Über ein sich änderndes Stadtbild in Wahlzeiten
Dem Wald geht es gut...

Nun sprießt er wieder. Fast täglich sehe ich ein neues "Bäumchen", eifrig "gepflanzt" von bemühten, enthusiastischen, oftmals jungen Menschen. Es sind bereits wahre Alleen entstanden und sie erblühen so bunt, dass man sich bereits wieder im Frühling wähnt. Wer sich nun verwundert die Augen reibt und weiterhin betrübt die trockenen Waldflächen ringsum betrachtet: es handelt sich um den Schilderwald. Oder besser: Plakatwald. Einzelne Köpfe bis ganze Familien und Gruppen zieren nun wieder die Papptafeln, die stadtaus - stadtein die Masten zieren. (Da sieht man wieder wieviele unnütze Verkehrsschilder es gibt, die man bisher schon gelernt hat zu übersehen...). Dabei sind die darauf abgedruckten Sprüche mitunter so lang, dass ich länger als eine Woche zur Arbeit fahren muss, um einmal den ganzen Satz, oder die Sätze, gelesen zu haben. Also wenn es danach ginge, müsste ich den an der Ampel wählen - denn den Text kenne ich bereits auswendig und auch das Gesicht ist mir nun geläufig. Aber wie in einem richtigen Wald gibt es auch hier Mitbewohner auf dem Planeten, die "jungem Grün" absolut keine Chance geben und ihre überschüssigen Hormone (oder wenn von anderem zu wenig da ist, wie bezeichnet man das dann?) an den Sprösslingen auslassen. Wahrscheinlich hängen die Plakate zu hoch zum Schnurrbärtchen malen oder diese Art der Ausdrucksweise ist mittlerweile verpönt oder so etwas wie Stifte können dank verkümmerter Handyfinger nicht mehr gehalten werden. Auf jeden Fall buhen Zeitgenossen manche Kandidaten schon aus, bevor diese auch nur einen Handschlag tun konnten indem sie - nicht wahllos! - Plakate zerstören. Leute: das ist Kindergarten. Ihr braucht keine nächtlichen Kletterpartien veranstalten und die Köpfe aus luftigen Höhen zupfen. Ihr dürft wählen. Ja dürft und nicht müsst. Das ist nämlich in einem freien Land so. Und dass ihr denjenigen wählen dürft, dessen Gesicht euch passt, nennt man Demokratie. Und bis zur Wahl verrenke ich mir nun noch ein paar Mal den Hals an der Straßenecke, wo mich der Herr neuerdings nett angrinst und die Sicht einschränkt auf den Verkehr. Ich hoffe nur, dass die Plakate nach der Wahl auch genauso schnell wieder entfernt werden wie sie aufgehängt wurden. Normalerweise hängen einige nämlich wie Buchenblätter beharrlich an ihrem Stamm bis weit ins nächste Jahr hinein. Dann sieht man leider keinen, der sie wieder herunter holt!

Autor:

Karolin Rath-Afting aus Menden (Sauerland)

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