Auf Jobsuche in Mumbai

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Der Iserlohner Daniel Hermann hat am 17. Oktober zusammen mit seinem Freund Toby Deutschland verlassen, um in Mumbai (Indien) nach einem Job zu suchen und Land und Leute kennenzulernen. Nachstehend der zweite Teil seines Reiseberichtes:

„Fast wäre unser Trip schon beim Stop-over in London Heathrow beendet worden - zumindest vorerst. Wir waren, nicht ganz der deutschen Pünktlichkeit entsprechend, einige Minuten zu spät an unserem Gate zum Boarding eingetroffen. Zum Glück schien uns die Dame der indischen Fluggesellschaft wohlgesonnen und ließ uns nach einer kleinen Diskussion in die Maschine.
Jetzt konnte es also losgehen! Der 9,5-stündige Flug von London nach Mumbai ging dank des guten Entertainment-Programmes, der schmackhaften Mahlzeiten und nicht zuletzt des guten Weines wegen relativ schnell und unspektakulär zu Ende. Namastre Mumbai – willkommen in Mumbai!
Schon die erste Brise beim Verlassen des Terminals ließ keinen Zweifel daran, dass wir uns nicht mehr in Europa befanden. Eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit, ca. 35 Grad Celsius und genau so viele Stechmücken um uns herum hießen uns herzlich in der Megametropole willkommen.
Bei einer vorherigen Reise in die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur lernten wir bereits einen Inder namens Clinton kennen, der in Mumbai lebt und der uns netterweise vom Flughafen abholte und in unser Hotel brachte. Wir landeten in Andheri, einem nördlichen Teil der Stadt und hatten von unserem Hotelzimmer aus einen wunderbaren Blick auf unsere indischen Nachbarn, die allesamt in Blechhütten am Straßenrand hausten. Namastre Slum – willkommen im Slum!
Unsicher oder gar gefährlich schätzten wir diese Gegend absolut nicht ein, wenn man die katastrophalen hygienischen Verhältnisse (ganze Müllhalden am Straßenrand; tote und noch viel mehr lebendige Ratten; Menschen, die die Straße auch gerne mal als WC benutzen usw.) und das wohl etwas erhöhte Malariarisiko mal abzieht.
Wir schienen jedoch trotzdem die einzigen Ausländer in dieser Region zu sein, da man sich der gänzlich fixierenden Blicke der Kinder, aber auch der einiger Erwachsener beim Verlassen des Hotels sicher sein konnte.
Nach einigen Tagen verließen wir Andheri und zogen in ein Hotel in Colaba, einer etwas besseren Gegend in Süd-Mumbai, nur wenige Meter vom Wahrzeichen Indiens, dem Gateway of India, und dem weltberühmten Taj Hotel (welches 2008 von schweren Terroranschlägen erschüttert wurde) entfernt.
Nun konnte nach einer kurzen Akklimatisierungsphase die Jobsuche beginnen. Wir bewarben uns per Stellenausschreibung und Initiativbewerbung bei indischen und internationalen Unternehmen in den Bereichen Management, PR, Marketing, IT und Medien.
Sehr schnell fanden wir heraus, dass es als Deutscher Universitätsabsolvent (sofern man die englische Sprache fließend beherrscht) sehr einfach ist, in Mumbai einen Job zu bekommen. Diese Stadt mit ihren mehr als 25 Millionen Einwohnern (täglich ziehen ca. 3.000 Menschen hinzu!)birgt ein unglaubliches Potenzial. In ihr allein wird 1/3 des gesamten indischen BIP erwirtschaftet.
Dieses Potenzial jedoch vermischt sich mit absolut chaostischen Verhältnissen auf der Straße, einer kaum zu beschreibenden Diskrepanz zwischen Arm und Reich und einer allgemeinen Hektik, die selbst New York City in der Rush Hour als Kleinstadt erscheinen lässt. Hinzu kommt die teils nervenzehrende Lärm- und Smogbelastung.
Genau diese auf den ersten Blick unorganisierten und chaostischen Zustände bieten aber den Vorteil einer Flexibilität und Spontanität, wie sie sich nirgends in Europa finden lassen würde. So kommt es vor, dass man noch am Tag der Bewerbung zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird und theoretisch schon am nächsten Tag seine Arbeit in dem Unternehmen aufnehmen könnte.
Das viel größere Problem sind die niedrigen Einkommen im gesamten Land – selbst für Bewerber mit unserer Ausbildung und Auslandserfahrung. Unsere ökonomische Vernunft ist der Grund, warum wir bisher jeden noch so interessanten Job ablehnen mussten. Zurzeit gibt es ein Unternehmen, welches Process Manager für den amerikanischen und deutschen Markt sucht und diese Stellen gerne an Toby und mich vergeben würde – wir sind mitten in den Gehaltsverhandlungen und werden zum Beginn der nächsten Woche eine Antwort erhalten. Na ja, vielleicht auch erst zum Ende der Woche, da Inder allgemein gesehen ein sehr polychrones Zeitverständnis pflegen – Zeit ist für sie ein unbegrenztes Gut.
Mumbai ist eins der größten Ballungsgebiete auf diesem Planeten. Die Bevölkerung der Stadt wächst derart überproportional, dass Teile der Stadt zu explodieren scheinen. Viele Reisende berichten, dass es in Mumbai eher ums nackte Überleben als um einen Urlaub gehe, und der Schriftsteller Aldous Huxley sagte einmal, dass weder die nördliche, als auch die südliche Erdhalbkugel eine entsetzlichere und grausamere Stadt als Mumbai zu bieten habe.
Ein Inder sagte mir vor wenigen Tagen sinngemäß: „Weißt du Daniel, wenn du die Stadt einmal geknackt hast, wirst du sie unendlich lieben. Ich lebe hier seit 27 Jahren und habe es immer noch nicht geschafft, sie zu knacken.“
Love it or hate it – wir haben uns diesbezüglich noch nicht ganz entschieden, aber was ich jetzt schon weiß, ist, dass Mumbai die bisher größte Herausforderung für mich darstellt.“

Autor:

Melanie Giese aus Recklinghausen

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