Die Kosten der Unterkunft vor dem Bundesverfassungsgericht
In dem aktuellen Newsletter 40/2017 vom 20.11.2017 berichtet Harald Thomé
über „Die Nicht-Entscheidung des BVerfG zu den Unterkunftskosten“
Dabei geht es um die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
„Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Begrenzung auf Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung“ betitelte das BVerfG selbst die
Pressemitteilung Nr. 96/2017 vom 14. November 2017 BVerfG, 1 BvR 617/14 u.a.
Kein Anspruch auf vollständige Übernahme der Mietkosten
Am 14.11.2017 verbreitete sich dann die Nachricht durch die Presse und hinterließ bei vielen Lesern einen merkwürdigen Beigeschmack, der wohl der Korrektur bedarf, weil von den Kernaussagen abgelenkt wird. Die Titel lauteten z.B.:
Hartz-IV-Empfänger ohne Anspruch auf volle Übernahme von Wohn- und Heizkosten
welt.de
Keine unbegrenzte Übernahme von Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger
juris.de
Jobcenter muss Miete nicht komplett zahlen
zdf.de
Wohnen ist ein verfassungsrechtlich zu schützendes Grundrecht
Aber wie teuer darf sozialrechtlich zu schützender Wohnraum sein? Das Bundesverfassungsgericht hat weitgehend das vom Bundessozialgericht entwickelte „schlüssige Konzept“ bestätigt.
Was die Medienberichterstattung übersieht, ist die Tatsache, dass Jobcenter und Kommunen die Vorgaben vielfältig unterlaufen und die Leistungsberechtigten um erhebliche Summen umgangssprachlich „bescheißen“.
Tausendfache Vermögensschädigung bei Erwerbslosen durch das Jobcenter Märkischer Kreis
Die Vorgaben des Jobcenter Märkischer Kreis über die „angemessenen Kosten der Unterkunft“ entbehren bis heute einer gerichtsfesten Überprüfung. „Angemessenheit der KDU“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der ausschließlich der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Erst ab Januar 2014 liegt ein angeblich „schlüssiges Konzept“ vor. Aber auch nach fast vier Jahren ist die Rechtskonformität noch immer nicht bestätigt. Die Prüfung der zugrunde gelegten harten Fakten steht bis heute aus. Das Konzept weist schwerwiegende Mängel auf.
Ein einfacher Beweis, dass tausende von Leistungsberechtigten im Märkischen Kreis durch das Jobcenter Vermögenseinbußen erlitten haben, zeigt der einfache Blick auf die sogenannten Mietsenkungsverfahren. Einfach ausgedrückt: Das Jobcenter behauptet „deine Wohnung ist zu teuer, entweder du zieht um, oder wir bezahlen nach 6 Monaten nur noch so viel, wie wir vorgeben.“
In den Jahren 2005-2015 wurden im Märkischen Kreis insgesamt 9.065 Mietsenkungsverfahren eingeleitet. Das Jobcenter bestätigte insgesamt 1.451 Umzüge. Rein rechnerisch haben seitdem möglicherweise 7614 Bedarfsgemeinschaften Anteile zur Miete aus ihrem Existenzminimum bestreiten müssen. Ohne Rechtsgrundlage. Ohne Beistand, ohne Widerspruch und Klage werden viele im Jobcenter „betrogen“. Das ist mehr als ein Gefühl. Die Höhe der Vermögensschädigung ist unterschiedlich. Manche Bedarfsgemeinschaften zahlen 50,00 € monatlich zur Miete dazu. Vermögensschädigung Stufe 1 bis 600,00 € pro Jahr. Aber damit nicht genug. Vermögensschädigung Stufen 2 und 3 betreffen mögliche Nachforderungen bei den Nebenkosten und Heizkosten.
Weitere Vermögensschädigungen betreffen jene, die tatsächlich umziehen und denen Folgekosten nicht erstattet werden. Das sind etliche Umzugskosten wie Umzugsunternehnmen, Ummeldekosten, teilweise Erstausstattungen, Telefonummeldungen. Aber auch die Kosten für die Neuanschlüsse von Starkstromherden und Waschmaschinen gehören zu den zu erstattenden Umzugskosten.
Ich würde mich freuen, wenn sich Betroffene bei mir melden würden und zumindest beitragen die Machenschaften anhand von überprüfbaren Beweisen zu dokumentieren.
Keine Ermessensausübung bei der Verhältnismäßigkeit
Kein vernünftiger Mensch würde ohne stichhaltige Gründe umziehen. Stellt man die Kosten des Umzugs einschließlich aller Folgekosten dem tatsächlich realistischen Einsparpotential gegenüber, so ist eine Vielzahl von Mietsenkungsverfahren absolut realitätsfern und somit eine Verschwendung von Steuergeldern.
Das leuchtet auch vielen Jobcenter-Mitarbeitern ein. Aber die Geschäftsführung im Jobcenter MK lässt - wieder im Widerspruch zur BSG-Rechtsprechung - keine Ermessensentscheidung zu. Uns liegen Mietsenkungsschreiben vor, in denen die Miete die (derzeit unbestätigten) Vorgaben zwar geringfügig übersteigen, aber die Heizkosten ausgesprochen günstig sind. Stellt man dies ins Verhältnis zu den Umzugskosten, so bestätigt das Ergebnis wohl nur die Dummheit der Entscheider.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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