Die zweifelhaften Erfolge von Hartz IV – Verfolgungsbetreuung
Zu den wahrhaft kranken Auswüchsen der Agenda 2010 gehört wohl die schleichende Mutation der als „Verfolgungsbetreuung“ umschriebenen Überwachungs-Schikanen und Verletzungen der Privat- und Intimsphäre mit dem Ziel der Demütigung, Sanktionierung und Leistungsverweigerung.
Unvergessen und als "Jargon der Verachtung" bezeichnete auch 11 Jahre nach der Erstausgabe Professor Wilhelm Heitmeyer vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld das Hetzpamphlet des Bundeswirtschaftsministeriums von 2005 mit dem Titel "Vorrang für die Anständigen - Gegen Missbrauch, 'Abzocke' und Selbstbedienung im Sozialstaat" für die der damalige SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement die Einleitung verfasst hatte.
Clement machte sich gleichsam zum Schutzherrn und Fürsprecher alter Naziparolen, indem er Erwerbslose mit Parasiten verglich: "Biologen verwenden für 'Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten - leben', übereinstimmend die Bezeichnung 'Parasiten'."
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ungleichheit-in-deutschland-ich-wuerde-gerne-mal-zuschlagen-wenn-ich-wuesste-wohin-1.3179306-2
Die Würde des Menschen ist sehr wohl antastbar.
Clement profitiert heute u.a. von der in seiner Amtszeit demontierten Zeitarbeitsbranche im Aufsichtsrat der DIS AG, einer Tochter von Adecco wie die „Made im Speck“, um seinen Wortschatz bestmöglich aufzugreifen.
Erschleichen von Sozialleistungen
Während aber nur vereinzelt dem Sozialleistungsmissbrauch der Armutsindustrie und der Steuerverschwendung der Sozialbehörden strafrechtlich nachgestellt wird, beschäftigen Jobcenter vermehrt „Ermittlungsdienste“, die gleichsam als Hilfssheriffs und Privat-Schnüffler Erwerbslosen nachstellen und ohne juristische Legitimation Betrugsvorwürfe zu konstruieren suchen.
Etliche Berichte von Betroffenen schildern unangemeldete Hausbesuche, illegale Befragungen von Nachbarn und sogar das Eindringen in Wohnungen, wenn diese von Kindern geöffnet werden. Mit dem (nicht zulässigen) Druckmittel von Leistungskürzungen werden regelmäßig Kompetenzen überschritten und die Weisungen dazu kommen vermutlich aus den Chefetagen der Sozialbehörden selbst.
Auch vor Observationen nach Feierabend und Recherchen in den sozialen Netzwerken gehören zum Alltag einiger selbsternannten Hardliner.
Missachtung von Sozialgeheimnissen und Erpressung von Sozialdaten
Massive Kompetenzüberschreitungen in der Einforderung unnötiger Sozialdaten finden sich gerade im Bereich von Mietverhältnissen. Das Jobcenter Märkischer Kreis suggeriert mit selbst gebastelten Mietbescheinigungen Auskunftsrechte gegen Vermieter zu haben. Allerdings werden solche Verstöße seit Jahren von Datenschützern gerügt. Die Datenerhebungen sind grundsätzlich immer bei den Leistungsberechtigten einzufordern. Weitergehende Befugnisse hat das Jobcenter im Normalfall nicht. Die Antragsformulare (z.B. KDU – Kosten der Unterkunft) der Bundesagentur für Arbeit sind unter Mitwirkung der Datenschutzbeauftragten auf die notwendigen Minimalinformationen reduziert.
Bedauerlicherweise ist die Einschaltung der Datenschützer regelmäßig erforderlich, um auf die Unbelehrbaren einzuwirken.
Sozialdatenschutz auch bei der Aktenführung
Bereits im Januar 2010 stellte die Bundesagentur eine Handlungsdirektive zum „Aufbau und Führen einer Leistungsakte im Rechtskreis SGB II“ zur Verfügung.
Darin fand sich u.a. eine vierseitige Tabelle mit aufgelisteten Dokumenten und den Hinweisen, welche Unterlagen als Kopie in die Akte aufgenommen werden sollten und bei welchen Dokumenten dies untersagt ist.
Nicht zur Akte zu nehmen sind z.B. Kopien von Personalausweis, Pass bei Ausländern, Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamtes, Sozialversicherungsausweis, EC-Karte/Bank-Karte, Scheidungsurteil, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Schulbescheinigung, Mutterpass, Schwerbehindertenausweis usw. Für einzelne Unterlagen gelten eng gefasste Ausnahmeklauseln.
Sollten Jobcentermitarbeiter dennoch Kopien erstellen oder eingereichte Kopien zur Akte nehmen, verstoßen sie damit gegen den Sozialdatenschutz und gegen geltendes Recht.
Sozialdatenschutz – Rechte der Versicherten
In einer neu aufgelegten Broschüre „Sozialdatenschutz – Rechte der Versicherten" (4. Aufl. 2017, 89 S.) können sich Interessierte über Ihre Rechte informieren. Die Broschüre kann in Schriftform kostenfrei angefordert werden oder auch als pdf-Dokument heruntergeladen werden.
Die gute Nachricht, es gibt auch „die Guten“
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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