Wie viele Jobcenter-Mitarbeiter sind erforderlich, um ein Darlehen über 150,00 € zu gewähren?
Zugegeben, es braucht schon einiges, um mich aus der Ruhe zu bringen. Heute Morgen bin ich dieser Grenze jedoch ziemlich nahe gekommen.
Pünktlich um 8:30 fand ich mich in der Notfallsprechstunde beim Jobcenter Märkischer Kreis ein, um einen jungen Mann zu begleiten, der in der Vorwoche erstmalig vergebens um ein Überbrückungsdarlehen für die Weihnachtsfeiertage nachgesucht hatte. Außergewöhnliche Umstände hatten seine Hartz IV-Almosen vorzeitig abschmelzen lassen. In der Vergangenheit hatte er noch nie nach einem Vorschuss oder einem Darlehen vorgesprochen. Und auch die Rückzahlung war für ihn kein Problem, weil er aufgrund einer ausstehenden Rückerstattung von Stromkosten die Summe in einer Buchung tilgen wollte. – Anstelle einer kurzfristigen und rechtskonformen Abhilfe wurden ihm . . . . Lebensmittelgutscheine angeboten. Der auf diese Weise gedemütigte Mann hatte das Büro unverrichteter Dinge verlassen und sich stattdessen an aufRECHT e.V. gewandt mit der Bitte ihn zur nächsten Vorsprache zu begleiten.
Notfallsprechstunde von 8:30 - 9:00 Uhr
Als wir die Sachbearbeiterin um 8:30 Uhr aufsuchen wollten, fanden wir dort nur ein Schild vor „Vertretung in Zimmer 3xx“. Wir meldeten uns dort sofort um 8:38 Uhr, nachdem eine Kollegin den Raum verlies und die Notfallzeit für die Betroffenen freigab und hörten dort nur knapp: „Vertretung in Zimmer 3yy“. Um 8:39 Uhr betraten wir das Büro der Vertretung. Frau P. bat uns draußen zu warten, weil Sie die Notfallsprechstunde noch für weitere 12 Minuten zum Telefonieren nutzen wollte. Auf dem Flur trafen weitere Kunden ein, die die Notfallsprechstunde nutzen wollten. Nachdem der Kunde sein Anliegen vorgetragen hatte und um das vorläufige Darlehen nachgesucht hatte, begann eine quälend komische Fragestunde. Zunächst musste geklärt werden, wer der aktuell zuständige Leistungssachbearbeiter für den Namen „Z“ ist. M.? – Nein, die ist schon seit Jahren weg. Die aktuelle Liste nannte Herr L. als zuständig. Ein weiterer interner Anruf zeigte daraufhin, dass eine aktuellere Liste, als die aktuell vorliegende existieren müsse. Frau L. Ja, Frau L. ist zuständig.
Dann ging es weiter. Labern, labern, labern.
Und obwohl lediglich ein rückzahlbares Darlehen über alberne 150,00 € zum Thema stand, wurde der Kunde durch die Vertretung in ein völlig unnützes Gespräch gedrängt. Was haben Sie denn mit Ihrem Geld gemacht? Warum ist es denn schon ausgegeben? Wofür brauchen Sie denn ein Darlehen? Zigaretten? Geschenke? Also nicht nur Lebensmittel? – Also Bargeld? Keine Gutscheine?
Mir ist nur eine Filmsequenz bekannt, die solches Behördenhandeln angemessen zu beschreiben vermag: Das Haus, das Verrückte macht.
Anstatt das kleine Problem innerhalb weniger Minuten mit einigen wenigen vertretbaren Entscheidungen zu lösen und dem Kunden das Minidarlehen unkompliziert einzuräumen, vergingen mehr als 85 Minuten quälenden Wartens und nahezu sinnentlehrter Gespräche. Die nichtsnutzige Verschleppung wirkte sowohl auf den Kunden als auch – zugegebenermaßen - auf mich, weil ich noch weitere Termine verabredet hatte, um Probleme nachhaltig zu lösen. 8:30-9:50 Uhr und noch immer keine Lösung. „Sie haben doch sicher Ihre Kontoauszüge mit . . . ?“ „Nein.“ Damit wurde der Kunde verpflichtet seine Armut ein weiteres Mal zu dokumentieren. Anstelle der erbetenen 150,00 € wurde zuletzt eine Barauszahlung von 100,00 € gewährt. „Wir haben es so abgesprochen.“ – ohne dem Willen des Antragstellers zu entsprechen.
Sozialgesetzbuch II contra Iserlohner Dorfrecht
Die anhaltenden Rechtsverletzungen im Jobcenter Märkischer Kreis machen es erforderlich, solche Missstände bestmöglich zu dokumentieren, bis die Geschäftsführung endlich gesetzeskonforme Geschäftsanweisungen erlässt. Es kann nicht länger hingenommen werden, dass Jobcenter-Mitarbeiter für die Fehlentscheidungen der Führungsverantwortlichen den Kopf hinhalten sollen.
Im Gesetz haben Geldleistungen Vorrang vor Sachleistungen.
§ 24 SGB II Abweichende Erbringung von Leistungen (Stand: 13.05.2011)
(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.
(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder
Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet
erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Arbeitslosengeld II bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.
IFG007
Es geht auch anders – richtig gute Hilfe im gleichen Jobcenter
Zu meinem Folgetermin im Jobcenter in Hemer kam ich erst mit zwanzig Minuten Verspätung. Dabei ging es um die Vermeidung einer Stromsperre. Dank der schriftlichen Vorarbeit, war die Abwendung der Sperre in nur wenigen Minuten erledigt. Das war super.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.