Pandemiejahren gehen viele im Pflegeberuf Tätige mittlerweile auf dem Zahnfleisch. "Doch zukünftig könnten wir etwas bewirken", zeigt sich Tina Müller hoffnungsvoll. Eine bessere Zukunft am Horizont sieht sie durch die Errichtung der Pflegekammer in NRW. Einige Bundesländer haben bereits eine Pflegekammer. Einige, wie die Kammer in Niedersachsen, haben "sich" auch bereits wieder abgeschafft. Doch die bestehenden Kammern vertreten die Pflegenden des jeweiligen Bundeslandes in der Bundespflegekammer und geben ihnen somit ein direktes Sprachrohr in die Ohren der Politiker oder auch z. B. Ärzte- und Apothekerkammern.

Mitspracherecht bei Entscheidungen

Bisher haben alle Personen, welche zukünftig in dieser Heilberufskammer vereinigt werden sollen, keine einheitliche Stimme. Es gibt zum Beispiel viele Pflegeverbände wie das Dt. Rote Kreuz oder die Caritas. Es besteht für den Einzelnen kein Mitspracherecht in Entscheider-Gremien. "Niemand kann einem genau sagen, was den Pflegeberuf genau ausmacht. Wir wollen mitbestimmen über Ausbildungs- und Weiterbildungsinhalte und auch über Abschlüsse mitentscheiden dürfen", so Tina Müller. "Und natürlich über Gesetze, welche uns unmittelbar angehen. Wir wollen der Pflege eine Definition geben". Sie ist seit Januar 2022 nachberufen worden in den Errichtungsausschuss. "Der Arbeitgeber meldet das für ihn tätige Pflegepersonal an. Dieses kann sich bis zum 22. August noch bis zur Kammerwahl registrieren lassen - doch von fast Zweihundertzwanzigtausend Pflegekräften sind gerade mal nur die Hälfte bisher registriert", zeigt sie sich etwas enttäuscht. Bisher wurde durch einen Landtagsbeschluss die Startfinanzierung der Pflegekammer NRW beschlossen. Bis Mitte 2023 soll die Mitgliedschaft beitragsfrei gestellt werden. Doch hier liegt für viele Gegner der Kammer auch der Knackpunkt. Dadurch, dass eine Nichtregistrierung später auch eine Sanktionierung zur Folge haben kann, sehen diese Menschen die Pflichtmitgliedschaft als eine Zwangsmitgliedschaft an. Und auch den zu erwartenden monatlichen Beitrag in Höhe von fünf bis sieben Euro wollen sie nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich sei man Mitglied bis zum Tod - oder eben bis man die Berufsurkunde abgibt, so Tina Müller.

Auf Augenhöhe mit der Politik und den Medien

Auch seien Rentner und Frauen im Mutterschutz beitragsfrei. Sie verneint das Argument der Gegner, dass die Politik sich nur aus der Verantwortung ziehen wolle und deshalb die Selbstverwaltung der Pflegekammer befürworte. "Du kannst doch dann mitentscheiden, dich selber wählen lassen um dich dafür einzusetzen, was gebraucht wird um den Pflegeberuf und seine Bedingungen zu verbessern". Tina Müller arbeitet Vollzeit. Doch für zum Beispiel Sitzungen des Errichtungsausschusses wird sie einen Tag im Monat freigestellt. "Klar braucht man, auch vor allem am Anfang, dafür noch mehr Power die man ehrenamtlich erbringt" - außer Aufwandsentschädigungen erhält sie kein Geld. Aber der Vorteil überwiegt für sie.

Heinz Fleck, Geschäftsführer des Schmallenbach-Verbundes, hofft auf die Errichtung der Pflegekammer in NRW. | Foto: Karolin Rath-Afting
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Auch für Heinz Fleck, Geschäftsführer des Schmallenbach-Verbundes in Fröndenberg. In einem offenen Brief, der unter anderem auch an den Bundesgesundheitsminister gerichtet war, hat er im Juli die Nachteile, welche durch die beschlossene Einstellung des Corona-Schutzschirmes für seine Einrichtungen entstehen, zusammengefasst. "Durch die Pflegekammer bekommen wir als Pflege viel besser Gehör bei der Politik und in den Medien. Wir wären mit der Ärzte- und Apothekenkammer auf Augenhöhe! Die Kammer soll die Rahmenbedingungen und das Ansehen der Pflege und des Pflegeberufes verbessern. Die Einwirkung auf die unterschiedlichen Verbände, könnte gestärkt werden - denn bisher gestaltet sich eine einheitliche Meinungsbildung bei den Einrichtungen und Diensten bzw. deren Verbände doch sehr schwierig. Wir könnten dadurch den Beruf an sich aufwerten.“

Keine Konkurrenz zur Gewerkschaft

Mit den Gewerkschaften würde die Kammer nicht in Konkurrenz treten da diese alleine die Arbeitsbedingungen und die Tarife regeln. In der Pflegekammer werden die Interessen der Arbeitnehmer vertreten und eben zukünftig auch inhaltliche Themen, wie eben dieser von Herrn Fleck angesprochene Schutzschirm. 
Die Wahl der Kammerversammlung findet am 31. Oktober statt. Wird sie gegründet soll sie 2025 in die Selbständigkeit entlassen werden. Interessierte können sich über info@pflegekammer-nrw.de nähere Informationen einholen. Oder sich am 15. August zwischen 10 und 16 Uhr am Schmallenbach-Haus in Fröndenberg informieren: Dann  hält der Tourbus der "Kammer vor Ort" am Hirschberg und bietet zwei Vorträge an.

Autor:

Karolin Rath-Afting aus Menden (Sauerland)

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