Sanktionsgrund: "Meldeverstöße"

Verstöße gegen Meldepflichten sind laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit der Hauptgrund für Sanktionen gegen ALG II-Bezieher.

„In 67,9 Prozent und damit etwas mehr als zwei Dritteln der Fälle haben Hartz-IV-Bezieher etwa Beratungsgespräche unentschuldigt geschwänzt und wurden dafür bestraft. Der Anteil der Meldeverstöße an den Sanktionsgründen ist damit weiter gestiegen - im Jahr 2011 machten diese 64,7 Prozent aus, 2010 noch 60,9 Prozent und 2007, dem ersten Jahr der Statistik, 53,7 Prozent.“
mz-web.de

Beispiele aus der Alltagspraxis der Jobcenter könnten helfen zu verstehen, wie solche Meldeverstöße konstruiert werden, um Leistungsberechtigte zu sanktionieren. Aber zum noch besseren Verständnis der Sanktionspraxis ist vielleicht die Übertragung auf ein aktuelles Fallbeispiel aus der Politik doch anschaulicher:

Am 09.10.2012 vermeldete die BZ Online:
SPD-KANZLERKANDIDAT - Steinbrück schwänzte Bundestag für Reden

Und der Untertitel präzisiert:
Abgeordnetenwatch.de: Steinbrück schwänzte dreimal Bundestag, um bezahlte Reden zu halten.
bz-berlin.de

Diese drei Fehlzeiten bei Plenarsitzungen werden von www.Abgeordnetenwatch.de präzise dokumentiert:
Am 21.01.2010 tritt Steinbrück als Gastredner bei einer Abendveranstaltung des Bielefelder Unternehmens EK/Servicegroup auf.
Am 23.04.2010 hoffiert der Vortragsreisende im Rosengarten Mannheim beim 22. Finanzsymposium als Gastreferent der Beratungsgesellschaft Schwabe, Ley & Greiner aus Wien
Am 23.02.2011 spricht Steinbrück als Redner im Frankfurter Steigenberger-Hotel bei einer Konferenz für Immobilieninvestoren.

Im Fall eines beliebigen Erwerbslosen D.P.S., der sich in ähnlicher Weise geweigert hätte seine Pflichttermine wahrzunehmen, griffe sofort die Sanktionsroutine der Jobcenter in voller Härte durch:
In einer formellen Anhörung zum Vorfall vom 21.01.2010, hätte der Betroffene versuchen können sein Verhalten zu begründen. Für gewöhnlich heißt der ablehnende Textbaustein regelmäßig:
„Diese Gründe konnten jedoch bei der Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig im Sinne des § 31 Absatz 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden.“

Dann wäre die Sanktion in Höhe von 10% der Sozialleistung für drei Monate vollstreckt worden. Bereinigt man analog dazu die fast 8.000 € der Diäten großzügig um die Miete und die Sozialabgaben so beliefe sich das Bußgeld bei Steinbrück auf ca. 500,00 € in den Monaten März, April und Mai 2010.

Mit dem weiteren Meldeverstoß am 23.04.2010 kam es zu einer Fortführung der Sanktionszeiträume für Juni, Juli und August.

Aufgrund uneinsichtigen Verhaltens am 23.02.2011 wären auch für die Monate April, Mai, Juni 2011 zu 10%igen Kürzungen vollstreckt worden.

Erschwerend kommt nun für den Erwerbslosen P.S. hinzu, dass er rechtswidriges Einkommen erworben hat und dieses nicht auf seine Sozialleistungen angerechnet wurde. Somit kam es zu einer Überzahlung der Diäten. Mit Änderungsbescheiden mussten die Diäten neu berechnet werden und die Überzahlungen sind im Interesse der Steuerzahler zurückzufordern.

Dieser aufgeflogene Sozialleistungsbetrug wird dann der Staatsanwaltschaft angezeigt und als Betrugsdelikt strafrechtlich verfolgt. Vorsatz muss hier vermutet werden.

Bloß gut, dass vor unserem Gesetz alle Menschen gleich sind.

Ps. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Peer Steinbrück sich in der Sitzung am
Namentlich für die Beibehaltung des Sanktionsparagrafen gegen Hartz IV-Bezieher ausgesprochen hat.

Die Einen fördern und die Anderen fordern . . .

Durchführungshinweise der BA zu Sanktionen

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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