Keine gute Fahrrad-Beurteilung für den Märkischen Kreis

Mit dem Fahrrad zur Schule ist in in Iserlohn nicht immer ganz einfach zu realisieren. | Foto: Christoph Schulte
  • Mit dem Fahrrad zur Schule ist in in Iserlohn nicht immer ganz einfach zu realisieren.
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Freitag war Zeugnistag – auch für deutsche Kommunen, deren
Fahrradfreundlichkeit beim ADFC-Fahrradklima-Test durch 79.000 RadfahrerInnen
beurteilt wurde. In der Bundeshauptstadt Berlin zeichneten ADFC und Bundesverkehrsministerium die Städte Münster, Erlangen und Bocholt in ihrer jeweiligen Größenkategorie als fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands aus.
RadfahrerInnen in den beiden größten märkischen Städten Iserlohn und Lüdenscheid können von solchen Bedingungen nur träumen: Mit einer Gesamtbeurteilung von „ausreichend“ (Iserlohn; 4,1) und „mangelhaft plus“ (Lüdenscheid; 4,56) landen die Städte abgeschlagen auf Platz 208 und Platz 250 von 252 ausgewerteten Städten ihrer Größenkategorie. Werner Kroll und Martin Isbruch vom ADFC Iserlohn und Märkischer Kreis wundert die schlechte Bewertung wenig, sehen jedoch aktuell echte Perspektiven für einen „Klimawandel“ in beiden Städten.
NRW-weit falle auf, dass Mitgliedsstädte der AGFS (Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte) meist deutlich besser abschneiden als Nichtmitglieder, erläutert Martin Isbruch, auch Mitglied des NRW-Landesvorstands. In der ebenfalls ausgelobten „Aufsteigerwertung“ finden sich gerade diejenigen Städte mit einer konsequenten Radverkehrsförderung an der Spitze. „Das hat Lüdenscheid leider jahrzehntelang verschlafen“, so Werner Kroll, 1. Vorsitzender des Kreisverbandes. Iserlohn hingegen habe sich nach einer ersten Hochphase der Radverkehrsförderung in den Neunziger Jahren zu sehr zurück gelehnt, befinde sich aber aktuell in der Erarbeitung eines neuen Radverkehrskonzeptes. „Einzelne Leuchtturmprojekte wie der Bahntrassenradweg oder die avisierte Lenneroute genügen nicht für ein gutes Fahrradklima“, begründet Kroll, warum Iserlohn trotz langjähriger AGFS-Mitgliedschaft eine solch wenig schmeichelhafte Bewertung durch die RadfahrerInnen erhält. In nahezu allen der 27 Fragen erzielt Iserlohn nur ein „ausreichend“ und liegt damit meist deutlich unter dem Bundesdurchschnitt und bei weitem hinter der Siegerstadt Bocholt. Im Vergleich mit dem Bundesmittel fallen jedoch einige Aspekte besonders auf: Während Iserlohn in Bezug auf Fahrraddiebstähle besser abschneidet, scheint besonders die Erreichbarkeit des Stadtzentrums und das zügige Fahren ohne große Umwege im Argen zu liegen. Werner Kroll: „Das bestätigt unsere Auffassung, dass die Stadtteile dringend besser miteinander verbunden werden müssen. Neben einer Attraktivierung der Baarstraße betrifft dies insbesondere die Anbindung von Drüpplingsen sowie die Verbindung von Iserlohn nach Letmathe.“
Besonders schlecht schneidet Iserlohn bei Maßnahmen der Stadtverwaltung und -betriebe ab: Der Winterdienst und die Überwachung von FalschparkerInnen auf Radwegen und Radfahrstreifen sowie die Abstimmung der Ampelschaltungen werden sogar mit „mangelhaft“ bewertet.
„Um so wichtiger, dass jetzt Bewegung kommt in die Ausgestaltung des neuen Radverkehrskonzeptes – Ziel muss sein, im nächsten Fahrradklima-Test ein Doppel-Plus in der Aufsteigerwertung zu erhalten“ fordert Kroll und stellt eine aktive Beteiligung des örtlichen ADFC in Aussicht. Als erste konkrete Maßnahme schlägt Martin Isbruch die kostengünstige Aufhebung der rechtswidrig verhängten Radwegebenutzungspflichten an einigen Stellen im Stadtgebiet vor: „Im Gegensatz zu vielen anderen NRW-Städten hat es die Stadt Iserlohn auch über zwei Jahre nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes noch nicht geschafft, die Benutzungspflichten zu überprüfen und einzustampfen. Der zuständige Mitarbeiter in der Verkehrsverwaltung verschleppt unsere Anfrage dazu bereits seit vielen Monaten.“
Insgesamt werden im Fahrradklima-Test 2012 deutlich schlechtere Beurteilungen
vergeben als bei der letzten Durchführung im Jahr 2005 (damals ohne Auswertung von Iserlohn und Lüdenscheid). Der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg erklärt dies durch ein stärkeres Bewusstsein für die Probleme von RadfahrerInnen: „Das Fahrrad steht zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit. Schlechte Bedingungen für den Radverkehr werden nicht mehr als normal und unveränderlich hingenommen. Radfahrer entwickeln ein neues Selbstbewusstsein und fordern ihre Rechte ein“, so Syberg bei der Präsentation des Fahrradklima-Tests am Freitag in Berlin (vgl. PM des Bundesverbandes).
ADFC NRW-Vorstandsmitglied Isbruch hierzu: „Klimawandel, steigende Benzinpreise und Gesundheitsbewusstsein bringen immer mehr Menschen auch im Alltag auf‘s Rad. Bundesweit hat der Radverkehr seit 2002 um mehr als 50% zugelegt, dem wurde in vielen Städten zu wenig Rechnung getragen. Zentral dabei ist die Anerkennung des Fahrrads als gleichberechtigtes Verkehrsmittel, wie es die StVO auch vorsieht.“
ADFC und Bundesverkehrsministerium bezeichnen in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung das Fahrradklima in Deutschland trotz der schlechteren Ergebnisse als „überwiegend heiter“. „In diesem Bild ziehen über den Märkischen Kreis noch dunkle Gewitterwolken“, so Werner Kroll, „aber ein kleiner Silberstreif am Horizont ist sichtbar, wir wissen: Dort wollen wir hin!“

Autor:

Rainer Tüttelmann aus Iserlohn

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