Auf die Straße gegangen
Frauenhaus in Iserlohn vor 30 Jahren eröffnet
1.970 Frauen und 2.520 Kinder fanden seit 1990 im Frauenhaus Iserlohn Zuflucht und Unterstützung. Die Einrichtung in Trägerschaft der AWO Hagen-Märkischer Kreis hätte in diesen Tagen ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert, doch der große Empfang mit geladenen Gästen musste Corona-bedingt ausfallen. Die aktuellen Bewohnerinnen feierten jedoch mit Torte und Pizza.
Von Vera Demuth
Frauenhäuser entstanden in Deutschland ab 1976, als die Frauenbewegung dafür auf die Straße ging. Dies weiß Anna Müller, seit 2007 Leiterin des Frauenhauses in Iserlohn, zu berichten. Das Haus vor Ort wurde 1990 eröffnet. "Vier Frauen haben sich dafür eingesetzt und sind auf die Straße gegangen", so Müller. Da es damals bereits in Lüdenscheid ein Frauenhaus gab, war der Märkische Kreis abgedeckt. "Damit war das Thema für das Land erledigt, für die Frauen aber nicht."
Erstes Frauenhaus bot sechs Frauen Platz
An der Wallstraße wurde ein Frauenhaus mit sechs Zimmern eingerichtet. "Die Frauen haben selbst Möbel geschleppt", erzählt Müller. Vieles wurde in den ersten Jahren durch Spenden möglich gemacht, denn eine Landesförderung gibt es erst seit 1997.
Seit dem Umzug 1999 in ein anderes Gebäude stehen acht Plätze für Frauen und zwölf für Kinder zur Verfügung. Betreut werden die Bewohnerinnen von vier Mitarbeiterinnen: Diplom-Pädagogin Anna Müller, einer weiteren Pädagogin, einer Erzieherin für die Kinder sowie einer Verwaltungsfachfrau. Außerdem übernimmt eine ehrenamtliche Mitarbeiterin seit 30 Jahren die Rufbereitschaft und steht den Frauen nachts und am Wochenende in Notfällen telefonisch zur Verfügung.
Betroffen von Beziehungsgewalt
Im Frauenhaus können Frauen Zuflucht finden, die von Beziehungsgewalt betroffen sind. Sei es, dass ihr Ehemann sie schlägt, dass sie zwar bereits getrennt leben, aber der Mann vor der Tür steht und übergriffig wird, oder dass etwa junge Frauen von ihren Vätern eingesperrt werden. "Manche kommen ohne alles, nur mit dem, was sie am Leib haben", erklärt Müller. Daher geht es oftmals darum, zunächst die finanzielle Situation der Frauen zu klären und zum Beispiel einen Antrag beim Jobcenter zu stellen.
In den vergangenen vier Jahren verzeichnete das Frauenhaus einen deutlichen Anstieg bei der Belegung. Allein vom 1. Januar bis 31. Oktober lag die Auslastung bei 96 Prozent. "Es sind weniger Frauen, aber sie bleiben länger, zum Beispiel weil es zu wenig günstige Wohnungen gibt", erläutert Anna Müller. Darüber hinaus gebe es bei den Frauen immer mehr "Nebenbaustellen" als früher. "Manche haben etwa keinen Ausweis, manche sind psychisch krank, andere haben einen Berg Schulden", zählt die Einrichtungsleiterin auf. Dies führt dazu, dass das Frauenhaus wegen Überbelegung immer öfter anderen Frauen, die ebenfalls Hilfe benötigen, absagen muss. "Es gibt viel zu wenig Plätze", beschreibt Müller die Situation, die letztlich NRW-weit gilt. Einen Überblick darüber, wo noch Plätze frei sind, bietet die Website www.frauen-info-netz.de.
Als Erschwernis kam in diesem Jahr die Corona-Pandemie hinzu. "Während des ersten Lockdowns im Frühjahr haben wir nichts gemerkt, aber danach war eine große Nachfrage." Seit dem Sommer hat die AWO im Stadtgebiet eine Wohnung angemietet, in der Neuzugänge zunächst eine Woche wohnen, bevor sie ins Frauenhaus wechseln, wenn sie keine Symptome haben.
Wunsch nach anderer Finanzierung
Für die Zukunft wünscht sich Anna Müller gleich mehrere Dinge. So kritisiert sie, dass es im Märkischen Kreis keine Einrichtung gibt, die "Täterarbeit" macht und mit gewalttätigen Männern arbeitet. "Daran muss sich unbedingt etwas ändern." Für das Frauenhaus würde sie sich den Umzug in ein größeres Gebäude wünschen, so dass den Frauen und ihren Kinder mehr Platz als nur jeweils ein gemeinsames Zimmer zur Verfügung steht. "Die Frauen brauchen ganz viel, und dann kommen sie hierher und bekommen noch nicht mal Ruhe", so Müller.
Ein besonders großes Anliegen ist der Leiterin zudem die Finanzierung des Frauenhauses. Denn neben dem Land, das die Mitarbeiterinnen bezahlt, müssen die Frauen dafür aufkommen. Falls sie Arbeitslosengeld II beziehen, übernimmt das Jobcenter die Kosten, aber sonst müssen sie selbst zahlen. "Das ist schrecklich. Sie gehen, weil sie zuhause geschlagen werden, und dann müssen sie hier zahlen", sagt Müller. "Wir kämpfen für eine andere Finanzierung, bei der die Männer oder der Staat zahlen."
Das Frauenhaus Iserlohn ist unter Tel. 02371/12585 zu erreichen. Unterstützung bietet zudem das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter 08000116016.
Info: Gewaltschutzgesetz
- Seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes 2002 ist häusliche Gewalt strafbar. Frauen haben die Möglichkeit, einen Eilantrag zu stellen, dass ihnen die Wohnung zugewiesen wird. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses stehen ihnen beratend Seite.
- "Häusliche Gewalt geht durch alle Schichten", sagt Leiterin Anna Müller. "Beratung machen wir bei allen Frauen, aber die, die besser situiert sind, haben ein anderes Umfeld. Bei uns im Frauenhaus sind eher die Frauen, die mehr Unterstützung brauchen."
Autor:Vera Demuth aus Bochum |
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