Klaus Rose und seine 500 000 Negative

Klaus Rose
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Manchmal gehört einfach ein bisschen Glück dazu. So wie 1969 in Dortmund. Da erhielt Klaus Rose einen Anruf von einem Bergmann, der von einen wilden Streik auf der Zeche Minister Stein berichtete. Rose war schnell da. Die Bergleute hoben ihn über das geschlossene Tor, und so war der Fotograf mittendrin. Klaus Rose machte Aufnahmen von den schmutzigen Kumpels, die gerade von unter Tage kamen, mit Kohle bemalte Pappschilder in der Hand „1000 DM und 4 Wochen Urlaub“, von den Direktoren, die auf die Arbeiter einredeten, von dem Demonstrationszug, der sich Richtung Stadt in Bewegung setzte.
„Tolle Bilder waren das. Kein anderer Reporter war da. Das Foto mit den Kumpels ging um die Welt“, erinnert sich der Iserlohner noch heute genau an diese Situation, die so typisch für die Region ist.
Und die deshalb perfekt in das pixelprojekt_Ruhrgebiet passt. Seit acht Jahren sammelt diese Initiative freier Fotografen Bilder von Kollegen, die sich mit den verschiedensten Aspekten der Region auseinandergesetzt haben: Ziel ist eine digitale Sammlung fotografischer Positionen als regionales Gedächtnis, die nicht irgendwo verstaubt, sondern im Internet chronologisch und thematisch geordnet jedermann zugänglich ist – eine virtuelle Dauerausstellung. Mit sieben Serien ist Klaus Rose dort mittlerweile vertreten. Die jüngste - Aufnahmen von der Rote Punkt-Aktion im Revier, aufsehenerregenden Demonstrationen gegen Fahrpreiserhöhungen Ende der 1960er Jahre - wurde in diesem Jahr aufgenommen.115 Fotografen hatten sich mit 198 Fotoserien beworben, 29 wurden ausgewählt.
25 Jahre lang hat Klaus Rose, der seit 1977 in Iserlohn lebt, nicht nur, aber vor allem im Ruhrgebiet fotografiert. Angesichts von rund 500000 Negativen haben die beiden Söhne da irgendwann gefragt, was damit mal geschehen soll. Drei Meter Ordner hat Rose daraufhin durchgesehen nach Fotos, die erhalten bleiben sollen. Einiges war schon kaputt, anderes hat er digitalisiert. In drei Jahren hat er rund ein Prozent geschafft. Die Serien für das pixelprojekt sind ein Ergebnis dieser Recherche. Die Arbeitskämpfe 1966 bis 1982 und der autolose Sonntag 1974 waren die ersten Beiträge. Die Ostermärsche an der Ruhr 1962 bis 1989, Proteste gegen die NPD 1969, Bundeswehrrekruten in Dortmund und Spitzenpolitiker in der Westfalenhalle wurden bei seiner zweiten Bewerbung ins Netz gestellt. Und Ideen für weitere Serien stehen: Badevergnügen 1965, Frauen an Arbeitsplätzen im Revier, Mieteraktionen gegen Spekulanten in Zechensiedlungen. Als freier Fotograf hat Rose viele Facetten des Ruhrgebietes festgehalten.
Gelernt hat er das Handwerk allerdings nie. Zwar machte er schon als Schüler 1957 die ersten Aufnahmen in Hannover; im Rücken sollte er aber was Anständiges haben: Er studierte Maschinenbau. Einer ersten Ingenieur-Stelle in der Lüneburger Heide zog Rose 1965 aber dann doch die Arbeit als Pauschalist bei einer Jugendzeitung in Dortmund vor. Für Stern, Spiegel, Zeit, Frankfurter Rundschau, Presseagenturen und Fernsehsender war er seitdem als freier Fotograf unterwegs. Viele, oft erst später bekannt gewordene Politiker traten ihm vor die Linse: ein junger Gerhard Schröder, ein noch unbekannter Gorbatschow auf Vortragsreise, Otto Schily auf dem ersten Grünen-Parteitag als einziger im Anzug, alle Kanzler. Manches Mal waren das exklusive Glücksgriffe, zu denen der heute 73-Jährige immer die passende Geschichte erzählen kann, so wie er auch kein Bild vergessen hat. „Was ich entwickelt habe, habe ich auch im Kopf.“
1990 zog er sich aus dem aktuellen Geschäft zurück und spezialisierte sich auf Medizinfotografie. „Das Fotografieren ist schwieriger geworden“, sieht Rose nicht nur Vorteile in der Digitaltechnik: „Jeder bietet Fotos an. Der Markt wird überschwemmt.“ Massenware sind seine Aufnahmen nicht. Davon überzeugen kann sich jeder im Internet unter www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de, bis zum 21.August in der Ausstellung der Neuaufnahmen im Wissenschaftspark Gelsenkirchen und, wenn alles klappt, im nächsten Jahr auch in der Städtischen Galerie.
Das Gespräch führte Hilde Goor-Schotten mit Klaus Rose

Autor:

Rainer Tüttelmann aus Iserlohn

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