Reise in die Dunkelheit 5

... Er tritt hinaus. Im hellen Schein des Türlichts steht er wie auf dem Präsentierteller. Ich visiere eine Stelle 2cm rechts der Nasenwurzel an. Er steht vor der Tür und reckt sich. Langsam nehme ich Druckpunkt.
Jetzt zündet er sich eine Zigarette an. Er schaut auf. Genau in meine Richtung. Als würde er mir direkt in die Augen sehen. Er kann mich nicht entdeckt haben und doch... Ist sein Blick irgendwie ... enttäuscht.
Wir waren mal Freunde.
Doch bevor ich darüber nachdenke, bricht der Schuß. Sein Kopf explodiert. Gehirnfetzen und Schädelsplitter flappen wie Konfetti umher.
Ich denke an Sylvester.
Ich rolle mich geschickt den Hügel hinunter und beginne mit dem Aufräumen.
Ich versuche zu entscheiden, was ich eigentlich fühle. Vielleicht ein wenig Stolz über den gelungenen Schuß. Aber kein Triumph, keine Trauer, kein Mitleid, nicht einmal Leere. Ich fühle eigentlich gar nichts. Und alles ist wie immer.

Mit dem Töten zu beginnen ist leicht. Viel leichter als man glaubt.
Sobald man dem anderen sein Menschsein nimmt, ihn nur als Ziel, als Objekt sieht
... ist es wie Scheibenschießen.
Und nach einer Weile macht es Spaß. Du fühlst Dich wie Gott. Herr über Leben und Tod. Der darf weiterlaufen, für den endet es hier. Zeus schleudert seine Blitze... Und trifft... immer.
Töten ist leicht.
Sehr viel schwieriger ist es wieder damit aufzuhören.
Aber das weiß ich da noch nicht...

Autor:

Thorsten Ottofrickenstein aus Menden (Sauerland)

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