Sozialleistungsbetrug
So spüren die Daten-Fahnder der Jobcenter schwarze Schafe auf
In einem Artikel vom 01.06.2019 tritt der FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer mit der Behauptung auf, dass allein im vergangenen Jahr 88.000 Fälle von Hartz IV Missbrauch ermittelt werden konnten.
In seinem Artikel benennt er einige Beispiele von strafbewährtem Fehlverhalten. Dass zeitgleich Millionen von Leistungsberechtigte unter Generalverdacht gestellt werden, begegnet offensichtlich keinen rechtlichen Bedenken. Dabei stellt die rechtsgrundlose Unterstellung strafbarer Handlungen bereits den Straftatbestand der „Falschen Verdächtigung“ § 163 StGB dar. In einem „Rechtsstaat“ wie Deutschland sind solche Maßnahmen gegen Superreiche undenkbar. (Die haben Geld für teure Anwälte.)
Was aber ist von einer Gesetzgebung zu halten, die nur stichprobenartig Steuerhinterziehern nachforscht, die Gesamtheit der Leistungsberechtigten aber als Sozialleistungsbetrüger unter Generalverdacht stellt?
70 Jahre Grundgesetz, gute Ansätze, aber . . .
Bereits die Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden lässt erkennen, dass Anzeigen gegen Sozialleistungsbezieher schnell aufgegriffen werden. Aus einigen mir bekannten Fällen weiß ich, dass die Staatsanwaltschaften Hagen und Arnsberg ohne selbstständige Ermittlung der Sachverhalte und auch Richter unter Nichtbeachtung von entlastenden Beweismitteln und Zeugen, den Strafanzeigen des Jobcenters einfach blindlings gefolgt sind. – Ohne Rechtsbestand wären viel mehr rechtsgrundlos Angeschuldigte unschuldig verurteilt worden. Aber Rechtsverteidigung kostet Geld.
Art 3 GG
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Sozialleistungsbetrug durch Jobcenter
Über eine ernsthafte Strafverfolgung gegen Jobcenter liest man so gut wie nichts. Allerdings wird nach der Definition von Betrug (263 StGB) schnell klar, dass die Verweigerung von Existenzsichernden Leistungen durch Vortäuschung falscher Tatsachen durchaus als Sozialleistungsbetrug gewertet werden müsste. Als verbindliche Rechtsgrundlage für Jobcenter-Mitarbeiter gilt:
SGB I § 17 Ausführung der Sozialleistungen (1)
Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass
1. jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,
Dazu gehören Gesetzesänderungen, die die Leistungsberechtigten begünstigen. Dazu gehörte z.B. eine Veränderung der angemessenen Wohnungsgröße um 5 m², die ab dem 01.01.2010 in Kraft trat. Aber trotz Gesetz und Verpflichtung an die Leistungsträger wurde per Ministerial-Erlass verfügt, Leistungsansprüche für das Jahr 2010 nur denjenigen zukommen zu lassen, die Ihre Rechte einforderten, bzw. deren Bescheide noch nicht rechtskräftig geworden waren.
Trotz Rechtsanspruch und eindeutigem Gesetz setzte das Jobcenter Märkischer Kreis in Zusammenarbeit mit dem Sozialgericht Dortmund und dem Landessozialgericht NRW durch, dass ein Kläger für das Jahr 2010 um 580,80 € betrogen wurde.
Ein weiteres gravierendes Beispiel fälschlich behaupteten Sozialleistungsbetrugs wurde vor dem Amtsgericht Iserlohn verhandelt. Das Jobcenter Märkischer Kreis musste nach gründlicher Durchsicht der Leistungsakte anstelle einer Forderung von 954,00 € Nachzahlungen in Höhe von 3.572,30 Euro an die zu Unrecht Angeschuldigte leisten. Schlampige Arbeit der Jobcenter-Mitarbeiterin konnte nachgewiesen werden.
Unstrittig ist, dass es Sozialleistungsbetrug gibt. Aber vor dem Hintergrund der vorgenannten Beispielklagen, wage ich anzuzweifeln, dass es sich bei allen genannten 88.000 Fällen um tatsächlichen Hartz IV Missbrauch handelt. Kompetente anwaltliche Vertretung würde wohl in vielen Klagen, die Unschuld und eine Menge Behördenversagen enttarnen.
Sanktionsstatistik der Bundesagentur
Zur Manipulation der Öffentlichkeit gehört auch, dass z.B. die Sanktionsstatistik der BA alle verhängten Sanktionen erfasst, aber keine Bereinigung vorgenommen wird, wenn Sanktionen zurückgenommen werden mussten, weil sie zum Beispiel einer gerichtlichen Prüfung nicht standgehalten hatten.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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