Im Zweifel für das Jobcenter

„Selbstanzeige“ schützt Steuerhinterzieher vor Strafen. Bei Hartz-V-Empfängern werden schon 300 Euro überzahlte Leistung als „Betrugsversuch“ gewertet.“
taz

Hartz IV wird zu einem Prüfstein der Rechtsstaatlichkeit. Wohlstandskriminalität oder Existenzsicherung? Kriminelle Energie oder Existenzangst? Unschuldsvermutung oder Vorverurteilung? Bagatellstrafen oder lebensbedrohliche Geldbußen tief unter das Existenzminimum.

„Wenn es um Hartz-IV-Empfänger geht, herrscht bei vielen Staatsanwälten und Richtern eine Vorverurteilungsmentalität, die ist manchmal schon unerträglich“, sagt Peter Deutschmann, auf Sozialleistungsbetrug spezialisierter Anwalt in Berlin. Die Jobcenterwählten im Zweifelsfall „immer die schlechteste Auslegung“ zuungunsten der Hartz-IV-Empfänger.“

Ein eklatantes Beispiel eines völlig überzogenen Urteilspruches hatte das Amtsgericht Haßfurt am 05.09.2012 gesprochen (Az. 1 Ds 2106 Js 735/12), als eine Frau Erwerbseinkommen in Höhe von 1.500,00 € nicht gemeldet hatte. Zwar lag der Entscheidung zweifelsfrei eine Verfehlung der Frau zugrunde, allerdings wurde die volle Summe bis auf lächerliche 30,00 € vom Jobcenter Haßberge zurückgefordert und einbehalten. Außerdem wurde die dreifache Summe in Bußgeldern verhängt.

Überträgt man dieses Strafmaß auf Steuerkriminelle, so müssten für jede hinterzogene Million vier Millionen in die Staatskasse zurückfließen.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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