Schlechte Gesetze provozieren Wut und Verzweiflung
Nach dem tödlichen Zwischenfall in einem Frankfurter Jobcenter im Mai 2011 meldete sich der Geschäftsführer der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Reiner Wendt, mit scharfer Kritik zu Wort und wies auf die deutliche Zunahme von zum Teil lebensgefährlichen Auseinandersetzungen in den Jobcentern hin. Als eine der Hauptursachen benannte er die Hartz IV-Gesetzgebung, wobei er einen möglichen Ausweg vorgab:
„Diese Probleme kann der Gesetzgeber zumindest mildern, wenn er endlich vernünftige Gesetze machen würde“. […]
„Rund 180.000 Klagen gegen Entscheidungen zeigen doch deutlich, dass da dringender Handlungsbedarf besteht. Wenn die Menschen das Handeln der öffentlichen Verwaltung nicht verstehen können und es gleichzeitig um ihre Existenz geht, dann sind Kurzschlusshandlungen aus Wut und Verzweiflung eben alles andere als unvorhersehbar.“
Der Artikel zitiert außerdem den Vizevorsitzenden der Komba-Gewerkschaft, Ulrich Silberbach. Auch er erkennt Ablehnungbescheide in den Hartz IV-Verfahren bei den zunehmenden Angriffen auf Beschäftigte der Sozialbehörden als ursächlich.
„Die Gesetzesmaterie ist viel zu kompliziert und häufig auch nicht einsehbar. Die hohe Erfolgsquote bei Widersprüchen und Klagen vor Gericht zeigt eindeutig, dass der Gesetzgeber jetzt endlich handeln muss“.
http://www.dpolg.de/front_content.php?idcatart=1095&lang=1&client=1
Die Schlechtleistung der Gesetzgeber ist offensichtlich. Die größte Klagewelle in Deutschland ist dem Existenzkampf der sozial Schwachen geschuldet. Allein das Berliner Sozialgericht verzeichnete im letzten Jahr einen Zugang von 32.000 Klagen. Das entsprach nach Aussage der Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma einem Zuwachs von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
„An der Nordsee folgt auf Flut die Ebbe. Am Sozialgericht Berlin steigt die Klageflut Tag und Nacht“, erklärte die Präsidentin.
Dabei geht etwa jede zweite Klage zugunsten von Hartz-IV-Bezieher aus.
„Die Hartz-IV-Klagewelle ist keine Wutwelle“, betont Sabine Schudoma ausdrücklich. Am Gericht entlade sich keine allgemeine Empörung, sondern es gehe um konkrete Ansprüche.
Etwa 50% der Klagen werden zugunsten der Erwerbslosen beschieden.
Dieses Ergebnis ist besonders katastrophal, wenn man bedenkt, dass jede Klage bereits die „dritte Kontrollinstanz“ ist. Eine wahre Flut fehlerhafter Bescheide wird bereits korrigiert, indem die Erwerbslosen die Sachbearbeiter auf Fehler persönlich hinweisen. Erst wenn die aufgezeigten Fehler ausdrücklich nicht behoben werden sollen, greift das Mittel des Widerspruchsverfahrens als zweite Instanz der „Qualitätssicherung“. Und auch nach fünfeinhalb Jahren Hartz IV sind viele Juristen in den Widerspruchstellen nicht in der Lage rechtskonform zu entscheiden, so dass die Sozialgerichte zum Handeln gezwungen werden. 50% sind selbstredend.
Jetzt wird deutlich warum die Präsidentin sich für weitere Reformen aussprach, um der Klageflut Herr zu werden. Sie vertritt die Ansicht, dass die Gerichtsgebühr für Jobcenter wieder eingeführt werden müsse, um den Behörden „einen „wirkungsvoller Anreiz“ zur außergerichtlichen Einigung“, zu geben, meinte Schudoma. Für jedes Verfahren am Sozialgericht mussten die Jobcenter bis Mitte 2006 noch 150 Euro zahlen.
http://www.morgenpost.de/berlin/article1506914/Hartz-IV-Klagen-steigen-noch-mal-um-20-Prozent.html
Vor dem Hintergrund solchen Verwaltungshandeln, ist es unannehmbar, dass Erwerbslose sich zusätzlich gegen Sanktionen, Strafanzeigen, Hausverbote im Amt und Hausbesuchen in der persönlichen Privatsphäre zur Wehr setzen müssen.
Unabhängige Beratung kann helfen.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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