Rechtswidrige Sanktionen
Einblicke in die Sanktionspraxis des Jobcenter Märkischer Kreis
Existenzbedrohende Strafen gehören zu den kranken Auswüchsen der Agenda-Politik. Fördern und Fordern hört sich bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht zunächst sogar gut an . . . , aber nur solange niemand ernsthaft nachfragt.
Man könnte zum Beispiel kritisch anmerken, ob es richtig sein kann einige der höchsten deutschen Rechtsgüter aufzugeben.
Da wäre zunächst die Unschuldsvermutung zu nennen. Im Strafrecht gilt jeder solange als unschuldig bis seine Schuld zweifelsfrei bewiesen ist. (Zumindest in der Theorie. Die tatsächliche Zahl der unschuldig Verurteilten lässt sich kaum ermitteln, aber bereits die Summen der gezahlten Entschädigungsleistungen an unschuldig Inhaftierte lässt einen erschaudern). Im SGB II geht das noch einfacher. Da dürfen auch juristisch ungebildete und nicht selten nur befristet beschäftigte Jobcentermitarbeiter mal die Leistungsberechtigten triezen und sanktionieren und das bis in die Obdachlosigkeit hinein.
Bisher habe ich ja bereits mehrere – selbst nach Sozialrecht rechtswidrige 100%-Sanktionen – dokumentiert. Die verfassungsgemäße Bewertung der Sanktionspraxis ist nach wie vor beim Bundesverfassungsgericht anhängig und die Sanktionsschikanen gehen weiter. Nur wird zumindest das Thema Sanktionen endlich in die Öffentlichkeit getragen.
Wie krank das System ist, kann das hier vorgelegte Beispiel belegen. Im April 2017 wurden lt. Sanktionsstatistik der Bundesagentur für Arbeit allein im Jobcenter Märkischer Kreis 51 neue Sanktionen erfasst mit der Begründung „Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, AGH oder Maßnahme“
Der hier vorgelegte Sanktionsbescheid über 60% = 3 x 245,40 € ist leider kein Einzelfall.
„Ihnen ist am 25. Januar 2017 ein Beschäftigungsverhältnis als Helfer Lagerwirtschaft, Transport bei der Firma DHL Delivery Hagen GmbH angeboten worden ..
Der Arbeitgeber hat hierzu folgendes mitgeteilt:
Der Bewerber hat sich nicht gemeldet bzw. nicht beworben.
Ihr Verhalten haben Sie wie folgt begründet:
Ich habe mich am 20.02.2017 beworben.
Diese Gründe konnten nicht anerkannt werden. Auch in den vorhandenen Unterlagen ließ sich kein wichtiger Grund erkennen.“
Also: der Arbeitgeber kann sich an den Bewerber nicht erinnern, und macht ein Kreuz auf einem Vordruck, der Erwerbslose erinnert sich genau an das Datum seiner Bewerbung, egal: 60%-Sanktion, 736,20 € Bußgeld.
Jobcenter Märkischer Kreis. Kein Einzelfall.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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