160 Jahre Ruhr-Sieg-Bahn
Verbindung zu modernen Welt
Märkischer Kreis. Am 6. August 2021 feiert ein Herzstück der heimischen Verkehrsgeschichte Geburtstag: Auf den Tag genau vor 160 Jahren wurde das letzte Teilstück der Eisenbahnstrecke von Hagen nach Siegen in Betrieb genommen. Das Kreisarchiv des Märkischen Kreises erinnert an das historische Ereignis.
Die Fertigstellung der 106 Kilometer langen Ruhr-Sieg-Bahn durch das gebirgige Sauer- und Siegerland und durch das enge Lennetal war eine technische Meisterleistung und wurde in zeitgenössischen Berichten bejubelt: "Die schwierigen und gewaltigen Bauwerke jeder Art, wodurch die Ruhr-Sieg-Bahn eine der großartigsten und bewunderungswürdigsten Bauunternehmungen der neueren Zeit ist, werden für immer ein Zeugnis bleiben davon, was menschlicher Fleiß, Energie und Kunst sowie die Vereinigung vieler Kräfte vermag," hieß es am Tag der Inbetriebnahme am 6. August 1861 im Wochenblatt für den Kreis Altena.
Der Anlass zum Bau der Bahnstrecke war nicht der Wunsch der Menschen nach Mobilität. Reisen zum Vergnügen konnten sich zu Beginn der Bauplanungen in den 1830-er Jahren nur wenige Menschen mit ausreichend viel Geld und freier Zeit leisten. Tatsächlich war es die Industrie aus dem Ruhrgebiet und dem Siegerland, die nach einer schnellen und günstigen Verbindung suchte, um den Warenaustausch ihrer beiden Wirtschaftsregionen zu erleichtern. Ursprünglich war eine Pferdebahn geplant, die jedoch zugunsten moderner Dampflokomotiven verworfen wurde.
Für die Menschen jener Jahre war die Eisenbahn ein technisches Wunder, das sie bestaunten, aber auch fürchteten. Kein Wunder, rasten doch noch 40 Jahre später Dampfloks mit unvorstellbaren 45 Pferdestärken (PS) und 30 Stundenkilometer über die neuen Eisenbahnbrücken! Überhaupt, die Eisenbahnbrücken! Die vielen neuen Trassen über die Lenne veränderten das Landschaftsbild, und einige Zeitgenossen mussten sich an den Anblick der Monumente aus Eisen und Stein erst gewöhnen.
Nicht alle errichteten Brücken fügten sich schließlich so harmonisch in die Landschaft ein, wie beispielsweise das Viadukt bei Werdohl-Ütterlingsen. Das imposante und stadtbildprägende Bogenbauwerk verband die damals immer noch populäre Architekturform des Historismus mit der reinen Ingenieurbaukunst der neuen Zeit. Die vier Segmentbögen des Viadukts sind aus Quadermauerwerk errichtet. Dabei musste jeder Quaderstein von einem Steinmetz einzeln bearbeitet werden. Auch deshalb gilt das Viadukt bis auf den heutigen Tag als ein technisches und ästhetisches Glanzstück, auf das die Werdohler stolz sind, und welches seit 1988 ein städtisches Baudenkmal ist.
Die neue Lebensader veränderte nicht nur die Kulturlandschaft der Region, die Mobilität und damit den Erfahrungsraum der Menschen, sondern auch ihren Alltagsrhythmus. Seit dem 6. August 1861 gingen im Lennetal sogar die Uhren anders, und zwar wortwörtlich! Bis die Eisenbahn kam, hatte jede Stadt ihre eigene Ortszeit, die sich am höchsten Sonnenstand zur Mittagsstunde orientierte. Auch wenn es sich immer nur um wenige Minuten Unterschied handelte, musste die Eisenbahngesellschaft für Einheitlichkeit sorgen. Fahrpläne waren schließlich dazu da, eingehalten zu werden, und zwar – anders als heutzutage - auf die Minute genau. Aus diesem Grund hingen in jedem Bahnhof zwei Uhren. Die eine zeigte die Uhrzeit vor Ort an, die andere die Eisenbahnzeit am Sitz der Eisenbahngesellschaft. Erst 1893 wurde in Deutschland eine einheitliche Zeit, die Normalzeit oder Mitteleuropäische Zeit eingeführt.
Autor:Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr |
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