Jobcenter-Versteher
Überprüfungsantrag erfolgreich - 1030,00 € Nachzahlung
Die SGB II-Sprache ist sehr kompliziert. Für juristisch und sprachlich Unerfahrene sind Missverständnisse in Gesprächen, beim Verständnis der Gesetzestexte und beim Ausfüllen der Formulare vorprogrammiert.
Aber Rechte, die nicht bekannt sind, kann niemand einfordern.
Gesetzlich verpflichtet
Auch Jobcenter-Mitarbeiter sind von Gesetzeswegen angehalten den Vorgaben des Gesetzes zu folgen, selbst dann, wenn Vorgesetzte von Ihnen erwarten, rechtswidrig zu beraten oder zu handeln.
Kriminelle Praktiken unterliegen nicht der Schweigepflicht gegenüber dem Jobcenter.
§ 15 SGB I Auskunft
(2) Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist.
§ 16 SGB I Antragstellung
(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.
§ 17 SGB I Ausführung der Sozialleistungen
(1) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass
1. jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,
§ 38 Rechtsanspruch
Auf Sozialleistungen besteht ein Anspruch, soweit nicht nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über die Leistung nach ihrem Ermessen zu handeln.
§ 39 Ermessensleistungen
(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.
(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.
§ 40 Entstehen der Ansprüche
(1) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.
(2) Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung
bekanntgegeben wird, es sei denn, daß in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist.
§ 41 Fälligkeit
Soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuchs keine Regelung enthalten, werden Ansprüche auf
Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig.
§ 42 Vorschüsse
(1) Besteht ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach und ist zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich, kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Er hat Vorschüsse nach Satz 1 zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt; die Vorschußzahlung beginnt spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.
(2) Die Vorschüsse sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit sie diese übersteigen, sind sie vom Empfänger zu erstatten. § 50 Abs. 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend.
(3) Für die Stundung, Niederschlagung und den Erlaß des Erstattungsanspruchs gilt § 76 Abs. 2 des Vierten Buches entsprechend.
§ 43 Vorläufige Leistungen
(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.
(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.
(3) (weggefallen)
§ 44 Verzinsung
(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.
(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.
§ 45 Verjährung
(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.
(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.
(3) Die Verjährung wird auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch.
(4) (weggefallen)
§ 46 Verzicht
(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.
(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder
Rechtsvorschriften umgangen werden.
Bedarfsgemeinschaft - Haushaltsgemeinschaft - Wohngemeinschaft
Ich weiß nicht welches Sprachgenie der Namensgeber war, der für eine leistungsberechtigte Einzelperson den Begriff "Bedarfsgemeinschaft" wählte. Deutsch geht anders.
Aber nicht einmal von Jobcentermitarbeitern kann erwartet werden die Begriffe und ihre sozialrechtlichen Konsequenzen zu erklären. Das Ankreuzen an der falschen Stelle kann teuer werden. Falschberatung durch das Jobcenter kostet Geld. Viel Geld.
Wird eine Bedarfsgemeinschaft fälschlich unterstellt, werden gleich zweimal 10% der Regelleistung gekürzt. Bisweilen entfällt der Alleinerziehenden-Zuschlag sofort.
Im hier thematisierten Beispiel war der Überprüfungsantrag erfolgreich. Das Jobcenter Märkischer Kreis musste 1030,00 € nachzahlen. Außerdem wurde in der Folge ein vom Jobcenter eingeleitetes Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt werden. Dies ist kein Einzelfall.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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