Stellungnahme des Umweltbeirates zur Windenergieanlagenplanung in Iserlohn

Folgende ausführliche Stellungnahme zur aktuellen Windenergieanlagenplanung in Iserlohn erreichte die Redaktion vom Umweltbeirat der Stadt Iserlohn:

"Die Vertreter der Naturschutz- und Heimatverbände sowie des Evangelischen Kirchenkreises Iserlohn von:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Naturschutzbund (NABU)
Landesgemeinschaft Natur- und Umweltschutz (LNU)
Sauerländischer Gebirgsverein (SGV)
Deutscher Heimatbund Iserlohn und Hennen und der Ev. Kirchenkreis
geben zum eingeleiteten FNP-Änderungsverfahren für Windenergieanlagenstandorte folgende Stellungnahme ab und bitten die Vertreter der politischen Parteien im Rat der Stadt unseren Vorschlägen zu folgen und die Anregungen und Bedenken zu beachten.

Die Mitarbeiter des Umweltbeirates begrüßen die beschlossene Energiewende. Eine zentrale Säule der Energiewende und des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) ist dabei der Ausbau der erneuerbaren Energien und im Speziellen die der Windkraft.

Der Ausbau der Windkraft in NRW muss allerdings mit Augenmaß und Vernunft vollzogen werden. Aspekte zum Flächenverbrauch, Arten- und Naturschutz sowie Landschaftsschutz müssen bei der Planung von Windrädern berücksichtigt werden. Bei der Planung aller Arten von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien ist auch darauf zu achten, dass Natur- und Landschaft als Lebensgrundlage des Menschen in ihrer Vielfalt, Eigenart- und Schönheit erhalten und gesichert bleiben. Daher ist es wichtig, eine breite Bürgerbeteiligung herzustellen!

Windenergie ja, aber nicht um jeden Preis an jedem Standort!

Begrüßt wird auch der Beschluss, den Flächennutzungsplan zu ändern, denn nur dadurch ist es den Verantwortlichen in Rat und Verwaltung überhaupt möglich, die gesamte Planung der WE-Standorte zu beeinflussen, zu steuern und „Wildwuchs“ und „Verspargelung“ zu verhindern.

Wir schlagen vor, appellieren an die und fordern von den politischen Mandatsträgern:

a) das von allen Mandatsträgern in den zuständigen Gremien und Rat beschlossene Verfahren zur Änderung des FNP nicht abzubrechen, nicht zu beenden, sondern mit Bedacht und ohne Eile fortzusetzen,

b) die bisher bereits von der Verwaltung sachlich und rechtlich richtig aber aufgrund neuer Erkenntnisse in Teilen noch unvollständig geleisteten wichtigen Vorarbeiten für eine Entscheidungsfindung weiterzuführen, noch bestehende Defizite und Lücken im Sinne der Rechtssicherheit nachzuarbeiten und mit den neuen Vorgaben der Bezirksregierung und des LANUV zu ergänzen,

c) die von der Bezirksregierung beabsichtigte Ausweisung von WEA-Vorrangzonen im Regionalplan (vermutlich in 2013) abzuwarten und den FNP darauf abzustimmen. (Die Leitlinien Regionalplan Arnsberg, sachlicher Teilabschnitt „Energie“ liegen bereits vor.),

d) die im Auftrag des Ministeriums von der LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) erst jetzt erstellte „Potentialstudie Windenergie NRW“ (mit dem Energieatlas NRW), insbesondere hinsichtlich der Beachtung planungsrelevanter und windenergiesensibler Arten und der vom OVG und BVG empfohlenen Abstände zur Wohnbebauung (Siedlungsbereiche und Einzelbauten) auszuwerten und die bisherigen Erkenntnisse und angewandten Daten zu überarbeiten / zu ergänzen,

den Teil Artenschutz hinsichtlich der Flugrouten der Arten Milan und Schwarzstorch zu den Nahrungsbiotopen (Nahrungskorridoren) durch Nacherhebungen zu ergänzen. (Dies ist jedoch erst im März bis August 2013 wieder möglich.),

die Mindestabstände zu den im Zusammenhang bebauten Ortslagen / Siedlungsgebieten / Stadtteilen sollten an die empfohlenen Werte der Gerichtsentscheidungen des OVG und BVerwG angepasst werden, d.h. mindestens 600 m (besser u.E. 700 m), 500 m bei Einzelgebäuden,

e) die Vorgaben des „Windenergieerlasses“ der Landesregierung und die „Empfehlungen zum Bau von Windenergieanlagen im Wald“ noch stärker als bisher im weiteren Verfahren zu beachten, z.B. als Tabu-Bereiche auch große, wertvolle zusammenhängende Waldgebiete. Auch die Aufwendungen, Folgen und unverhältnismäßigen Eingriffe in den betroffenen Gebieten durch Erschließungsmaßnahmen, wie Zufahrts- und Unterhaltungstrassen und Kabeltrassen zum Transport der erzeugten Energie sollten bereits jetzt mit berücksichtigt werden,

f) die Anregungen und Bedenken der Bevölkerung gemäß Erlass und Gesetzgebung in einem derart bedeutsamen Verfahren ohne politisches Kalkül ernst zu nehmen und mit der gebotenen Sachlichkeit zu berücksichtigen, z.B. durch Einrichtung eines „Runden Tisches“, mit allen Betroffenen und dem Beschluss zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit.

Begründung und Erläuterungen
Zu a)
Nur in einem FNP-Änderungsverfahren ist die von allen gewollte Rechtssicherheit dieser bedeutsamen Planung zu erreichen und zwar, wenn alle Belange hinreichend ermittelt und begründet in die Abwägung eingestellt werden können. Die beiden noch bestehenden Vorrangzonen, wovon eine nicht genutzt und eine voll genutzt ist, bieten keinerlei Rechtssicherheit und halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Damit besteht die absolute Gefahr, dass ohne rechtsgültige Vorrangzonen und ohne ein laufendes beschlossenes FNP-Änderungsverfahren das gesamte Stadtgebiet als potentielle Zone für Einzelstandorte gilt. Die Investoren stehen schon bereit!

Bereits vor 10 Jahren war es nur möglich, über 30 vorliegende Anträge abzuwehren durch das seinerzeit durchgeführte FNP-Änderungsverfahren. Eine nicht gewollte Verspargelung des gesamten Stadtgebietes von der Ruhr bis Kesbern konnte nur so abgewendet werden. Das gleiche gilt es jetzt zu tun und zwar durch besonnenes Weiterführen des Verfahrens.

Für die Schälker Heide ist festzustellen, dass der Privateigentümer aufgrund der bereits geleisteten Untersuchungen und der Ergebnisse des jetzt laufenden Verfahrens bereits weiß, dass auf seinen Eigentumsflächen WEA möglich und durch einfaches Handeln auch rechtlich durchsetzbar sind. Die alten Vorrangzonen werden hier dauerhaft nichts mehr verhindern, aber mit dem neuen Änderungsverfahren behält die Stadt wenigstens die Kontrolle und Steuerungsmöglichkeit. Hier kommt es entscheidend auf die Nachuntersuchungen bezüglich des Vorhandenseins vom roten Milan und Schwarzstorch an!

Zu b)
Die bisher im Verfahren geleisteten Vorarbeiten sind u.E. rechtlich gründlich und richtig, jedoch aufgrund der aktuellen Entwicklungen und Beschlüsse des Landes und der Bezirksregierung nicht mehr ausreichend, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Das LANUV hat im Auftrag des Ministeriums eine „Potentialstudie Windenergie NRW“ erstellt, die erst jetzt vorliegt.

Die Bezirksregierung hat im Regionalrat bereits kürzlich „Leitlinien“ für den Umgang mit dem Thema „Energie“ beschlossen. Die Ausweisung von Vorrangzonen erfolgt aber (vermutlich) erst im Jahr 2013. Nachzulesen ist aber bereits jetzt in den Leitlinien: „der Regionalplan soll in diesem Zusammenhang den Kommunen durch die Verwendung transparenter und nachvollziehbarer Entscheidungskriterien eine Hilfestellung im Umgang mit dieser Thematik geben…“. Es ist u.a. vorgesehen, bei der Auswahl geeigneter Flächen verschiedene Kriterien („harte“ und „weiche“) herauszustellen, wie die des Artenschutzes aber auch landschafts-ästhetische Belange.

Wir empfehlen, diese Vorgaben des Landes und der Bezirksregierung abzuwarten, abzuarbeiten und in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und nicht voreilig falsche Entscheidungen zu treffen.

Zu c)
Der bisherige Stand des Verfahrens war bisher sachlich und rechtlich richtig, ist aber aufgrund der Entwicklungen und Veränderungen im Land und der Bezirksregierung nicht mehr vollständig und damit nicht mehr rechtssicher. Die Stadt Iserlohn sollte die Ausweisung von Vorrangzonen durch die Bezirksregierung abwarten und nicht im „vorauseilenden Gehorsam“ unnötige Fehler begehen.

Zu d)
In der vom LANUV erarbeiteten Potentialstudie wird eindeutig belegt, dass insbesondere bezüglich der Artenschutzbelange und der Abstände zur Wohnbebauung nachgebessert werden muss.

Zur Ermittlung der Beeinträchtigung planungsrelevanter Arten gehört es auch, die Nahrungshabitate mit in die Untersuchungen einzubeziehen. Damit sind z.B. die Bereiche um die Stadtsteiche als Nahrungsgebiet des Schwarzstorches, der im Bereich Grüner Tal nistet, und in der Schälker Heide die Bachbereiche (Reingser- und Elsebach) als Nahrungsbereich des Schwarzstorches, der im Bereich Ergste zwar außerhalb der 3.000 m TABU-Zone seinen Horst hat, der aber innerhalb des 10.000 m Nahrungsbereichs-Radius die beiden Bachbereich als Nahrungsquelle nutzt, in die Untersuchung einzubeziehen. Das gilt auch für die Milane im Bereich Schälker Heide.

Bezüglich der Abstände zur Wohnbebauung bezieht sich das LANUV auf die Rechtssprechung des OVG (09.08.2006) und des BVerwG (23.12.2010).
Darin heißt es: Von einer „optisch bedrängenden Wirkung der WEA“ ist nicht mehr auszugehen bei einem Mindestabstand von mind. 600 m (das 3-fache der Anlagenhöhe).

Wir empfehlen aus Gründen der Rechtssicherheit und dem Schutz der betroffenen Bevölkerung 700 m!

Bei 2,5 – 3-facher Anlagenhöhe als Abstand zum WEA „bedarf es einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls“. Das wird erst im BImSch-Verfahren vom Märkischen Kreis als zuständiger Behörde geprüft werden.

Bei einem Abstand von kleiner als dem 2-fachen der Anlagenhöhe ist von einer „optisch bedrängenden Wirkung auszugehen“.

Damit ist u.E. deutlich, dass der Abstand zur Wohnbebauung (Wohnsiedlungen) auch überdacht werden und doch auf 700 m Mindestabstand festgelegt werden sollte!

Zu e)
Gemäß „Windenergieerlass“ und „Empfehlungen für den Bau von WEA im Wald weisen wir auf u.E. im weiteren Verfahren zur beachtende Vorgaben hin. Wir betonen nochmals, dass es richtig war und noch immer ist, das Verfahren beschlossen zu haben und es bis zu einer sachgerecht möglichen Entscheidung weiterzuführen. Dazu gehört es auch, die jetzt erst mit dem Verfahren erlangten Erkenntnisse auszuwerten und die Vorgaben aller Empfehlungen, Erlasse, Gesetze und Urteile zu beachten aber auch zu nutzen. Mit oder vor Beginn des Verfahrens hat niemand wissen können, was dabei als Ergebnis herauskommt. Jetzt, auf dem einzig richtigen Weg, gilt es aber alle Erkenntnisse zu nutzen.

Dazu gehört auch die Aussage des Erlasses, dass große, wertvolle, zusammenhängende Waldgebiete möglichst nicht als Standorte für WEA genutzt werden sollen, zu analysieren. Das bedeutet, dass der Bereich Stadtwald nicht als geeigneter Standort in Frage kommen könnte, weil das Kriterium (mit Sicherheit) erfüllt ist.

Die Flächengröße des Waldbereichs zwischen Grüner Tal und Stephanopler Tal beträgt über 2.500 ha, davon gehören der Stadt Iserlohn ca. 1.000 ha, d.h. sie ist Eigentümer einer möglicherweise geeigneten WEA-Fläche, also in der Lage, jederzeit selbst zu entscheiden, ob hier WEA entstehen sollen oder nicht. Der hier vorhandene Wald hat Tradition, hohe Bedeutung für das Image der Stadt, ist ökologisch wertvoll und nicht vorgeschädigt! Die Kyrill-Flächen sind heute die ökologisch wertvollsten Gebiete, hervorragende Nahrungsgebiete diverser Arten und Fernaussichtspunkte der Wanderer!

Ein nicht unerheblicher Belang ist die Sicherung / Erreichung einer für diese Anlagen notwendigen Erschließung
a) für die auf den Standorten geplanten WEA und
b) für den Transport (per Erdleitung) der erzeugten Energie.
Die Lage abseits jeglicher Infrastruktur und in der sehr bewegten Topographie erfordert hier enorme Eingriffe in Boden und Landschaft. Die erforderlichen Radien der Zufahrten führen zu erheblichen Eingriffen in Boden, Wasser und Landschaft. Auch über diesen Belang sollten jetzt im Verfahren, auch wenn es nicht unbedingt dazu gehört, Aussagen getroffen werden.

Zu f)
Wir empfehlen die Einrichtung eines „Runden Tisches“, um auch mit der Öffentlichkeit eine unbedingt anzustrebende Sachlichkeit wieder zu erreichen. Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange zum jetzigen Zeitpunkt würde auch allen die Möglichkeit bieten, sich zum Verfahren zu äußern.

Weitere Anmerkungen die einer zusätzlichen Untersuchung bedürfen, sind:
- die jetzt noch im Planungsprozess befindlichen Bereiche befinden sich direkt (Stadtwald) und im Nahbereich (Schälker Heide) der Kranichzugroute. Nach Auskunft der LAG der Vogelschutzwarte fliegen die Kraniche bei schlechter Sicht und Witterung durchaus nur in einer Höhe von 100 – 200 m, d.h. im Wirkungsbereich der Anlagen.
- dem Hinweis auf einen Milanhorst in der Schälker Heide ist nachzugehen.

Fazit:
Die Mitglieder / Mitstreiter des Umweltbeirates appellieren an die Ratsvertreter in den politischen Entscheidungsgremien (Ausschüssen und Rat) unseren Vorschlägen zu folgen, das Verfahren jetzt nicht zu beenden und mit der gebotenen Sachlichkeit unter Einbeziehung aller sachlichen, rechtlichen und sonstigen Vorgaben, Anregungen und Bedenken fortzuführen, damit dann eine sachgerechte Abwägung und Entscheidung möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen

gez.
J. Peucker, H. Kirchheiner, P. Bunge, S. Franke (NABU)
Kl. Stinn, H.J. Rochau (BUND)
F. Schröder (LNU / SGV, Vors. Landschaftsbeirat)
H. Kahlert, M. Kettler, W. Höll (SGV)
Dr. G. Abrath (ev. Kirchenkreis)
Dr. W. Bleicher, H. Kraus (Heimatbund)"

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

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