Reaktionen: Sarrazin beschäftigt auch die STADTSPIEGEL-Leser
Der Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin hat nun die Konsequenzen gezogen und und um seine Entlassung gebeten.
Dies geschah im Hinblick auf die öffentliche Diskussion, die Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ ausgelöst hat. Dort stellt der 65-Jährige Thesen zum Zusammenleben von Deutschen und v.a. muslimischen Migranten auf.
Bereits zum Monatsende will Sarrazin die Zusammenarbeit mit der Bundesbank beenden. Die Trennung erfolge einvernehmlich. Somit kam Sarrazin einer Entscheidung von Bundespräsident Christian Wulff zuvor.
Offen ist noch das Verfahren eines Parteiausschlusses.
Zurücknehmen will Thilo Sarrazin seine umstrittenen Äußerungen aber offenbar nicht. Vielmehr entbindet ihn das Ausscheiden aus dem Bundesbankvorstand vom Verhaltenskodex der Zurückhaltung.
Zum Thema „Sarrazin“ erreichten uns auch viele Reaktionen von STADTSPIEGEL-Lesern:
"Ich möchte mich ganz kurz zu Wort melden. Ich bin zwar kein politisches Ass, aber soviel weiß ich doch: Frau Kraft (SPD) hat nicht das Recht, Herrn Sarrazin zu verdonnern. Ich sage: Frau Kraft lebt nicht unter Ausländern, aber wir Bürger schon!
Ich kann ein Lied davon singen. Er hat nicht die Ausländer beleidigt, sondern nur die Tatsachen geschildert, wie es hier aussieht.
Die Ausländer sagen uns ja selber: Wir überrennen euch sowieso ...
Mein Sohn war 9 Jahre in Kanada, bis er bei einem Überfall zusammengeschlagen wurde (Schädelbasiszerspitterung und die Sprache verloren). Jetzt lebt er hier schon 20 Jahre und wird nicht als Deutscher anerkannt. Bekommt nicht einen Cent Sozialunterstützung, lebt von seinem selbst ersparten. Jetzt frage ich, Frau Kraft: Haben die Ausländer auch alle Geld mitgebracht, wenn sie hier krank werden?
Er hat noch den kanadischen Pass. Ich beantrage jetzt für ihn die deutsche Staatsangehörigkeit! Nur um eine Verlängerung des Passes, nur einen Stempel für weitere zwei Jahre, zu bekommen, muss ich bis nach Lüdenscheid, laufe 6 bis 7 Wochen hinterher. Es ist nicht zu fassen, wie man mit uns Deutschen umgeht.
Ich habe schon zum Bürgermeister gesagt, manchmal möchte ich lieber ein Ausländer sein! Die Ausländer sollten dankbar sein, hier in Deutschland leben zu können. Aber das Gegenteil ist der Fall." Elfriede Preiß, Hemer.
"Herr Sarrazin hat sich vor einiger Zeit äußerst provokativ und negativ über Hartz IV-Empfänger geäußert. Komischerweise gab es da nicht mal ein Zehntel an Aufstand wie jetzt.
Ich bin absolut kein Fan von Herrn Sarrazin, aber in diesem Fall hat er zumindest in vielen Punkten Recht. In meinem Bekanntenkreis sind auch Ausländer, und nur wenige Muslime sind bereit, sich zu integrieren. Viele erwarten die Integration von uns? Wir werden oft als Ungläubige angegriffen - habe ich selbst schon erlebt, weil ich ein Kreuz trage. Dass die Integration fehlgeschlagen ist, dürfte ja wohl ein „offenes Geheimnis“ sein. Sicher ist manches populistisch, was Herr Sarrazin anführt, aber im Kern hat er mal die Wahrheit auf den Tisch gebracht.
Jeder, der auch nur ansatzweise etwas gegen Ausländer sagt, wird doch gleich in die in die 'völkische Ecke' gestellt. Da sind wir gleich abgestempelt! 'Wer in Rom lebt, hat sich wie ein Römer zu benehmen.' Das heißt, das auch wir verlangen können, dass unsere abendländische Kultur, Lebensweise, Religion und Gesetze geachtet werden müssen!
Sollte Herr Sarrazin durch seine persönliche Meinungsäußerung seine Arbeit bei der Bundesbank und in der Partei verlieren, muss ich die Frage stellen; Wo bleibt das gesetzlich verankerte Rechte der freien Meinungsäußerung in Deutschland?
Sind wir schon so weit, dass wir nur noch 'Linientreue' sein müssen?
Ein Ansatz, über den wir wohl mal dringendst nachdenken sollten!" Anne Sadlowski, Hemer.
"Ein heikles Thema, muslimische Migranten.
Man ist nicht ausländerfeindlich, wenn man über bestehende Probleme spricht. Denn nur so werden sie aus der Welt geschafft. Unsere Politiker haben gut reden, sie leben abgeschottet in noblen Wohngegenden, haben keine Ahnung, was in den Städten los ist. Ihre Kinder besuchen keine Schulen, in denen zwei Drittel der Schüler kaum Deutsch sprechen, den Schulabschluss nicht schaffen und weniger Berufschancen haben. Da muss endlich was getan werden, das gilt für beide Seiten, denn nur so können wir in Frieden miteinander leben. Ich frage mich, warum Muslime ihre Heimat verlassen, um in der Fremde unter Andersgläubigen zu leben? Dafür muss es doch einen Grund geben. Wer Kritik übt, sollte auch Kritik vertragen können. Das ist meine Meinung, und ich glaube, dass viele Menschen so denken." Waltraud Bödingmeier, Iserlohn
"Ein paar kurze Anmerkungen zu Ihrer Frage: „ Hat Sarrazin Recht?“ Das kann ich Ihnen nicht sagen; ich habe das Buch nicht gelesen und bin weitgehend ein Tatsachenmensch. Mich wundert, wie eilfertig, wie erschreckend vorschnell sich Politiker von Grünen, CDU und SPD dazu äußerten. Für andere gilt das ebenso. Ich vermisse bis heute eine intensive, vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit den Thesen des Buches. Statt dessen Polemik, inszeniertes Gekränktsein, Gefühle, die als Tatsachen ausgegeben werden, Schutzreflexe. Die Frage, ob das Verhalten von Menschen genetisch (biologisch) oder kulturell (gesellschaftlich) 'disponiert' ist, ist eine rein wissenschaftliche - genauer: naturwissenschaftliche. Sie wird interessegeleitet in den Bereich des Politischen hineingezogen, sogar zur moralischen Frage hochstilisiert. In beiden Bereichen hat sie nicht zu suchen. Der Frage selbst liegt eine Antithese zugrunde (Biologie gegen Kultur), die zu begründen wäre.
[...]Hier herrscht auch in der medialen Vermittlung von Nachrichten (Fernsehen) eine Parteilichkeit vor, die jede Distanz vermissen lässt.
Was mich stört: Das man ein Buch von 464 Seiten bei der Wahrnehmung und Bewertung auf ganz wenige Thesen reduziert. Dass man sich zu komplexen Fragen in der Wissenschaft äußert - obwohl man weder Biologe noch Humangenetiker ist.
Frau Künast bezeichnet Herrn Sarrazins Äußerungen als 'hanebüchen', andere (Gabriel, Merkel) als 'Unsinn'. Vielleicht sind sie es, vielleicht teilweise. Vielleicht sind es auch Äußerungen über ihn. Nur, wissen Sie, der Un-Sinn, das vorläufig Richtige oder für wahr Gehaltene wurde auch unter Beanspruchung von Wissenschaftlichkeit oft genug in der Geschichte verbreitet. Das ist möglicherweise töricht, aber gehört zur ‚condition humaine‘, ist weder schlecht noch böse. Konfuzius nannte den Menschen einen 'ständig aufgegangenen Fall'. Der Irrtum begleitet die Erkenntnisgeschichte, und nur in seinem Erkennen mutiert bisherige Annahme zu besserer Einsicht.
Wenn aber jemand - dies sei hypothetisch unterstellt - wie Herr Sarrazin möglicherweise - wie Tausende vor und ebenso viele nach ihm - lediglich irrt, warum dann die Rigorosität des Urteils von politischer Stelle, die Behandlung wie (in frühen Zeiten) als Ketzer, warum die Forderung nach Berufsverbot?"
Michael Teipel, Iserlohn
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Autor:Melanie Giese aus Recklinghausen |
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