Ein-Euro-Jobs
Das Recht auf Wertersatz bei illegalen Arbeitsgelegenheiten

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Viele „Arbeitsgelegenheiten“ sind rechtwidrig, aber viel zu wenige Betroffene klagen ihre Rechte ein.

Am  29.04.2021 hat der 4. Senat des Landessozialgericht Hamburg,  Az. L 4 AS 177/17 die Rechtswidrigkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes festgestellt (Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung gem. § 16d SGB II aus der Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. Oktober 2011).
"Es wird festgestellt, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 1. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 rechtswidrig gewesen ist."
"Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 990,36 Euro zu zahlen."

"Der Kläger wurde verpflichtet, die Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwands-entschädigung als Küchen- und Kantinenhilfe bei der H. in der V.-Straße x am 18. Oktober 2010 um 9:00 Uhr anzutreten, regelmäßig daran teilzunehmen und Krankheitszeiten ab dem ersten Krankheitstag durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu belegen."  (Maßnahme Nr. 1490 mit der Kurzbezeichnung „Vorbereitungsphase“)

Der Kläger unterwarf sich der Zwangszuweisung aus Furcht vor Sanktionen.

Das Jobcenter Märkischer Kreis auf dem Prüfstand

Der Bundesrechnungshof hatte mehrfach nachdrücklich darauf gedrängt, Mitnahmeeffekte der Träger ganz zu vereiteln und nur noch die tatsächlichen und nachgewiesenen Aufwandspauschalen zu erstatten.

Allein in den Jahren 2005-2012 wurden im Märkischen Kreis etwa 49.467.612,61 €, also fast 50 Millionen € für nutzlose Ein-Euro-Jobs verbrannt. Nur 22% der Leistungen kam den Bedürftigen zu Nutze. Mit 38,5 Millionen Euro wurden die Träger für die "Verwaltung der Arbeitslosen" gesponsert.
Ein-Euro-Jobs im Märkischen Kreis

Arbeitsgelegenheiten (AGHs, 1-€-Jobs) gehörten zu den lukrativsten Möglichkeiten der "Armutsindustrie" und wurden hunderttausendfach genutzt um Steuermittel zu erschleichen. Der Nutzen für die Vermittlung in Vollzeitjobs war gleich null. Der Missbrauch wurde etliche Male angeprangert.

Am 30.04.2015 wurde in einem Erörterungstermin nach 7 Jahren die Rechtswidrigkeit und die fehlende Zusätzlichkeit eines Ein-€-Job festgestellt.
 Das Jobcenter Märkischer Kreis war weder in der Lage eine vom Kläger unterzeichnete Eingliederungsvereinbarung vorzulegen, noch die gravierenden Abweichungen zwischen der AGH-Beschreibung für die Zulassung mit der abweichenden Arbeitszuweisung beim Träger zu erklären. Die tatsächlich dann auszuübenden Tätigkeiten erfüllten die Anforderungen der "Zusätzlichkeit" und "Wettbewerbsneutralität" nicht.

Damit war dem Rechtsanspruch des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch Genüge getan. Als nachteilig erwies sich für den Kläger, dass das Sozialgericht aufgrund der späten Klageerhebung einen Erstattungsanspruch für das Jahr 2007 aufgrund von Verjährung ausschloss. Damit entfiel eine Entschädigung für vier Monate!

Der Anspruch für die Monate Januar und Februar 2008 waren unstrittig. In dem Vergleichsgespräch wurde mit spitzer Feder gerechnet. Schließlich einigten sie die Beteiligten auf eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 900,00 € . Vier Monate á 450,00 € oder um 1.800,00 € wurde der Kläger "geprellt".
Auch diese Klage ist bestmöglich dokumentiert.
Wertersatz-Klage bei rechtswidrigem Ein-Euro-Job

Immer wieder stellt sich die Frage, ob ein vom Jobcenter auferlegter Ein-Euro-Job tatsächlich die vom Gesetzgeber geforderten Eigenschaften erfüllt oder einfach nur den entsprechenden Träger
bereichert. Denn Ein-Euro-Jobs sind nur dann rechtskonform, wenn die verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. „Doch das ist in den seltensten Fällen der Fall“, sagt Uwe Hoffmann, Geschäftsführer des DSD (www.mehr-hartz4.net). „Der Gesetzgeber hat in § 16d SGB II solche Arbeitsgelegenheiten (AGH) klar geregelt“, so Hoffmann. Schon seit Jahren hat der Bundesrechnungshof die Vergabepraxis der AGHs gerügt. Denn das Geschäft mit der Arbeitslosigkeit ist sehr lukrativ.

Ein Beispiel: Im Märkischen Kreis wurden in den Jahren 2005 –2012 fast 50 Millionen Euro für überwiegend nutzlose Ein-Euro-Jobs verbrannt. Die 22 Träger wurden mit knapp 40 Millionen Euro für die „Verwaltung der Arbeitslosen“ unterstützt. Uwe Hoffmann: „Das ist Missbrauch von
Steuergeldern par excellence. Wenn man dann noch bedenkt, mit welchen Sanktionen die Jobcenter den Betroffenen im Verweigerungsfall drohen, hat das für mich schon kriminelle Züge.“ In wie weit eine AGH tatsächlich den gesetzlichen Ansprüchen genügt hat, lässt sich relativ leicht beantworten.

Wenn diese Tätigkeit der Allgemeinheit diente, sich klar von der Tätigkeit des Stammpersonals des Trägers unterschieden hat und nicht einer anderen Firma „die Arbeit weggenommen hat“, also wettbewerbsneutral war, entsprach sie den gesetzlichen Anforderungen. Der DSD-Geschäftsführer: „Wer in den letzten vier Jahren zu einem Ein-Euro-Job gezwungen wurde, sollte dringend prüfen lassen, ob diese Tätigkeit tatsächlich dem Gesetz entsprochen hat. Wenn nicht, gibt es nachträglich den ortsüblichen Lohn in Form einer Nachzahlung. Das hießt zwar, dass durch die Nachzahlung die Regelleistung für den entsprechenden Monat gekürzt wird, aber in aller Regel bekommen Betroffene durch die Nachzahlung des echten Arbeitslohns massiv mehr Geld.“ Mittlerweile werden immer weniger Ein-Euro-Jobs durch Jobcenter vermittelt. Das wird durchaus einen Grund haben, glaubt Hoffmann: „Ich denke, dass viele Jobcenter mittlerweile Bedenken haben, Ein-Euro-Jobs zu vermitteln, weil sie selbst wissen, dass die meisten davon nicht rechtskonform sind, weil sie einfach nur die Träger bereichern.“
www.mehr-hartz4.net

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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