Hartz IV: Schuldenfalle Wohnung
Das soziokulturelle Existenzminimum in den Hartz IV-Regelsätzen wurde gefälscht. Die Sanktionsregelungen stellen eine offene Verachtung der verfassungsrechtlich zugesicherten Persönlichkeitsrechte im Sozialstaat dar. Und die Bedarfsunterdeckung bei den Kosten der Unterkunft unterläuft diese kontinuierliche Unterversorgung weiter.
Das Recht auf Wohnen
„Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht der zweiten Generation (wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Seine Grundlage im internationalen Recht sind Art. 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), Art. 16 der Europäischen Sozialcharta vom 16. Dezember 1966 sowie Art. 31 der revidierten Europäischen Sozialcharta.
[…]
In Deutschland formulierte die Weimarer Verfassung im Sommer 1919 in Art. 155 erstmals das staatliche Ziel „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung“ zu sichern.
wikipedia
Bezahlbarer Wohnraum ist Aufgabe des Staates
Der soziale Wohnungsbau wird seit Jahren sträflich vernachlässigt und ausreichend bezahlbarer Wohnraum wird knapp. Mit dem erschreckenden Anstieg der „Hartz IV-Rentner“, der Leistungsberechtigten Erwerbslosen und Grundsicherungsnehmern und unterfinanzierten Zeitarbeitern hat sich das Problem weiter verschärft.
Die Frage nach der Feststellung der Angemessenheit von Wohnraum beschäftigt die Sozialgerichte seit der Einführung von Hartz IV.
Mietkürzungen im Märkischen Kreis
Nach Angaben des Jobcenter Märkischer Kreis wurden in den Jahren 2005-2014 insgesamt 9.065 Mietsenkungsverfahren eingeleitet. Das bedeutet, die Mietkosten übersteigen die Vorgaben des Märkischen Kreises, sodass nach einer Schonfrist von 6 Monaten der überzählige Teil der Miete aus dem Existenzminimum zu bestreiten ist. Gemessen an dem Höchststand an Bedarfsgemeinschaften (BGs) mit 20.434 im Juni 2006 betrag dies 45,57 % aller Bedarfsgemeinschaften. Tatsächlich liegt die Zahl etwas niedriger, weil die tatsächliche Zahl der BGs durch Abgänge und Neuzugänge variiert.
IFG042
Konstantin Wecker- Empört euch
Die Menschenwürde, hieß es, wäre unantastbar,
jetzt steht sie unter Finanzierungsvorbehalt,
ein Volk in Duldungsstarre, grenzenlos belastbar,
die Wärmestuben überfüllt,
denn es wird kalt.
Die Geschichte der Elisabeth S. (Name geändert)
Mit der Minderung der Personenzahl reduziert sich automatisch der Leistungsanspruch auf die Kostenübernahme der Miete. Kinder ziehen aus, um auf eigenen Beinen zu stehen, eine Arbeit oder ein Studium aufzunehmen oder auch eine eigene Familie zu gründen. Partner sterben oder Ehen zerbrechen. Die Wohnung wird „zu teuer“, Umzug steht an.
Auch bei Elisabeth S. traten Veränderungen ein, die eine dauerhafte Veränderung nachziehen mussten, aber das Jobcenter versäumte es ein offizielles Mietsenkungsverfahren einzuleiten. Dennoch begab sich die Frau auf die Suche nach einer kostengünstigeren Wohnung und wurde endlich fündig. Die neue Wohnung war deutlich kleiner, die Miete um 120,00 € niedriger und angemessen und die Heizkostenersparnis super. Auch die Stromkosteneinsparnis lag bei ca. 30,00 € im Monat. Eine richtige Win-Win-Situation.
Das Jobcenter Märkischer Kreis stellt sich quer
Aber als sie ihre Umzugspläne beim Jobcenter genehmigen lassen wollte, lehnte die zuständige Sachbearbeiterin ab. Die Wohnung sei 11,00 € zu teuer. 11,00 €! Neue Regeln! Ein Versuch am 14.09.2015 bei der Iserlohner Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH (IGW) eine Mietsenkung zu erwirken, wurde dort abgelehnt, als seien die neuen Vorgaben bereits Gesetz. Auch den Hinweis, dass bezüglich der neuen Wohnkosten-Vorgaben des Kreises bereits mehrere Klagen anhängig seien, ignorierte der IGW-Mitarbeiter. Und auch der Frage, wie viele Sozialwohnungen durch die Neu-Vorgaben des Kreises insgesamt weggefallen seien, wich er aus. Die Frage, ob die IGW überhaupt in die Recherchen zu einem „schlüssigen Konzept“ zur Ermittlung der angemessenen Wohnkosten eingebunden war blieb unbeantwortet. Richtig peinlich wurde es aber, als der Mann nicht einmal die Frage beantworten konnte, ob es bei der IGW überhaupt nur eine einzige freie Wohnung gäbe, die den Bedarfen der Frau und den Berechnungsgrenzen des Jobcenters entspreche.
Nur zwei Monate später, mit Stand vom 24.11.2015 weist das Jobcenter Märkischer Kreis im „Merkblatt Umzug Iserlohn“ eben diese Miete als angemessen aus . . .
Keine Ermessensausübung über 2,70 €?
„Für mich ist es ein Skandal, dass das Jobcenter nicht helfen will (Steuergelder) einzusparen“, sagte mir Elisabeth S. in einem Interview.
Die Mietkosten lagen angeblich 11,00 € zu hoch. Die Ersparnis der Heizkosten nachweislich bei 30,00 €. Drittklässler würde hier eine Einsparung für den Steuerzahler von 139,00 € errechnen. Für die Verweigerung der Genehmigung zum Umzug war die Jobcentermitarbeiterin bereit monatliche Mehrkosten für Miete in Höhe von 120,00 € plus 19,00 € Heizkosten zu sparen . . .
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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