Jugendliche werden von Jobcentern sehr viel härter bestraft als Erwachsene

Bereits im Februar 2010 erschien ein Artikel von Joachim Wagner mit dem Titel „Kein Geld für die Briefmarke“ in dem Wochenmagazin DIE Zeit. Der Artikel ist heute aktueller denn je. Darin hieß es:

„Jugendliche werden von Arbeitsagenturen bei Fehlverhalten sehr viel härter bestraft als Erwachsene – die Kritik an der zweifelhaften Praxis wächst“

„Die Sanktionspraxis bei unter 25-Jährigen, wenn sie ihre Verpflichtungen gegenüber Jobcentern nicht erfüllen. Sie gerät zunehmend in die Kritik, weil sie pädagogisch fragwürdig, häufig rechtswidrig und vermutlich sogar verfassungswidrig ist. In Einzelfällen gefährdet sie sogar das Existenzminimum.
Während das Jugendstrafrecht das Ziel hat, Jugendliche und Heranwachsende milder und differenzierter zu bestrafen als das Erwachsenenstrafrecht, geht Hartz IV den umgekehrten Weg: Junge Erwachsene von 15 bis 25 Jahren werden härter sanktioniert als Erwachsene.“
DIE ZEIT, 25.02.2010 Nr. 09
http://www.zeit.de/2010/09/Jugend-Hartz-IV

Viele namhafte Persönlichkeiten und Sozialrechtler haben die Sanktionspraxis als verfassungswidrig eingeschätzt.

„Anlässlich einer Pressekonferenz zur Buchvorstellung „Als Kunde bezeichnet, als Bettler behandelt“ von Dr. Wolfgang Gern und Dr. Franz Segbers beim Diakonischen Werk Hessen Nassau bezeichnete heute der frühere Sozial- und Gesundheitsminister Heiner Geißler (CDU) das Hartz-IV-Gesetz als grundgesetzwidrig. Die Regelungen des Arbeitslosengeldes II und die Praxis der Jobcenter verstießen gegen den ersten Artikel des Grundgesetzes, wonach die Menschenwürde unantastbar sei. Hartz IV ermögliche kein menschenwürdiges Leben, sagte Geißler heute in Frankfurt am Main.

Die Jobcenter legten die Gesetze grundsätzlich zum Nachteil der Betroffenen aus, sagte Geißler. Wer sich ihren Anordnungen widersetze, dem werde der Regelsatz, für einen volljährigen Haushaltsvorstand 359 Euro im Monat, gekürzt. Die Kürzung einer Leistung unter die Höhe des Existenzminimums sei eine derart schwere Strafe, wie sie in einem Strafprozess kaum verhängt werde. Eine Strafe dürfe nämlich die Existenzgrundlage nicht entziehen.

Geißler bezeichnete das Hartz-IV-Gesetz als das «schlechteste Sozialgesetz», das es je in der Bundesrepublik Deutschland gegeben habe. Es sei erfolglos: Die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze habe seither nicht zugenommen. Geißler sagte «erhebliche soziale Unruhen» für den Fall voraus, dass die Arbeitslosigkeit steige und mehr Menschen unter das Hartz-IV-Gesetz fielen.“
http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/heiner-geiler-hartz-iv-ist-grundgesetzwidrig3114.php

Der Artikel von Joachim Wagner erschien nur wenige Tage nach der vernichtenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Hartv IV Regelsätze für Erwachsene und Kinder.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html

Aber anstatt der Menschenwürde zu neuem Recht zu verhelfen, wurden die Sanktionspraktiken weiter verschärft. Ob man dieser Regierung vorwerfen muss, dass sie das Grundgesetz und die Menschenwürde mit Füßen tritt?

Der ganze Artikel bleibt lesenswert. Es zeigt sich, dass der Autor seiner Zeit weit voraus gegriffen hat.

"Wenn Deine Regierung das Recht beugt: Sag, nein!"
(sehr frei nach Wolfgang Borchert)

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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