Iserlohner Dorfrecht, oder Wilhelm Tell, der Hut auf der Stange
Prozessbericht zum zweiten Corona-Verfahren vor dem AG Iserlohn
Am 20.08.2020 fanden die ersten acht Verfahren gegen Corona-Bußgeldbescheide vor dem Amtsgericht Iserlohn statt. Den Vorsitz führte Richter Dr. Martin Ozimek.
Eine erste ausführliche Berichterstattung von Miriam Mandt-Böckelmann (IKZplus) gab einen guten Einstieg in die Thematik.
„Wer, wann, wo, mit wem und - ganz besonders - mit wie vielen? -auf diese Fragen galt es für Richter Dr. Martin Ozimek am Donnerstag in acht Fällen eine Antwort zu finden. Damit wurde vor dem Amtsgericht Iserlohn erstmals ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung verhandelt. Viele weitere werden folgen: Denn bis zu diesem Zeitpunkt hat das Iserlohner Ordnungsamt rund 500 Verstöße gegen Abstands-, Hygiene-und Versammlungsregeln festgestellt.“
Völlig unzureichend berücksichtigt wurden die massiven Eingriffe in die Grundrechte der Bürger im Verhältnis zu der vorrangig behaupteten Zielsetzung, nämlich dem Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO), wie sie in einer sich häufenden Rechtsprechung höherer Gerichte zum Tragen kommt.
Bereits am 08.07.2020 hatte ein Artikel von Tim Gelewski (IKZ) „77.000 Euro Bußgelder wegen Corona“ über Auswüchse mit Bußgeldern in Iserlohn berichtet, die auf die kurzlebige Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 22.03.2020 gestützt wurden.
Einige überprüfbare Fakten vorweg
In der Stadt Iserlohn leben ca. 94.372 Personen (Stand: 31.12.2019)
Als gemeldete Todesfälle weist die Stadt Iserlohn für 2017: 1.218 und 2018: 1.239 (Stand: 31.12.2018) Damit liegt die durchschnittliche Sterberate bei monatlich ca.102 Personen.
Die Statistikstelle der Stadt Iserlohn „Demographische Entwicklung Iserlohn 2009-2024“ (Mai 2010) zeigt in Abbildung 5-2: Geburten und Todesfälle in Iserlohn im Zeitraum 1995 – 2008. In allen Jahren werden über 1000 Todesfälle ausgewiesen.
Die in drei Monaten (28.02.2020 bis 08.05.2020) gemeldeten Todesfälle in Verbindung mit dem Corona-Virus in Iserlohn werden vom Gesundheitsamt mit 5 Personen ausgewiesenen. Darunter eine 80 Jahre alte Frau (09.04.2020), eine 86 Jahre alte Frau aus Iserlohn, ein 86-Jähriger starb in einer Klinik in Wuppertal (29.04.2020)
Seit Ausbruch der Pandemie zählt der gesamte Märkische Kreis 573 labor-technisch bestätigte Corona-Fälle. 119 Personen wurden bisher stationär behandelt, davon elf Patienten beatmet. 25 Personen sind im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben.
Stand: 28.08.2020: Iserlohn: 5 Tote, 203 Gesunde (gesamt) aktuell: 21 Infizierte, 145 Kontaktpersonen
Stand: 08.05.2020: Iserlohn: 4 Tote, 66 Gesunde (gesamt), aktuell: 28 Infizierte, 83 Kontaktpersonen
Die stationären Aufnahmen werden nicht genannt. Genannt werden Infiziertenzahlen. Die Zahl der ernsthaft Erkrankten liegt deutlich darunter.
come-on
Richter Ozimek: „Es geht hier nicht um Abstand!“
Zwei Personen gehen zusammen im Park, um das Wetter zu genießen und miteinander zu sprechen. Da fällt ein Jogger um.
„Zumindest für die junge Auszubildende im ersten Corona-Prozess der Stadt Iserlohn. Sie habe mit ihrem Lebensgefährten auf einer Bank am Seilersee gesessen, als es einem ihr unbekannten Jogger schlecht geworden sei, und dieser ebenfalls auf der Bank Platz genommen habe. „Wir wollten ihm nur helfen und haben gefragt, ob er etwas braucht', erinnerte sich die Auszubildende. Dann sei schon die Polizei gekommen und habe ihre Personalien aufgenommen. Den Einwand lässt Richter Ozimek nicht gelten: 'Sie hätten ja weggehen und einen Krankenwagen rufen können', stellt er fest.“
Miriam Mandt-Böckelmann - Urteile in ersten Corona-Prozessen
Strafgesetzbuch (StGB) § 323c
Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen
(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.
Versammlungsverbot ohne Not - Art 3 GG
Im zweiten Fall gehen auch zwei Personen spazieren im Park und setzen sich auf eine Mauer. Die „Zwei-Personen-Gruppe“ löst sich auf, eine „Bedarfsgemeinschaft“ bleibt zurück. Der Mann geht zu einem Kiosk in der Nähe und holt eine Flasche Bier für sich und ein Eis für die Begleiterin. Am Kiosk trifft der Mann auf einen Bekannten. Nun kehren sie als „Zwei-Personen-Gruppe“ in neuer Formation zurück. Auch diese Gruppe löst sich auf und der Erstgenannte überbringt der Begleiterin ein Eis. Dann wendet er sich ab, und geht zu dem Bekannten. Mit ihm bildet der Mann nur eine neue eigene „Zwei-Personen-Gruppe“.
Zwei Männer vom Ordnungsamt schreiten ein. Drei Personen sind eine Gruppe und der zur Wahrheit aufgeforderte Ordnungsamtsmitarbeiter will Bier gesehen haben. „Alle drei . . . „ – Na, mit der Wahrheit nehmen wir es nicht so genau . . . „Frau L. hat Bier getrunken.“ Richtig ist allerdings, dass der „Zeuge“ auch hier Unsinn von sich gibt, denn die Frau erklärt aufgrund einer Herzkrankheit überhaupt keinen Alkohol mehr zu trinken. Sie hatte ein Eis. Aber mindestens fünfmal gebraucht er in seiner Zeugenaussage das Wort: „Trinkgelage!“. Die Corona-Verordnung kennt nicht einmal die Vokabel Alkohol. Und: „Ich gehe davon aus, dass Sie sie miteinander gesprochen haben.“ Auch dem widersprach nicht nur die Frau. Die dritte Person war Ihr unbekannt, deshalb auch blieb sie für sich. Eben keine Dreiergruppe, nur noch Bedarfsgemeinschaft!
Und Abstand gehalten hatte sich auch. Sie bot Richter Ozimek ein Foto an, indem der Abstand mit Zollstock dokumentiert war. Dieser wollte es nicht ansehen.
Richter Ozimek: „Es geht hier nicht um Abstand!“ - Damit widerspricht er zwar offen der monatelangen gebetsmühlenartig wiederholten Polit-Beschallung, aber in seinem Gerichtssaal gilt die richterliche Unabhängigkeit. 100,00 € Ermäßigung wegen Hartz IV nennt er Entgegenkommen. Den Hinweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 828/20 vom 15.04.2020 zu einem Eil-Antrag gegen ein Versammlungsverbot ignoriert er, Die Urteilsbegründung auch.
""Eigentlich bin ich unschuldig“, beharrt die Frau. Das Urteil nimmt sie hin, sagt aber “Das ist ungerecht!“ Anstatt eines letzten Wortes (Das hätte ich fast vergessen ..."), reicht sie dem Richter ein Blatt Papier. Das Thema: Sind die Corona-Verordnungen ein verfassungswidriger Eingriff in die Grundrechte? Sie sieht es wohl - etwas spät - so. Mit der Frage musste sich auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einem Eilantrag beschäftigen. Das Ergebnis der Prüfung: Das Gericht konstatierte zwar einen massiven Grundrechtseingriff, erachtete diesen in der gegenwärtigen Lage als verhältnismäßig. Dr. Martin Ozimek lässt den Einwand der Frau nicht gelten und verweist zudem darauf, dass es sich um eine Entscheidung eines hessischen Gerichtes handle."
Miriam Mandt-Böckelmann - Urteile in ersten Corona-Prozessen
Hier ist ein kleine Unschärfe in der Berichterstattung für eine Journalistin ist verzeihlich. Nicht aber für einen Richter. Tatsächlich ignoriert Richter Ozimek die Argumentation aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, vom 15.04.2020 indem es gerade um eine Verordnung der Hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus geht.
Und anders als der Artikel vermuten lassen könnte, waren die verfassungsrechtlichen Anmerkungen und auch das überreichte Foto bereits in der Akte der Staatsanwaltschaft eingebracht worden.
Im Beschluss des BVerfG heißt es:
"Auf der Grundlage dieser unzutreffenden Einschätzung hat die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens Art. 8 Abs. 1 GG verletzt, weil sie verkannt hat, dass § 1 der Verordnung der Versammlungsbehörde für die Ausübung des durch § 15 Abs. 1 VersG eingeräumten Ermessens gerade auch zur Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit einen Entscheidungsspielraum lässt. Der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführersaus Art. 8 Abs. 1 GG konnte sie schon deshalb von vornherein nicht angemessen Rechnung tragen."
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Option der Rechtsbeschwerde möglicherweise gute Erfolgsaussichten.
Weitere Details werden noch weiter zusammengetragen unter:
https://www.beispielklagen.de/klage127.html
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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