Jobcenter kürzen Hartz IV um bis zu 216 Euro
„Nach aktuellen Medienberichten verhängen Jobcenter immer empfindlichere Sanktionen.“
Dabei lagen die monatlichen Kürzungen der Betroffenen 2013 im Durchschritt bei 108,89 Euro für jeweils drei Monate. Bei einem Existenzminimum von 382,00 € (plus KdU) ein Existenzbedrohendes Strafmaß.
Die Medien berufen sie sich auf die Sanktionsstatistik der Bundesagentur für Arbeit.
Die Statistik zeigt, dass mehr als dreiviertel aller Sanktionen mit Meldeversäumnissen beim Träger und beim ärztlichen/psychologischen Dienst begründet werden:
Anzahl neu festgestellte Sanktionen
1. Weigerung Erfüllung der Pflichten der Eingliederungsvereinbarung
2. Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme
3. Meldeversäumnis beim Träger
4. Meldeversäumnis beim ärztlichen oder psychologischen Dienst
5. Verminderung von Einkommen bzw. Vermögen
6. Fortsetzung unwirtschaftlichen Verhaltens
Der überwiegende Teil solcher Termine wird von vielen Erwerbslosen eher als nutzlos und reine Zeitverschwendung empfunden. Zwar sollen Kunden in regelmäßigen Abständen vorgeladen werden, um über die Bewerbungsbemühungen zu reflektieren und sogenannte Eingliederungsvereinbarungen abzuschließen, diese ähneln allerdings zumeist Knebelverträgen und sind Grundlage vieler Sanktionen. Zudem wird oft in der Alltagspraxis der Jobcenter weder gesetzeskonform über Vertragsinhalte verhandelt, noch werden die Wünsche der Kunden ausreichend berücksichtigt.
Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hatte eine „Unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zur Erforschung der Ursachen und Auswirkungen von Sanktionen nach § 31 SGB II und nach dem SGB III in NRW“ in Auftrag gegeben. Der kürzlich veröffentlichte Endbericht zeigt, dass Sanktionen die Zusammenarbeit zwischen Kunden und Jobcentermitarbeitern belasten.
Security statt vertrauensbildender Massnahmen
In der letzten Zeit ist zu beobachten, dass immer mehr Jobcenter dazu übergehen, ihren Mitarbeitern Deeskalations-Programme anzubieten und die Räumlichkeiten von Sicherheitsleuten bewachen zu lassen.
Leistungsverweigerung, Sanktionen und Bevormundung treffen auf zunehmende Verarmung und Perspektivelosikeit. Die Angebote der Vermittlung in manchen Jobcentern bestehen zu 70-80% aus Zeitarbeit und Minijobs. Damit bleibt die dauerhafte Abhängigkeit von den Sozialbehörden „sichergestellt“.
„Hochsicherheitstrakt Jobcenter“
Auch die Abschottung der telefonischen Erreichbarkeit der Jobcentermitarbeiter lässt nicht Gutes erahnen. Während es in Behörden und Verwaltungen im Sinne der Kundenfreundlichkeit üblich ist, telefonisch erreichbar zu sein, zeigt die aktuelle Entwicklung bei Jobcentern, dass hier nicht im Sinne der Kunden gedacht wird.
Und auch das Argument des Mitarbeiterschutzes greift nicht. Letztendlich ist ein emotional geladener Kunde im Büro eine größere Gefahr für einen Mitarbeiter, als ein schreiender am Telefon.
Der deutschlandweit anerkannte Referent für Arbeitslosen- und Sozialrecht Harald Thomé hatte 150 Telefon-Listen verschiedener Jobcenter zusammengetragen und veröffentlicht. Dafür wurde er samt seiner Familie seitens einiger Geschäftsführer dermaßen bedroht, das er sich zur Einstellung seines Projektes gezwungen sah. In seiner Ausstiegserklärung legt er seine Gründe dafür nieder.
Die zunehmende Aggression gegen Jobcentermitarbeiter lässt sich durchaus mit Sanktionen und Leistungsverweigerungen in Verbindung bringen.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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