Sozialleistungsmissbrauch durch die Träger von 1-Euro-Jobs
Mit einem vernichtenden Urteil bei der Bewertung von Ein-Euro-Jobs meldete sich der Bundesrechnungshof am 15.11.2010 erneut mit einem 46 Seiten starken Bericht zu Wort. Der Bericht ist unter der Adresse
http://www.lag-arbeit-hessen.net/fileadmin/user_upload/BRH_Pruefbericht_AGH_2010_1110.pdf
nachzulesen.
Demnach lagen bei 62 % der geprüften Arbeitsgelegenheiten die Voraussetzungen für eine finanzielle Förderung überhaupt nicht vor. Am häufigsten bemängelten die Prüfer, fehlte es an der gesetzlich vorgeschriebenen „Zusätzlichkeit“ oder der erforderlichen „Wettbewerbsneutralität der Arbeiten“.
Nach wie vor nutzten Städte, Kirchen und soziale Einrichtungen solche billigen Arbeitskräfte missbräuchlich dazu, eigene reguläre Pflichtaufgaben zu erfüllen oder die eigenen Einrichtungen zu pflegen und zu unterhalten, so der Vorwurf des Bundesrechnungshofs.
Die Kosten der Grundsicherungsstellen für Arbeitsgelegenheiten in der Variante mit Mehraufwandsentschädigung (sog. 1 Euro-Jobs) beliefen sich im Jahr 2008 auf rund 1,03 Mrd. Euro, weitere rund 371,5 Mio. für Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante. Davon verwandten sie rund zwei Drittel für den „Aufwandsersatz“ der Maßnahmeträger. Lediglich ein Drittel kam den zugewiesenen Hilfebedürftigen in Form von Mehraufwandsentschädigungen unmittelbar zugute.
In rund 40 % der überprüften Fälle lag der Zuweisungsentscheidung keine erkennbare Eingliederungsstrategie zu Grunde und bei 38% hatten die Integrationsfachkräfte kein Ziel der Maßnahme dokumentiert. Die Zuteilung erfolgte zumeist willkürlich und berücksichtigte die konkreten Förderbedarfe der Betroffenen nicht.
Im Weiteren rügten die Rechnungsprüfer, dass die Grundsicherungsbehörden in rund 81 % der Stellen von einem Abgleich der tatsächlich ausgeführten Tätigkeit und der genehmigten Maßnahmebeschreibung absahen, sodass die Träger die kostenlosen Arbeitskräfte nach eigenem Ermessen einsetzen konnten.
Dann bewertet der Bundesrechnungshof einige konkrete Einzelfallbeispiele:
„Unsere Feststellungen zeigen, dass sich die den zugewiesenen Hilfebedürftigen übertragenen Tätigkeiten meist nicht oder nur schwer von den Aufgaben des Stammpersonals des jeweiligen Maßnahmeträgers abgrenzen lassen. So führten die in Beispiel 1 genannten Hausmeistergehilfen ebenso wie die hauptamtlichen Hausmeister überwiegend Arbeiten aus, die dem Erhalt der Gebäude und Anlagen und damit dem allgemeinen Geschäftsbetrieb der kommunalen Einrichtung dienten.
Sie führten somit Aufgaben aus, die die Maßnahmeträger sonst regelmäßig
von regulär beschäftigtem Personal verrichten lassen.“
Neben der zunächst festgestellten missbräuchlichen Vergabe von 0-€-Arbeitskräften, kassieren die Träger zusätzlich für die „Verwaltung der Arbeitslosen“ kräftig ab.
Nach der Förderstatistik der BA fielen bei einem Teilnehmerbestand von durchschnittlich 239 007 Hilfebedürftigen 361 Euro je Teilnehmer und Monat Steuergelder an, davon 124 Euro für die 1-Euro-Jobber und 237 Euro für den Träger.
„Da die Förderung gesetzlich nicht gesondert geregelt ist, sondern im Ermessen der Grundsicherungsstellen liegt, tragen die Grundsicherungsstellen die alleinige Verantwortung für eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Haushaltsmittel.“
Nach Recherchen von Monitor, Frontal21, Report Mainz u.a. wurden bei einzelnen Trägern monatliche Gelder bis zu 800,00 € pro Teilnehmer und Monat verschoben.
Solch willkürliche Festsetzung der Höhe der Maßnahmekostenerstattung entspricht nach Auffassung des BRH nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, weil sie das Eigeninteresse und die Einnahmen der Maßnahmeträger begünstigt. Der tatsächliche Aufwand der Maßnahmeträger bleibt ungeprüft.
Um solche Mitnahmeeffekte zu unterbinden, schlugen die Rechnungsprüfer vor, die Maßnahmeträger endlich streng zu kontrollieren, die unseriösen Job-Angebote zu unterbinden und die Maßnahmekosten für die Träger drastisch zu reduzieren und auf die tatsächliche Aufwandsentschädigung zu begrenzen.
Eine weitere Nuance des Missbrauchs von 1-Euro-Jobs hat der BRH in seiner Berichterstattung unberücksichtigt gelassen: Die Sanktionierung von Erwerbslosen durch Weigerung der Teilnahme an solchen rechtswidrigen Maßnahmen.
Für den Bereich der ARGE Märkischer Kreis bekundet der Verein aufRECHT e.V., Am Bilstein 10-12, 58636 Iserlohn, aufrechtev(at)gmx.de Interesse an Material über Erfahrungen mit 1-Euro-Massnahmen.
Bei Zusendung von Briefen und Mail wird um Hinweis gebeten, ob die Erfahrungsberichte in anonymisierter Form veröffentlicht werden dürfen oder nur zur internen Kenntnis gegeben werden.
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass gerade auch positive Rückmeldungen gern zur Kenntnis genommen werden.
Zum Schluss einige Auszüge aus dem Tagebuch eines 1-Euro-Jobbers:
Vertrag
„Der § 4 Qualifizierung gefiel mir besonders gut. Man kann nicht nichts lernen. Der kluge Mensch lernt überall dazu. Ich war neugierig, was es für mich zu lernen gab.
Als mir der endgültige Vertrag vorgelegt wurde, war der § Qualifizierung allerdings ersatzlos gestrichen. Vermutlich war der nur für die Abrechnung wichtig.“
„Die Betreuung beschränkte sich auf die Überwachung meiner Anwesenheit. Als Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt wurde mir die Nutzung einer Stechkarte zur Pflicht gemacht. Die auszuführenden Hausmeistertätigkeiten waren allesamt notwendig und erfüllten keineswegs den rechtlichen Anspruch der Zusätzlichkeit.“
Als Antwort der Fallmanagerin der ARGE MK auf die vorgebrachten rechtlichen Bedenken gegen diesen 1-Euro-Job hieß es nur:
„Sie können 30 Stunden arbeiten.
Sie werden 30 Stunden arbeiten.
Sonst werden Sie sanktioniert.“
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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