Fahrradvergnügen mit Schattenseiten
Die Verkehrswacht reagiert auf steigende Opferzahlen im Radverkehr
Die Statistiken der Polizei in NRW belegen, dass die Menschen nicht nur hierzulande die Zeichen der Zeit erkannt haben und dem Gebot der Stunde folgen. Konkret mach sich dies sichtbar durch die enormen Wachstumzahlen im Radverkehr, und damit auch im Fahrradhandel. Mehr als drei Millionen konventionelle Fahrräder wurden in den Straßenverkehr neu eingebracht, und gleichzeitig sattelten knapp zwei Millionen auf Fahrräder mit Elektro-Unterstützung um, seien es Pedelecs, S-Pedelecs oder E-Bikes. Das Fahrrad wurde erkannt als das Straßenfahrzeug, das innerhalb zweier Jahrzehnte einen technologischen Sprung nach vorne vollzogen hat, für den das Automobil in allen Erscheinungsformen mehr als ein halbes Jahrhundert gebraucht hat, obwohl Politiker aller Farben dieses Lieblingskind des Kleinbürgers finanziell gefördert hat wie ansonsten nur noch die Atomindustrie.
Die Menschen im Lande haben die Chancen ergriffen, diesen technologischen Fortschritt zu nutzen, um das Radfahren noch in einem Alter gesundheitlich, beruflich oder touristisch nutzen zu können, indem das konventionelle Radfahren bereits häufig zur Last wird.
Damit ist jedoch bereits ein Problem genannt, das dieser rasante Wandel im Lande auch seine Schattenseite hat. Pedelecs werden heute nicht mehr nur von kurzatmigen Rentnern gefahren, sondern bereits von Teenagern, die sich lange Schulwege und pandemiebedingt freie Schultag auf diese Weise aufpeppen. Daneben rollen Ruheständler beiderlei Geschlechts "durch die Wälder, durch die Auen", die bislang vor allem durch eifriges Füttern von Enten oder Tauben, oder durch Spaziergänge in Parks und Fußgängerzonen bemerkbar wurden, um einmal ein Klischee zu bemühen.
Die Beschaulichkeit findet damit auch ihr Ende. Natürlich hat jede und jede der neuen, aktiven Rentner das ganze Leben mit dem Fahrrad verbracht, häufig aber mit einer ausgedehnten biographischen Lücke über die drei aktivsten Jahrzehnte zwischen 20 und 50 Jahren, wenn Studium, Beruf, Privatleben und soziale Pflichten die schnelle Mobilität über große Strecken erforderlich machten. Nicht selten setzte auch nachlassende Fitness frühe Grenzen. Der abrupte Wiedereinstieg brachte dann in vielen Fällen die Ernüchterung und unangenehme Folgen mit sich.
Die amtliche Unfallstatistik NRW 2020 weist aus, dass gerade Pedelecfahrer zunehmend gefährdet sind. Während die Zahl der Verkehrsunfälle sich allgemein um 16,45% abnahm, stieg die Zahl der Unfälle mit Pedelecs um 44% an. Sicher enthält dieser Anteil auch eine große Zahl von Betroffenen unterhalb der Pensionsgrenze, aber der Anstieg ist alarmierend, denn außerdem wurden 30,4% mehr Pedelecfahrer getötet als im Vorjahr, während die Mortalität bei konventionellen Radfahrern um immerhin 4% abnahm. Wenn man in Rechnung stellt, dass Pedelecfahrer über ein Vielfaches mehr an Kilometern rollen als eher behäbige Radfahrer der alten Schule, so verringert diese Gewichtung nicht die Probleme im Grundsatz.
Was ist zu tun?
Wer mit dem Pedelec fährt, ist in gleicher Weise gefährdet wie ein konventioneller Radfahrer, denn er unterliegt denselben physikalischen Gesetzen, allerdings in wesentlich härterer Form, denn mit dem Tempo wächst das Verletzungsrisiko. Auf diese Weise kommt es zu einer hohen Zahl von so genannten Alleinunfällen, an denen kein Unfallgegner beteiligt ist. Hier versagt schlicht die fahrerische Kompetenz und sorgt für Selbstüberschätzung, bei Jung und Alt. Auch das optische Profil ändert sich nicht, und die Autofahrer haben die neue Klasse auf den Straßen vielfach auch nicht gleich auf dem Radar.
Den Radfahrenden bleibt nur eine Reaktionsmöglichkeit sich zu schützen, solange Politiker landauf, landab bei der Forderung nach einem menschenwürdigen Verkehrssystem nur müde abwinken, so lange die Autoindustrie die Taschen der Lobbyisten füllen kann.
Das einzige Mittel ist ein nachdrückliches Training zur fahrerischen Ertüchtigung, zu einem veränderten Blickwinkel auf den Straßenverkehr, zu einem neuen, angemessenen Selbstbewusstsein und der Entschlossenheit zum Handel im Rahmen der Eigensicherung. Auf das geistige Erwachen der Politik kann man nicht warten, wenn man die verbleibenden Jahre noch nutzen will.
Um dies zu unterstützen bietet die Deutsche Verkehrswacht Trainingskurse für Pedelec-Fahrer/innen an, die zunächst pandemiebedingt als Videokonferenzen den Problemkreis erarbeiten wollen, unterstützt von zwei Moderatoren, die als langjährige Kräfte der Polizei, bzw. als schulische Fortbildungsmoderatoren das Thema erlebbar und deutlich machen wollen. Auch werden einzelne Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung auf ihre Bedeutung für den Radverkehr, aber auch auf Probleme untersucht, die möglicherweise durch mangelnde Information entstehen können, mit Folgen wie Bußgelder und Unfälle mit erheblichen Konsequenzen.
Der ersten Kurs in diesem Bereich findet am Donnerstag, dem 17. Juni, ab 18.00 statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Lediglich die Software ZOOM muss auf dem PC, Laptop oder Smartphone installiert sein. Die Anmeldung erfolgt per E-Mail über die Adresse Pedelec-Training@gmx.de. Die Moderatoren freuen sich auf ihre Klienten und hoffen, dass möglicherweise in absehbarer Zeit auch eine praktische Phase wieder möglich sein kann.
Autor:Franz-Josef Knur aus Menden (Sauerland) |
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