Rotary Club Iserlohn ermöglicht Ankauf wertvoller Dokumente für das Burgarchiv
Burgarchiv Iserlohn erwirbt "unschätzbare Alltagsfakten"
Es war im August, als Pfarrerin Brigitte Zywitz, Betreuerin des Burgarchivs hinter der Obersten Stadtkirche, einen mysteriösen Anruf erhielt. Am anderen Ende der Leitung befand sich ein Trödler aus Wiesbaden, der ihr "interessante, historische Dokumente aus Iserlohn und Österreich zum Kauf anbot."
Von Christoph Schulte
Iserlohn. Als sich auf Nachfrage dann herausstellte, dass nicht Österreich, sondern Oestrich gemeint war und der Name "Varnhagen" fiel, war das Interesse von Brigitte Zywitz endgültig geweckt.
Gleichzeitig schrillten bei der Pfarrerin aber auch die Alarmglocken, denn schließlich hätte es sich bei den Angeboten auch um wertlose Kopien oder für die Erweiterung des Burgarchivs uninteressante Dokumente handeln können. "Also habe ich mit dem Händler einen Termin vor Ort in Iserlohn gemacht und dabei auch mit unserem ehemaligen Stadtarchivar Götz Bettge einen absoluten Experten der Iserlohner Stadt- und Kirchengeschichte hinzugezogen", berichtet Brigitte Zywitz. Und der Wiesbadener Trödler erschien wirklich mit zwei Pappkartons voller Dokumente unter dem Arm. "Bei einer ersten Durchsicht wurde uns dann schnell klar, dass hier ein echter Schatz für die Dokumentation der Iserlohner Stadt- und Kirchengeschichte vor uns lag", erinnert sich Götz Bettge noch genau. Es handelte sich dabei um aufschlussreiche Briefe, Papiere und Verträge - insgesamt circa 180 Schriftstücke aus dem Zeitraum 1644 bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum stand dabei inhaltlich die Besetzung der Varnhagen-Vikarie. Aber auch aufschlussreiche und durchaus bislang auch unbekannte Details zu der Iserlohner Stadtgeschichte wie Hinweise auf die Gründung der Lateinschule im Jahr 1609 (heutiges Märkisches Gymnasium) oder den letzten großen Stadtbrand im Jahr 1723.
Und dann war da ja auch noch das Tage- und Jahrbuch. "Dieses Buch war für uns quasi das Herzstück der angebotenen Sammlung", waren sich Brigitte Zywitz und Götz Bettge bereits nach dem ersten Durchblättern sicher. "Die handschriftlichen Aufzeichnungen, die im Jahr 1723 beginnen, wurden von Pfarrer Caspar Dietrich Varnhagen geschrieben." Und ausgerechnet von diesem Pfarrer aus der Varnhagen-Dynastie waren den Iserlohner Historikern kaum Einzelheiten bekannt. "Bislang kannten wir von ihm nicht viel mehr als den Namen und seine Geburtsdaten", erläuterte Brigitte Zywitz, "und jetzt lagen plötzlich sein gesamter Lebenslauf und viele weitere hochinteressante Details aus seiner Schaffenszeit vor uns." - "Das waren für uns unschätzbare Alltagsfakten aus der damaligen Zeit", freute sich Götz Bettge, "so wurde zum Beispiel detailliert über die Vorbereitungen und den Ablauf einer Leichenfeier geschrieben, z. B. wer aus der Umgebung des Verstorbenen wie viele Meter schwarzen Stoffes erhalten sollte, ein in der damaliger Zeit unheimlich wertvolles Material."
Doch obwohl die beiden Iserlohner Historiker schnell wussten: "Das gehört nach Iserlohn und muss hier bleiben", durften sie sich ihre Begeisterung über den Fund nicht anmerken lassen. Schließlich wollte der Wiesbadener Trödler die Dokumente verständlicherweise nicht kostenlos abgeben. Ein Preis von stolzen 2.000 Euro für die gesamten Dokumente stand zunächst im Raum. Viel zu viel für das Budget des Burgarchivs. "Wir konnten ihn schließlich auf 1.000 Euro plus Mehrwertsteuer drücken", berichtet Brigitte Zywitz mit einem Schmunzeln. Doch auch diese Summe war nicht unmittelbar aufzutreiben. Schnell wuchs bei der Betreuerin des Burgarchivs wieder die Angst, der Händler könnte es sich im letzten Moment noch anders überlegen und die wertvollen Dokumente an andere veräußern. Also habe sie kurzentschlossen Jochen Pfänder, den Vorsitzenden des Evangelischen Gemeinderates, angerufen und gefragt, ob der in Vorleistung gehen könne. Mit dessen Zusage wich die Angst endgültig der Begeisterung. Der neue Schatz würde für immer in Iserlohn bleiben!
Und auch bei der schlussendlichen Finanzierung erschien bald darauf Licht am Ende des Tunnels - und zwar in Form des Rotary Clubs Iserlohn. Dessen Gemeindienst entschied sich nach einem weiteren Zywitz-Anruf spontan dazu, die Kosten für den Ankauf komplett zu übernehmen. "Und dafür sind wir den Rotariern natürlich unendlich dankbar" freute sich Brigitte Zywitz bei der Vorstellung ihres neuen Schatzes.
"Ich wusste genau, diese Dokumente verlassen Iserlohn nur noch über meine Leiche!"
Brigitte Zywitz
Autor:Christoph Schulte aus Hemer |
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