Existenzsicherung gefährdet
Üble Nachrede gegen Bürgergeld-Bezieher blieb nicht ungestraft
"Wer Bürgergeld-Bezieher grundlos als „Sozialschmarotzer“ denunziert, hat kein Recht auf Anonymität. Das Jobcenter muss vielmehr den Namen des Denunzianten preisgeben. Das Sozialgericht erklärte, dass bei einer Diffamierung, die „wider besseres Wissen und absichtlich rufschädigend“ ist, das Interesse der Betroffenen überwiegt, juristisch gegen die Anschuldigungen einzuschreiten."
Sozialgericht Berlin, S 103 AS 4461/20, 08.09.2021
"Pressemitteilung vom 17.12.2021
Sozialgericht Berlin, Urteil vom 8. September 2021 (S 103 AS 4461/20): Das Jobcenter muss einer Leistungsbezieherin vollständige Einsicht in ein anonymes Anzeigenschreiben gewähren, wenn dieses falsche bzw. nicht erweisliche Tatsachen und Pöbeleien enthält. In einem solchen Fall tritt der Schutz des Behördeninformanten hinter das Informationsinteresse der Betroffenen zurück. Im konkreten Fall hatte das Jobcenter der Leistungsbezieherin zwar eine Kopie der Anzeige herausgegeben, jedoch die handschriftlich unter das Schreiben gekrakelte Unterschrift geschwärzt.
Zum Fall: Im Herbst 2017 ging bei dem beklagten Berliner Jobcenter ein am Computer gefertigtes Schreiben eines unbekannten Behördeninformanten ein. Unter der Überschrift „Sozialbetrug!“ behauptete der Absender, dass der Vater der Klägerin vor einiger Zeit gestorben sei. Die Klägerin fahre jetzt ein fast neues Auto aus der Erbmasse, obwohl sie Sozialhilfe bzw. „Hartz IV“ beziehe. Sie benötige das Fahrzeug, um ihrer Schwarzarbeit bei diversen Putzstellen nachzugehen. Auch ein Häuschen müsse der Vater hinterlassen haben. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, wie diese Frau als Sozialschmarotzerin alles vom Staat bezahlt bekomme und wohl jede Arbeitsstelle umgehe. Es werde gebeten, hier einmal eine genaue Überprüfung einzuleiten. Das Schreiben enthielt keinen Absender. Es war unterzeichnet mit „X Y“ und einer nicht lesbaren handgeschriebenen Unterschrift.
Pressemitteilung vom 17.12.2021
Üble Nachrede gegen Bürgergeld-Bezieher bleibt nicht ungestraft
Das Ziel ist Verächtlichmachung
Das Gericht erklärte, die Bezeichnung als „Sozialschmarotzerin“ sei beleidigend. Der Betroffenen zu unterstellen, sie arbeite schwarz, schädige ihren Ruf. Ziel des Hinweisgebers sei es ausschließlich gewesen, die Frau bei der Behörde verächtlich zu machen.
Diese Aussage des Gerichts legt eine Anzeige wegen übler Nachrede nahe, denn zu dieser steht im Paragrafen 186 des Strafrechts: „Eine Tatsache ist zur Verächtlichmachung eines anderen geeignet, wenn sie diesen als eine Person darstellt, die ihren ethischen, moralischen oder sozialen Pflichten nicht nachkommt.“
Üble Nachrede gegen Bürgergeld-Bezieher blieb nicht ungestraft
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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